Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
11. France
11.5. Affaire des zones
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 10, Dok. 85
volume linkBern 1982
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2#1000/44#1714* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2(-)1000/44 319 | |
Dossiertitel | Unterhandlungen mit Frankreich betr. die zu vereinbarende Zonenordnung gemäss Verfügung des Internationalen Gerichtshofes vom 6.Dezember 1930 (1931–1931) | |
Aktenzeichen Archiv | B.137.2 |
dodis.ch/45627
Herr Dr. Borei3 hat mir über den Verlauf der Sitzung in Sachen der Zonenfrage4 Bericht erstattet. Ich habe davon Kenntnis genommen, dass der Zollkordon nunmehr doch auf die Zollgrenze verlegt werden soll und dass auch Genf dieser Lösung zustimmt. Damit ist der eigentliche Zweck, welcher seinerzeit5 zum Referendum gegen das Zonenabkommen geführt hat, preisgegeben. Anderseits aber hat die Schweiz damit auch alle ihre Verpflichtungen, welche aus ihrem Versprechen im Versailler Vertrag abgeleitet werden können, mehr als erfüllt. Frankreich befreit sein Territorium von einem schweren Servitut, durch welches ein Teil der französischen Bürger ausserhalb der französischen Zollinie stund.
Zu meiner grossen Überraschung teilt mir Herr Dr. Borei mit, die Schweiz habe die Absicht, über dieses grosse Entgegenkommen hinaus noch weitere KonZessionen zu bewilligen. Man rede sogar von ewigen Verpflichtungen, welche die Schweiz in bezug auf die zollfreie Einfuhr aus den ehemaligen Zonen übernehmen wolle. Frankreich scheint der Meinung zu sein, es könne mit einem gewissen Recht verlangen, dass, wenn es Konzessionen für den schweizerischen Import mache, auch die Schweiz eine Gegenleistung einzugehen habe. Ich erblicke darin eine vollständige Verschiebung des wirklichen Rechtszustandes. Tatsache ist, dass die Schweiz auf einen Teil ihrer bisherigen Rechte verzichtet. Dafür, dass sie nun einen Teil dieser Rechte (Exportvergünstigungen) beibehält, hat sie doch nichts zu bezahlen. Das Loch im Westen wird für die schweizerische Landwirtschaft je länger je mehr zu einer eigentlichen Gefahr. Die genferische Milchversorgung wird den Savoyarden ausgeliefert. Der Missbrauch der Vergünstigung der Grenzzone gefährdet auch die Fleischversorgung Genfs durch die schweizerische Landwirtschaft. Ewige Bindungen auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Einfuhr können für die Schweiz einst ein noch grösseres Servitut bedeuten, als es die Zonen für Frankreich waren. Das, was der Bund eventuell vorübergehend tun will, kann auf autonomem Wege geschehen unter Berücksichtigung der Lage der genferischen und der schweizerischen Landwirtschaft. Die Gewährung von ewigen Bindungen aber wäre nicht nur ein Zeichen der Schwäche, sondern auch eine grosse wirtschaftliche Gefahr. Wie wir schon in früheren Eingaben darlegten, sind wir der Ansicht, dass diese wirtschaftlichen Abmachungen dem Referendum unterstehen6. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch diesen formellen Punkt sowohl im Bundesrate als auch gegenüber den Franzosen abklären wollten. Ich bringe Ihnen auch zur Kenntnis, dass für den Fall, dass solche Bindungen für den landwirtschaftlichen Import aus Frankreich eingegangen werden, ich die Absicht habe, die Frage der Ergreifung des Referendums dem leitenden Ausschüsse und dem Vorstande des Schweizerischen Bauernverbandes zur Prüfung vorzulegen. Ich möchte Sie auch bitten, für den Fall, dass der Bundesrat sich auf Verhandlungen über solche Konzessionen einlässt, uns davon jeweils Kenntnis zu geben, damit wir Gelegenheit haben, uns darüber zu äussern. Ich bin übrigens der Meinung, dass, wenn die Schweiz mit Energie und Nachdruck jede Gewährung von Bindungen auf landwirtschaftlichem Gebiete ablehnt und entschlossen ist, daran die Verhandlungen scheitern zu lassen, im übrigen aber Frankreich entgegenkommt, Frankreich über diese landwirtschaftlichen Konzessionen den Vertrag nicht scheitern lassen wird. Die Gewährung der Verlegung der Zollinie auf die Grenze gibt der Schweiz ein solches Übergewicht und wird von der Öffentlichkeit als eine gewaltige Konzession eingeschätzt werden, dass Frankreich kaum die Verhandlungen scheitern lassen wird. Nachdem nun die Schweiz jahrelang mit grosser Energie den Kampf um ihr Recht geführt hat und nun zum Schlüsse sich mit dem ihr von Frankreich angetanen Unrechte abfindet, sollte sie nun nicht die wichtigen wirtschaftlichen Interessen des Landes preisgeben. Da die notwendige Zeit fehlt, um zuerst die Ansichten unseres Ausschusses und Vorstandes einzuholen, muss ich mich auf diese Mitteilung, welche die Ansicht des Schweizerischen Bauernsekretariates wiedergibt, beschränken. Ich habe aber eine Kopie dieses Schreibens sofort den Ausschussmitgliedern zur Kenntnis gebracht, es ihnen überlassend, Ihnen allfällig von meinen Darlegungen abweichende Ergänzungen mitzuteilen.
- 2
- Lettre: E 2, Archiv-Nr. 1714.↩
- 3
- A. Borei, Sous-directeur de l’Union suisse des paysans.↩
- 4
- Tenue à Berne le 22 juin 1931 entre les représentants de la Confédération, des cantons et des associations intéressées. Cf. no 87.↩
- 5
- En 1923.↩
- 6
- Conformément à l’article 89, al. 3 de la Constitution fédérale.↩