Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.1. Relations commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 10, doc. 113
volume linkBern 1982
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110-02#1000/1065#142* | |
Old classification | CH-BAR E 7110-02(-)1000/1065 26 | |
Dossier title | Allgemeines über den Handelsvertrag mit Deutschland: Handelsvertragsverhandlungen (1931–1931) | |
File reference archive | 8.2.1 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/45655
Anlässlich der offiziellen Verhandlungen habe ich mehrfach darauf hingewiesen, dass der schweizerische Export nach Deutschland durch die deutschen Devisenbewirtschaftungsvorschriften2 stark gehemmt werde, der schweizerische Gläubiger über seine Guthaben aus Warenlieferungen nicht verfügen könne und der deutsche Käufer oft grösste Mühe habe, die schweizerischen Waren in Mark oder Franken zu bezahlen. Ich erklärte, in dieser Hinsicht zahlreiche Klagen erhalten zu haben. Posse3 erläuterte die Grundlagen der deutschen Bestimmungen über den Devisenverkehr und erklärte sich bereit, die einzelnen Fälle zu prüfen, um festzustellen, ob etwa die einzelnen Devisenbewirtschaftungsstellen ihre Kompetenzen überschritten hätten.
Nachdem die eigentlichen Verhandlungen Freitag, den 23. Oktober, abends spät, zu Ende gegangen waren4, kam Posse Samstag Vormittag verabredungsgemäss zu mir, um das bei mir liegende Dossier über Klagen schweizerischer Firmen betreffend deutsche Devisenschwierigkeiten durchzusehen. Um sich die nötigen Notizen zu machen, nahm er seinen Sekretär, Dr. Eichhorn, mit. Wir haben dann die einzelnen Fälle eingehend durchgesprochen und Posse versprach, ihnen nachzugehen, um da, wo die bestehenden Vorschriften unrichtig durchgeführt worden seien, für Abhilfe zu sorgen.
Ganz naturgemäss kam dann das Gespräch auf die Devisenschwierigkeiten im allgemeinen. Ob Posse oder ich zuerst erklärte, eine Hauptschwierigkeit bestehe darin, dass die deutsche Regierung trotz der mehrfach verschärften Bestimmungen nur einen Teil der aus dem Warenexport nach der Schweiz anfallenden Devisen erhalte, weiss ich nicht mehr. Jedenfalls waren wir hierüber einig, wie auch darüber, dass eine solche vollständige Erfassung nur mit Hülfe des Importstaates möglich sei. Ich sagte, meines Erachtens wäre es nicht ausgeschlossen, dass sich die Schweiz zu einer solchen Mitwirkung in irgendwelcher Form bereit erklären könnte, wie ich überhaupt glaubte, dass in unsern weitern Verhandlungen auch über finanzielle Fragen gesprochen werden sollte. Auf die Frage von Posse, wie ich das meine, teilte ich ihm als meine rein persönliche und vorläufige Auffassung etwa folgendes mit:
Es besteht in schweizerischen Kreisen die Meinung und die Hoffnung, Zweck der gegenwärtigen Wirtschaftsverhandlungen müsse es sein, die Einfuhr aus Deutschland auf etwa 400 Millionen jährlich zu beschränken und die schweizerische Ausfuhr auf etwa 300 Millionen zu heben. Das bestehende Loch von 100 Millionen könnte dann vielleicht aus den gewaltig zurückgegangenen Erträgnissen des Fremdenverkehrs und der schweizerischen Kapitalforderungen an deutsche Schuldner immer noch gedeckt werden, sodass die Zahlungsbilanz ausgeglichen würde. Ich selber sei der Ansicht, dass ein solches Resultat nicht erzielbar sei: Solange man bei der Zollkontingentierung auf die normale Einfuhr von 19275 abstelle - dass Deutschland einer stärkeren Einschränkung seines Export nach der Schweiz nicht gutwillig zustimmen könne sei mir verständlich - könne man niemals an eine «Drosselung» auf 400 Millionen denken. Das Ergebnis der bisherigen Beratungen mit Bezug auf Holz und Konfektionswaren würde einer Mindereinfuhr im Werte von etwa 15 Millionen entsprechen und das, was auf dem gleichen Wege in weitern Verhandlungen zu erreichen möglich scheine, dürfte, die 15 Millionen eingerechnet, etwa auf 100 Millionen einzuschätzen sein. Auch mit Bezug auf eine wesentliche Förderung des Exportes mache ich mir keine Illusionen. Selbst wenn uns Deutschland hier durch Zollermässigungen wesentlich entgegenkommt, so würde sich dies angesichts der stark verminderten Kaufkraft und insbesondere der Devisenschwierigkeiten kaum wesentlich fühlbar machen. Ich rechne deshalb auch nach Abschluss des vorgesehenen Abkommens noch mit einem Einfuhrüberschuss aus Deutschland von mehreren hundert Millionen. Man könnte nun daran denken, diesen Überschuss wenigstens teilweise zur Abtragung deutscher Schulden an schweizerische Gläubiger zu verwenden. Wir hätten