Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.2. Relations financières
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 10, Dok. 40
volume linkBern 1982
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001C#1000/1532#1528* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(C)1000/1532 57 | |
Dossiertitel | Deutsche Anleihen in der Schweiz (1930–1930) | |
Aktenzeichen Archiv | C.42.39 • Zusatzkomponente: Deutschland |
dodis.ch/45582
Le Ministre de Suisse à Berlin, H.Rüfenacht, au Chef du Département politique, G. Motta1
Im Anschluss an die Besprechung eines geschäftlichen Falles, zu der Herr Ministerialdirektor Ritter, der erste Bearbeiter der Wirtschaftspolitik im Auswärtigen Amt, mich gebeten hatte, äusserte er sich, nicht etwa gesprächsweise, sondern in offizieller Weise, über die Nichtbeteiligung der schweizerischen Banken am deutschen Überbrückungskredit2. Ich schicke meinem bezüglichen Bericht voraus, dass ich schon früher beobachten konnte, dass Herr Ritter mit einer verbindlichen Form oft etwas scharfe Töne zu verbinden pflegt, auf die ich in diesem Falle reagieren musste, wenn ich nicht als zu Recht Gescholtener dastehen wollte.
Herr Ritter gab also seinem Befremden darüber Ausdruck, dass die schweizerischen Banken, die, nebenbei gesagt, in deutschem Gelde schwimmen, die Beteiligung am besagten Kredit abgelehnt haben; er spreche dabei nicht nur für sich selbst, sondern im Namen der Deutschen Regierung, die sich durch dieses Misstrauen und die mit diesem verbundene schwere Schädigung des deutschen Kredites und damit der deutschen Wirtschaft verletzt fühle und darin ein unfreundliches Verhalten von seiten der Schweiz erblicke. Er glaube allerdings zu wissen, dass die Schweizerische Regierung die Beteiligung der Banken gewünscht habe; der Vorwurf der Deutschen Regierung richte sich deshalb nicht gegen die Schweizerische Regierung, der die deutsche im Gegenteil für ihre Haltung dankbar sei. Von deutscher Seite könne aber in ihrem Verhalten zum Schutze der deutschen Wirtschaft kein Unterschied zwischen dem schweizerischen Lande und der schweizerischen Wirtschaft gemacht werden.
Meinen Einwand, dass ein Geldsucher, der abgewiesen werde, deshalb kein Recht zu Vorwürfen gegenüber dem Angefragten habe, beantwortete Herr Ritter damit, dass dies richtig wäre, wenn Deutschland von der Schweiz allein ein Darlehen erbeten hätte. Hier handle es sich aber um ein ostentatives Beiseitestehen der Schweiz von einer gemeinsamen Aktion zahlreicher Staaten, die mit Ausnahme von Frankreich sich alle beteiligt haben, um eine Deutschland diskriminierende Missachtung der wirtschaftlichen Solidarität und damit um eine verletzende Manifestation des schweizerischen Misstrauens.
Nach seinen Informationen, fuhr Herr Ritter fort, sei der Einfluss zu der Ablehnung bei den schweizerischen Banken von Basel aus gekommen, und zwar als Antwort auf die Tarifmassnahme der Reichsbahn3. Diese Massnahme sei aber kein berechtigter Grund gewesen; denn die Reichsbahn, ein vom Reich unabhängiges, selbständiges Unternehmen, das für das in ihm investierte Kapital von 30 Milliarden Mark verantwortlich sei, habe lediglich in berechtigtem, auf allen Wirtschaftsgebieten üblichem Konkurrenzkämpfe gehandelt. Ich bemerkte, dass ich zwar auch gelesen habe, die erwähnte Tarifmassnahme sei die Ursache der ablehnenden Haltung der Banken gewesen, dass ich aber nicht aktenmässig wisse, ob dies zutreffe. Sei es aber der Fall, so könne man die Haltung der mit der Wirtschaft verknüpften Banken, wenn auch bedauern, so doch verstehen, angesichts der grossen Bedeutung der Sache für die Schweiz und der Aufregung, die das Vorgehen der Reichsbahn im Lande hervorgerufen habe. Denn es handle sich, nach den schweizerischen Zeitungsberichten, nicht um einen loyalen Konkurrenzkampf, sondern um den Versuch der Erdrosselung, der sehr wohl geeignet sei, die Gemüter zu beunruhigen.
Die Frage, ob wirklich ein Dumping vorliege, antwortete Herr Ritter, sei noch nicht abgeklärt. Die Reichsregierung habe darüber Erhebungen angestellt. Die Schweiz hätte deshalb loyalerweise deren Ergebnis abwarten sollen, bevor sie zu einer so verletzenden Massnahme griff. Nachdem letzteres geschehen sei, werde die Reichsregierung nichts mehr in der Sache tun.
