Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
8. Frankreich
8.2. Handelsvertragsverhandlungen
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 9, doc. 370
volume linkBern 1980
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E7110-02#1000/1065#209* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 7110-02(-)1000/1065 55 | |
Titolo dossier | Departemente und ihre Abteilungen (1927–1928) | |
Riferimento archivio | 8.2.1 • Componente aggiuntiva: Frankreich |
dodis.ch/45387
Der Vorsteher des Politischen Departementes, G. Motta, ändert Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes, E. Schulthess1
Mit Ihrer Zuschrift vom 3. ds.Mts.2 betreffend den in Aussicht genommenen Handelsvertrag mit Frankreich unterbreiteten Sie uns einen Entwurf zu einem Artikel über die Behandlung der Handelsgesellschaften zur Vernehmlassung; Sie machten insbesondere darauf aufmerksam, dass der uns unterbreitete Entwurf nur die allgemeinen Grundsätze über die rechtliche Behandlung der Handelsgesellschaften vorsehe, unter Weglassung aller weiteren Bestimmungen, insbesondere derjenigen fiskalischer Natur. Mit Schreiben vom 6. ds. Mts.3 haben wir uns Ihrer Auffassung grundsätzlich angeschlossen; dabei haben wir jedoch übersehen, dass unsere Antwort auch als eine Zustimmung ausgelegt werden könnte bezüglich der Weglassung der fiskalischen Bestimmungen, die vom Eidgenössischen Finanzdepartement seinerzeit mit unserem Einverständnis in Vorschlag gebracht worden waren. Wir haben nun die letztere Frage noch einmal mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement geprüft und haben auch eine Vernehmlassung des Vororts des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins /...7 eingeholt4. Auf Grund die ser Vernehmlassungen können wir nicht umhin, noch einmal auf die Angelegenheit zurückzukommen.
Grundsätzlich sind wir durchaus Ihrer Auffassung, dass Vorschriften über den
Ausschluss von Doppelbesteuerung nicht in einen Handelsvertrag gehören. Auch die Niederlassungsverträge sollten übrigens mit solchen Bestimmungen nicht belastet werden. Vielmehr gehören Vorschriften über die Vermeidung von Doppelbesteuerung, namentlich dann, wenn man sich nicht nur auf die Regelung vereinzelter Steuerkonflikte beschränkt, in besondere Verträge, wie dies im Abkommen vom 24. Oktober 1927 zwischen der Republik Österreich und dem Kanton
St. Gallen5 der Fall gewesen ist und wie dies auch von den Völkerbundsexperten,
die sich mit diesen Fragen zu befassen hatten, empfohlen wird.
Wenn wir trotz dieser grundsätzlichen Stellungsnahme die Auffassung vertreten, dass im vorliegenden Fall eine Ausnahme gemacht werden sollte, so liegt dies im folgenden begründet.
Die Klagen schweizerischer Handels- und Industrieunternehmungen, die in
Frankreich ihre Geschäftstätigkeit ausüben, haben sich in letzter Zeit stark vermehrt. Der Fall der Aluminium-Industrie-Aktiengesellschaft Neuhausen, die nach
Auffassung des französischen Finanzministeriums 9/i0 ihres Gesamteinkommens in Frankreich versteuern soll, obwohl nur einige Prozente des Gesamtgewinns aus Frankreich stammen und bereits daselbst in vollem Umfange bei den betreffenden Tochtergesellschaften fiskalisch erfasst werden, ist Ihnen bekannt und mag in diesem Zusammenhange besonders erwähnt werden. Auf gerichtlichem
Wege, dessen Beschreitung mit grossen Kosten verbunden ist, gelingt es höchst selten, zu einem befriedigenden Ergebnisse zu gelangen; denn das, was sich auf
Grund von Billigkeitserwägungen als fiskalischer Übergriff charakterisiert, ist meistens durch die Gesetzgebung gestattet. Für eine diplomatische Intervention fehlt es in der Regel an der rechtlichen Grundlage, da die Doppelbesteuerung nach herrschender Auffassung keine Rechtswidrigkeit in sich schliesst. Es bleibt somit nichts anderes übrig, als ernstlich in Erwägung zu ziehen, ob durch Gegenmassnahmen auf dem Steuergebiet dieser übertriebenen Fiskalität begegnet und unseren Bemühungen mehr Nachdruck gegeben werden soll. Dass solche Mittel,
über deren Zulässigkeit das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement sich in bejahendem Sinne ausgesprochen hat, aber auch eine gewisse Gefahr für die Ausgestaltung der beidseitigen Handelsbeziehungen in sich schliessen, darüber darf man sich keinen Täuschungen hingeben. Die Vereinbarung gewisser Rechtsnormen über die Aufteilung der Steuerkompetenzen würde dieser Gefahr Vorbeugen und einem dringenden Bedürfnis unserer Industrie entsprechen.
Während somit solche Vereinbarungen dringend erwünscht sind, muss man demgegenüber berücksichtigen, dass es ausgeschlossen ist, in absehbarer Zeit mit Frankreich einen Doppelbesteuerungsvertrag abzuschliessen. Ein solches Abkommen bietet, sobald man sich nicht auf gewisse Fälle beschränkt, grosse Schwierigkeiten, weil Frankreich ein wesentlich anderes Steuersystem kennt als dasjenige, das den kantonalen Steuergesetzgebungen zu Grunde liegt. Die französischen Steuern sind im wesentlichen Sachsteuern, die an der Quelle erhoben werden, während die schweizerische Steuergesetzgebung vom System der allgemeinen Personalsteuer beherrscht wird, die das Subjekt für sein Vermögen und sein Einkommen an seinem Domizil zu erfassen sucht. Aus diesen grundsätzlichen Unterschieden werden sich erhebliche Schwierigkeiten für eine umfassende Beseitigung der Doppelbesteuerung ergeben.
