Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
9. Etats-Unis
9.1. Nouveau tarif douanier
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 10, doc. 16
volume linkBern 1982
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#12541* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 29.04.-01.05.1930 (1930–1930) |
dodis.ch/45558
766. Zollerhöhungen in Amerika
Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes berichtet über die in den Vereinigten Staaten von Amerika geplanten Zollerhöhungen2 und über die leider bisher wenig erfolgreichen Schritte, die unsere Gesandtschaft in Washington unternommen hat, um den unserm Lande drohenden Schaden abzuwenden oder doch möglichst zu verringern.[...]3
Wir stehen somit vor der Tatsache, dass der schweizerische Export, namentlich soweit es die Uhren, Stickereien und Schuhe betrifft, ernstlich bedroht ist. Am schwierigsten ist wohl die Lage für die Uhrenindustrie, die überdies an unserm Export nach den Vereinigten Staaten den verhältnismässig grössten Anteil hat, indem sie heute noch für 65 Millionen Franken dorthin ausführt.
Während der Beratungen des amerikanischen Parlamentes und seiner Ausschüsse hat die schweizerische Gesandtschaft infolge verschiedener Aufträge des Bundesrates mehrfach interveniert und auf die schweren Folgen der projektierten Massnahmen für unsern Export hingewiesen. Das Volkswirtschaftsdepartement wie die Gesandtschaft sind stets im engsten Kontakt mit den beteiligten industriellen Kreisen gestanden.
Die Gesandtschaft in Washington, das Volkswirtschaftsdepartement und die Industrie haben beständig zusammengearbeitet und Schritte unternommen. Die Lage ist als ernst anzusehen und die Erbitterung im Volk, namentlich in den meistbetroffenen Kreisen, begreiflich. Trotzdem heisst es der Situation nüchtern begegnen und nichts überstürzen, nichts unternehmen, das nichts fruchtet, aber schaden könnte. Man schlägt den Boykott der Waren aus der nordamerikanischen Union vor. Da heisst es die Wirkungen übersehen. In den Vereinigten Staaten wurden 1928 rund 4,6 Millionen Automobile hergestellt im Wert von 16 Milliarden Franken. Davon hat die Schweiz 6530 Stück im Wert von 44 Millionen Franken gekauft. Das ist ungefähr 1,5 Promille der Produktion. Wir kaufen für unsere Industrie ägyptische und amerikanische Rohbaumwolle. Auf die letztere können wir nicht verzichten, weil die ägyptische andere Eigenschaften hat, die für gewisse Gewebe nicht taugen. Im Jahr 1928 haben wir für 32 Millionen amerikanische Baumwolle eingeführt. Die Gesamterzeugung der Union beträgt jedoch 7,5 bis 8 Milliarden Franken. Rohtabak kauften wir den Amerikanern für rund 10 Millionen ab bei einer Gesamtproduktion von über 1,5 Milliarden Franken. Die Bezüge, die wir in den Vereinigten Staaten machen, sind an sich, besonders für ein kleines Land, ganz respektabel, und auch ein grosser Staat sollte über derartige Summen nicht hinwegsehen. Aber im Verhältnis betrachtet sind die von uns gemachten Käufe doch sehr minim und können allenfalls verschmerzt werden. Unser Export nach den Vereinigten Staaten belief sich im verflossenen Jahre auf 208 Millionen Franken, während wir für 291 Millionen importierten. Davon gehen allerdings 52 Millionen für Gold, das keine Handelsware ist, ab. Wir exportierten nach Amerika fast ausschliesslich Fertigfabrikate, wie Farben, Uhren (für 65 Millionen, die also fast den Drittel der Exportquote ausmachen), Stickereien (10 Millionen). Wir führen jedoch aus der nordamerikanischen Union zum grössten Teil Rohstoffe und Lebensmittel ein, wie Weizen, Rohtabak, Baumwolle, Kupfer, Benzin, Öl, Petrol. Dazu kommen die oben erwähnten Automobile.