Dann werde die Reichsbahn, erwiderte ich, mit ihrer Kraft von 30 Milliarden den schwachen Gegner wohl erwürgen können; sie treffe damit aber nicht nur Basel, sondern auch den schweizerischen Staat mit seiner 60%-Beteiligung an der Rheinregulierung4 und nicht zuletzt das Reich selbst mit seinen 40%. Allerdings werde dieses mit seinen grossen Budget-Summen einen Ausfall bei seiner Beteiligung leichter ertragen als die kleine Schweiz den ihrigen. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass die Rheinregulierung eine vertragliche Abmachung zwischen der Schweiz und Deutschland und dass es nach der Vertragstreue eine moralische Pflicht der Deutschen Regierung sei, das gemeinsame Werk möglichst zu schützen.
Deshalb sei denn auch, antwortete Herr Ritter, die Deutsche Regierung bereit gewesen, die Frage zu untersuchen. Zwar sei der Einfluss der Reichsregierung auf die ihre Selbständigkeit eifersüchtig hütende Reichsbahn gering. Immerhin habe sich die Regierung mit ihr in Verbindung gesetzt. Jetzt aber, nachdem sich die Schweiz ihre Genugtuung vorweggenommen habe, werde die deutsche Einstellung eine durchaus negative sein.
Auf meine im Verlaufe des Gesprächs gemachte Bemerkung, dass es nicht angehe, den deutschen Missmut über die Haltung einer einzelnen Wirtschaftsgruppe auf das ganze Land zu übertragen, erwiderte Herr Ritter, dass ihm dieser Einwand seinerzeit auch von den Vertretern zweier Länder gemacht worden sei, in denen die Landwirtschaft deutschfeindliche Massnahmen getroffen habe. Er habe auch diesen Vertretern erklärt, die deutsche Gegenmassnahme werde sich gegen das Land richten, aus dem heraus die deutsche Wirtschaft bedroht werde. So sei es auch hier, und er persönlich werde im Gegensatz zu seiner früheren Einstellung gegenüber der Schweiz keinen Finger mehr rühren zur wohlwollenden Unterstützung von Einzelfällen, die etwa von schweizerischer Seite ihm unterbreitet würden.
Diese Ausführungen dürften u. a. der Ausfluss der deutschen Nervosität wegen der Wirtschaftskrisis und der gegenwärtigen politischen Lage sein. Ich konnte sie nur mit dem Ausdruck des Bedauerns darüber entgegennehmen, dass die zeitliche Koinzidenz der Tarifmassnahme der Reichsbahn mit der Auflegung der deutschen Anleihe eine so unerfreuliche Lage geschaffen habe, und mit der Erklärung, darüber meiner Regierung berichten zu wollen. Herr Ritter ersuchte mich, in der Berichterstattung zu bemerken, dass die Deutsche Regierung entfernt davon sei, der Schweizerischen Regierung einen Vorwurf zu machen, dass sie sich aber durch das Verhalten der schweizerischen Banken verletzt fühle und dass ihre eigene Einstellung in der Rheinschiffahrtsfrage in der Folge eine negative sein werde.
Ich sehe mit Interesse Ihren gefälligen Mitteilungen entgegen, ob Sie dieses Gespräch auf sich beruhen lassen wollen oder ob Sie wünschen, sofern Sie nicht die Vermittlung der Deutschen Gesandtschaft in Bern in Anspruch nehmen, dass ich eine Audienz bei Herrn Reichsaussenminister Curtius nachsuche, in welchem Falle ich Sie auch um Ihre Instruktionen ersuchen dürfte. Vielleicht flaut aber die deutsche Verstimmung von selbst wieder ab, so dass es möglicherweise besser ist, nicht weiter zu bohren.
- 1
- Lettre: E 2001 (C) 2/57.↩
- 2
- Le Conseil fédéral s’était occupé de cette affaire lors de sa séance du 17 octobre: M. le chef du département politique constate que les banques suisses ont subordonné leur participation au dernier emprunt extérieur allemand, à la condition que les chemins de fer du Reich rapportent la réduction opérée sur les tarifs des transports entre Strasbourg et Bâle. Cette déclaration a été donnée par les banquiers sans qu’il y ait eu une prise de contact quelconque avec le département politique ni avec aucun autre. Or, quelque opinion qu’on puisse avoir sur le procédé des chemins de fer allemands, il s’agit là d’une question de politique extérieure suisse dans laquelle les banques suisses n’ont pas à intervenir à moins de s’être concertées avec les autorités responsables. Sur la proposition du chef du département politique, le conseil l'autorise à exprimer aux banques, par l’intermédiaire de M. Bachmann, président de la direction de la Banque nationale, la surprise pénible causée au Conseil fédéral par leur attitude dans l’affaire de l’emprunt extérieur allemand (E 1004 1/324).↩
- 3
- Cf. n.l ci-dessus.↩
- 4
- Sur la question du Rhin cf. DDS vol. 9, chapitre VIII de la table thématique.↩
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