Der Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens wird auch nicht dadurch erleichtert, dass in der Schweiz die Steuergesetzgebung den Kantonen zusteht. Es ist auch die Auffassung vertreten worden, dass der Bund nicht zuständig sei, Doppelbesteuerungsabkommen im eigenen Namen zu schliessen. Bei diesen Schwierigkeiten wird somit kaum erwartet werden können, dass es gelingen wird, in nächster Zeit ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich zustande zu bringen.
Die Neuordnung der Handelsbeziehungen zu Frankreich bietet nun vielleicht die Möglichkeit, dass in nächster Zukunft diejenigen Schutzbestimmungen vereinbart werden, deren der schweizerische Handel und die schweizerische Industrie bedürfen. Unseres Erachtens sollte diese Gelegenheit nicht versäumt und ein dahingehender Versuch gemacht werden.
Dass von Seiten der Kantone Einwendungen aus verfassungsrechtlichen Gründen erhoben werden, ist hier kaum zu befürchten, da sich die Abmachungen auf die Besteuerung von Handelsunternehmungen beschränken und die in Aussicht genommene Regelung mit dem kantonalen Steuerrecht im Einklang ist; ferner aber sind die Interessentenverbände mit dem Vorgehen einverstanden, ln diesem Zusammenhange mag auch daran erinnert werden, dass der Bundesrat vor kurzem von einem Bericht des Eidgenössischen Finanzdepartementes, wonach nach der Bundesverfassung der Bund berechtigt, wenn auch nicht verpflichtet sei, auf steuerrechtlichem Gebiete im eigenen Namen Verträge mit dem Auslande abzuschliessen, in zustimmendem Sinne Kenntnis genommen hat.
Das Eidgenössische Finanzdepartement hat Ihnen seinerzeit den Text zweier Artikel unterbreitet, denen wir ebenfalls zustimmen. Wenn dadurch auch nicht die Doppelbesteuerung der Handels- und Industrieunternehmungen im vollen Umfange beseitigt wird, so gewähren diese Bestimmungen doch den nötigsten Schutz vor fiskalischen Übergriffen seitens Frankreichs. Insbesondere würde es nicht mehr Vorkommen, dass eine schweizerische Gesellschaft wegen ihrer Beteiligung an verselbständigten Unternehmungen in Frankreich ebenfalls der französischen Steuerhoheit unterworfen wird.
Da die vorgeschlagene Ordnung auf Gegenseitigkeit beruht, so braucht man sie nicht als eine Konzession Frankreichs aufzufassen. Es mag darauf hingewiesen werden, dass im Niederlassungsvertrage, den Frankreich und Belgien am 6. Oktober 1927 abgeschlossen haben, eine ähnliche Bestimmung enthalten ist. Allerdings würden wir es vorziehen, wenn die vom Eidgenössischen Finanzdepartement beantragte Formulierung im Handelsverträge Aufnahme finden könnte.
Wir möchten Sie daher nochmals bitten, in Erwägung zu ziehen, ob nicht die vom Eidgenössischen Finanzdepartement über die Besteuerung der Filialen und der Handels- und Industrieunternehmungen vorgeschlagenen Bestimmungen im Handelsverträge Aufnahme finden könnten6.
- 1
- Schreiben: E 7110 1/55. Paraphe: RW.↩
- 2
- Nicht ermittelt.↩
- 3
- Nicht ermittelt.↩
- 4
- Der Vorort führte in dieser Vernehmlassung vom 23.2.1928 aus:[...] Wenn wir auch unsererseits die grundsätzliche Richtigkeit der Auffassung des Volkswirtschaftsdepartements nicht bestreiten möchten, insbesondere insoweit nicht, als eigentliche und umfassende Doppelbesteuerungsabkommen in Frage kommen, so sind wir doch entschieden der Meinung, dass diese grundsätzliche Auffassung nicht davon abhalten sollte, den Anlass des Abschlusses eines Handelsvertrages zu benutzen, um den dringendsten Fällen internationaler Doppelbesteuerung beizukommen. Diese praktische Notwendigkeit scheint uns um so offensichtlicher zu sein, als, wie Sie mit Recht bemerken, dem Abschluss eigentlicher Doppelbesteuerungsabkommen schweizerischerseits nicht unerhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen, und als leider mit grösster Sicherheit damit gerechnet werden muss, dass der Bund als selbständiger Vertragskontrahent wohl für längere Zeit kaum in die Lage kommen wird, solche umfassende Doppelbesteuerungsverträge abzuschliessen. Verträge aber, wie sie von einzelnen Kantonen bisher mit dem Ausland abgeschlossen wurden, können den Anforderungen, die an eigentliche Doppelbesteuerungsverträge gestellt werden müssen, schon wegen ihres beschränkten materiellen Vertragsinhaltes keineswegs genügen, ganz abgesehen davon, dass es jedem Kanton frei steht, ob er einem solchen Abkommen beitreten will oder nicht. [...] ( E 2001 (C) 2/6).↩
- 5
- AS 1928, NF 44, S.333ff.↩
- 6
- Vgl. dazu Nr. 485. - In der Folge versuchte die Schweiz auf dem Weg eines besonderen Vertrages zu einer Regelung der Doppelbesteuerung von Unternehmen zu gelangen. 1929 wurde schliesslich die A ufnähme von Verhandlungen über ein umfassendes Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart. Vgl. GBer 1928, S. 72 und GBer 1929, S. 72.↩
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