Sicher ist, dass der Uhrenexport sehr bedroht ist, in Mitleidenschaft wird auch die Schuhausfuhr gezogen, ebenso die Stickerei. Schon ein geringer Rückgang kann der Uhrenindustrie wegen der in dieser Branche herrschenden Verhältnisse schaden. Es käme eine zu grosse Konkurrenzierung auf mit Preisdrückereien usw.
Die Amerikaner, die Engländer übrigens auch, betrachten das Zollwesen vollkommen als interne staatliche Angelegenheit. Es besteht nicht die Auffassung, dass es sich um zwischenstaatliche Beziehungen handelt. Deshalb werden auch keine Handelsverträge mit Tarifabmachungen geschlossen. Es werden allenfalls Meistbegünstigungsabkommen eingegangen. Das macht das Eingreifen sehr schwer, besonders auch auf dem diplomatischen Weg, denn nicht die Regierung und ihre Organe sind die handelnden Faktoren, sondern die Sache spielt sich in parlamentarischen Kommissionen ab. Mit Amerika leben wir in einem begünstigungs-Vertrag4.. Sollen wir den künden und unsere Freiheit zurücknehmen, so dass wir auf die amerikanischen Waren erhöhte Zölle legen könnten. Das wäre der offene Zollkrieg und hätte zur Folge, dass der Markt für schweizerische Waren gesperrt würde. Die Konsequenzen des Wirtschaftskrieges wären für uns ungleich schwerer, denn der Schweizer Markt ist für die Union nur von geringer Bedeutung, während der nordamerikanische Markt für uns sehr wichtig ist. Wir verlören denselben ganz beim offenen Konflikt, während wir einen guten Teil auch bei Verwirklichung der höhern Zölle behalten. Der schweizerische Export nach den Vereinigten Staaten beläuft sich pro Kopf der Bevölkerung auf rund 50 Fr., während der amerikanische Export nach der Schweiz auf den Kopf der Unionsbevölkerung bloss Fr. 1.50 ausmacht.
Man kann auch nicht auf das Zusammengehen Europas abstellen. Denn keine Grossmacht will überhaupt nur in ihrem eigenen Namen etwas unternehmen. Europa ist weder ein Wirtschaftskörper noch ist es einig, noch haben die verschiedenen Staaten gleichlaufende Interessen. Es will in der Frage gar niemand die Führung übernehmen. Die Amerikaner herrschen mit ihren Geldinvestitionen zu sehr. Die Hoffnung auf den amerikanischen Präsidenten Hoover scheint eine verfehlte Spekulation zu sein, denn es stellt sich immer mehr heraus, dass er ein Mitträger der heutigen Wirtschaftspolitik ist, die sich gegen Europa richtet.
Von diesen Mitteilungen wird am Protokoll Vormerk genommen und dabei festgestellt, dass der Bundesrat die vom Volkswirtschaftsdepartement sowie von Kantonsregierungen, öffentlichen Versammlungen und Handelskammern zum Ausdruck gekommenen Befürchtungen teilt. Er billigt die bisher unternommenen Schritte und wird weiterhin alles tun, was im Bereiche der Möglichkeit liegt, um den drohenden Schaden von unserm Export abzuwenden.
Zu diesem Zwecke soll insbesondere die schweizerische Gesandtschaft in Washington beauftragt werden, nochmals im Namen des Bundesrates die amerikanische Regierung in freundschaftlicher Weise auf den Charakter der projektierten Zollmassnahmen und ihre schweren Folgen für die schweizerisch-amerikanischen Handelsbeziehungen sowie auf die in unserm Lande dadurch ausgelöste starke Beunruhigung und Bewegung hinzuweisen, und dabei der Hoffnung Ausdruck zu geben, dass diejenigen wesentlichen Milderungen eintreten werden, die billigerweise im Interesse des gegenseitigen Warenaustausches erwartet werden dürfen.
- 1
- E 1004 1/321.↩
- 2
- Le nouveau tarif douanier américain entrera en vigueur le 18 juin suivant.↩
- 3
- Schulthess rappelle ensuite l’activité déployée depuis 1929 par les deux Chambres américaines pour élaborer un nouveau tarif douanier.↩
- 4
- Le traité avec les Etats-Unis remonte à 1850.↩