dodis.ch/45496
Der Direktor der Handelsabteilung des Volksmrtschaftsdepartementes, W. Stucki, an den schweizerischen Gesandten in
Berlin,
H.Rüfenacht1
Persönlich
Bern, , 29. Mai 1929
Auf Ihre Anfrage vom 27. ds.Mts.2 betreffend Inkraftsetzung des schweizerisch-deutschen Zusatzabkommens beehre ich mich, Ihnen folgendes mitzuteilen:
Auch wir haben festgestellt, dass Uhrenindustrie und Uhrenhandel beidseitig der Grenzen ungeduldig auf die Inkraftsetzung des Abkommens warten und es hat die schweizerische Uhrenhandelskammer bei uns das ausdrückliche Gesuch gestellt, man möchte wenn irgendwie möglich wenigstens die Uhrenzölle sofort provisorisch in Kraft setzen. Ich habe darüber kürzlich in Genf mit Staatssekretär Trendelenburg gesprochen und er hat mir zugesagt, die Frage zu prüfen. Vorgestern erhielt ich nun von ihm die Mitteilung, dass die deutsche Regierung keine rechtliche Möglichkeit habe, auf diesen Wunsch einzutreten und dass deshalb die ordnungsgemässe parlamentarische Ratifikation abgewartet werden müsse.
Auf schweizerischer Seite wurde durch die vereinigten Zollkommissionen der beiden Räte bereits am 14. Mai das Referat über das Abkommen entgegengenommen, worauf die Zollkommission des Nationalrates am 15. Mai einstimmig Genehmigung beschlossen hat. Da der Nationalrat die Priorität besitzt, muss das Geschäft zunächst vom Plenum des Nationalrates behandelt werden, worauf erst die ständerätliche Kommission formell Beschluss fassen kann. Es ist uns aber bestimmt zugesagt worden, dass die Angelegenheit in beiden Räten in der Junisession erledigt wird. Auch unsererseits besteht somit die Möglichkeit, die Ratifikationsurkunden anfangs Juli auszutauschen3.
Was nun die Frage der Schuhzölle anbelangt, so sind die Verhandlungen zwischen den beteiligten Industrien auf deutscher Seite sehr stark verschleppt worden. Sie wurden dann endlich letzte Woche in Bern aufgenommen und führten zwar noch nicht zu einer formellen, aber doch zu einer materiellen Einigung. Die Delegierten der deutschen Schuhindustrie behielten sich die endgültige Genehmigung durch den Verbandsvorstand vor, welche am 12. Juni erfolgen soll. Schweizerischerseits hat man den deutschen Vorschlag, für die Zollrückvergütung die Ausfuhr des Jahres 1928 zugrunde zu legen, noch nicht ausdrücklich akzeptiert, sondern 150% des Exportes 1928 verlangt. Ich weiss aber, dass man hierauf nicht bestehen, sondern nachgeben wird. Gleich verhält es sich mit dem schweizerischen Begehren um Stellung einer Bankgarantie, die deutscherseits noch nicht endgültig zugestanden, aber nach den bestimmten Versicherungen von Legationsrat Ulrich, der mit den deutschen Herren in ständiger Fühlung war, zugestanden wird.
Ich habe die deutsche Gesandtschaft darauf aufmerksam gemacht, dass wir so rasch als irgendwie möglich, spätestens bis zum 15. Juni Klarheit darüber haben müssen, ob das Abkommen ganz oder teilweise in Kraft gesetzt werden kann. Ich bin umso sicherer, dass ersteres der Fall sein wird, als wir, und zwar auf dringendes Begehren von Neuhausen, in diesem Falle auch auf die deutsche Bindung für Aluminium verzichten werden. Wir verlangen dafür nicht eine besondere Gegenleistung, jedoch die Verpflichtung der deutschen Regierung, unter der Herrschaft des Einfuhrverbotes Bewilligungen im bisherigen Umfang zu erteilen, sowie Neuhausen die nachgesuchte Erhöhung seiner Produktion in badisch Rheinfelden zu gestatten.
Selbstverständlich sind diese Informationen durchaus vertraulicher Natur.