ein Abkommen auf solcher Grundlage gerade in diesen Tagen mit Ungarn6 in Aussicht genommen. Darnach würden die schweizerischen Käufer ihre Zahlungen an die Nationalbank machen und diese hätte nach einer Vereinbarung mit der Reichsbank einen Teil der Eingänge zur Amortisierung schweizerischer Guthaben zu verwenden, wogegen der Rest einesteils zur Bezahlung deutscher Käufe an die Schweiz, andernteils zur freien Verwendung Deutschlands zur Verfügung stände. Ich weiss wohl, fügte ich bei, dass der Verwirklichung einer solchen Idee sehr grosse Schwierigkeiten entgegenstehen. So ist mir bekannt, dass der Präsident unserer Nationalbank7 schon vor einiger Zeit mit Herrn Luther8 über diese Frage gesprochen und von diesem einen ablehnenden Bescheid erhalten hat. Deutschland stehe eben auf dem Standpunkt, dass es gemäss der Stillehalteaktion9 alle Gläubiger gleich zu behandeln habe. Es ist aber meines Erachtens nicht richtig, dass ein Gläubiger, der Deutschland keine oder wenig Waren abnimmt, gleich behandelt wird wie beispielsweise die Schweiz, die auch in Zukunft eine stark passive Handelsbilanz mit Deutschland in Kauf nimmt und dadurch die Mittel zur Bezahlung u.a. der Amerikaner und anderer politischer und privater Gläubiger liefert. Bei einer solchen schweizerisch-deutschen Verständigung könnte die Schweiz in der Einschränkung der Wareneinfuhr aus Deutschland bedeutend bescheidener sein, da - und das entspricht ja gerade der in Deutschland so oft vertretenen These - eben ein Teil dieser Einfuhr unsern Kapitalinteressen zugute käme. Selbstverständlich müsste Deutschland gegenüber denjenigen Ländern, denen gegenüber es im Warenverkehr stark aktiv ist und gleichzeitig Geld schuldet, wie England und Holland, gleich vorgehen. Ich könnte mir vorstellen, dass selbst die Amerikaner schliesslich einem solchen Vorgehen keinen unüberwindlichen Widerstand entgegensetzen würden, weil ja immer ein Teil der aus dem deutsch-schweizerischen Warenverkehr anfallenden Devisen zur Abtragung deutscher Schulden in Amerika verfügbar wäre. Das wäre für sie vorteilhafter als der andere Zustand, wobei Länder wie die Schweiz gezwungen werden könnten, die Einfuhr deutscher Waren nur in dem Masse zuzulassen, in dem Deutschland schweizerische Waren abnimmt. Dann stünden Deutschland ja überhaupt keine Devisen für andere Zwecke zur Verfügung.
Ich fügte auch am Schlüsse meiner Darlegungen ausdrücklich bei, dass mir diese Ideen in den letzten Tagen gekommen seien, dass es sich um eine rein persönliche Ansicht handle, dass ich nicht einmal mit Herrn Bundesrat Schulthess darüber gesprochen hätte und dass noch weniger der Bundesrat etwa irgendwelche Beschlüsse gefasst habe.
Herr Posse erklärte, er verstehe von diesen Dingen nicht viel, glaube aber immerhin, dass solche Pläne schwer zu verwirklichen sein würden. Er hat sie mit keinem Wort als etwas Unerhörtes, für Deutschland ganz Undiskutierbares bezeichnet, geschweige denn auch nur angedeutet, dass, wenn die Schweiz mit solchen Vorschlägen käme, dies auf die weitern Verhandlungen von ungünstigem Einfluss wäre.
Die ganze Form des Gesprächs war derart formlos und vertraulich, dass mir nicht auch nur der Gedanke gekommen wäre, Herr Posse würde darüber nach Berlin berichten, wie auch ich weder der Delegation noch meinem Chef Bericht erstattet habe.
Als ich dies gestern Herrn Posse in Genf mitteilte, erklärte er folgendes: Gerade weil er von diesen Dingen wenig verstehe, hätte er sich verpflichtet gefühlt, über diese Unterredung Bericht zu erstatten. Er hätte aber ausdrücklich gesagt, es handle sich um ein privates Gespräch, und sei im höchsten Grade erstaunt und entrüstet gewesen, dass man unter Hinweis auf dieses Privatgespräch das vorgesehene Abkommen abgelehnt habe10. Auf meine bestimmte Frage, ob es richtig sei, dass ich ausdrücklich betont hätte, über diese Fragen weder mit Herrn Bundesrat Schulthess gesprochen geschweige denn vom Bundesrat Instruktionen erhalten zu haben, hat Herr Posse erwidert, er bestreite dies keineswegs.
- 1
- E 7110 1/26.↩
- 2
- Depuis le mois de juillet le Gouvernement Brüning a édicté des ordonnances pour éviter la fuite des capitaux. Cf. no 93.↩
- 3
- Directeur ministériel au Ministère de l’Economie du Reich.↩
- 4
- Cf. no 112, n.l.↩
- 5
- Pour le chiffre des exportations allemandes en Suisse pendant l’année 1927 cf. no 58.↩
- 6
- Cf. no 124.↩
- 7
- G. Bachmann.↩
- 8
- Président de la Reichsbank.↩
- 9
- Cf. no 94.↩
- 10
- cf. no 112.↩
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