dodis.ch/45375
Der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartementes,
H.Häberlin, an den Vorsteher des Politischen Departementes,
G. Motta1
Im Besitze Ihres Schreibens vom 29. November 19272 haben wir die Frage des Verhältnisses des schweizerisch-italienischen Niederlassungsvertrages3 zum Obligatorium des Eintritts in die Syndikate4 geprüft und sind dabei zu folgendem Ergebnis gekommen, das allerdings bei der noch nicht vollständigen Übersicht über die Verhältnisse nur ein provisorisches ist:
Man könnte anfechten, dass auch Nichtmitglieder, die der betreffenden Berufskategorie angehören, zu Beiträgen an das Syndikat angehalten werden können (ob es wirklich geschieht, wissen wir nicht). Italien hätte dagegen den Einwand, dass das auch für Italiener gelte, dass also das Traitement national nicht verletzt sei. Anders ist es mit dem Recht zum Beitritt, das Ausländern erst nach 10 jährigem Aufenthalt zusteht, und mit dem Ausschluss von jeder Möglichkeit, mehr als die Stellung eines blossen Mitgliedes zu erlangen. Hier wird aber Italien darauf hinweisen, dass die Syndikate ein Gemisch von Gewerkschaft und staatlichem Organismus sind, dass es sich um politische Rechte handle und dass es nicht verpflichtet sei, solche zu gewähren. Gegen das Verlangen, dass unsere Landsleute bei den Syndikaten gleichberechtigt mitmachen dürfen, sprechen auch taktische Bedenken; die Syndikate setzen nationale Gesinnung voraus und machen deren Förderung bei den Mitgliedern zur Pflicht, es ist aber nicht unsere Sache, uns dafür einzusetzen, dass unsern Landsleuten diese Gesinnung, d. h. die Anhängerschaft an ein dem unsern widersprechendes politisches System zur Pflicht gemacht und eingepflanzt werde. Beschränken wir uns aber auf den Protest gegen den Beitragszwang für Nichtmitglieder, dann bleibt der Einwand bestehen, dass auch Italiener ihm unterworfen seien und wir hätten eine Möglichkeit des Erfolges wohl nur, wenn andere Ausländer vom Beitragszwang ausgenommen wären, d.h. wenn uns nicht Meistbegünstigung gewährt würde. Für letzteres haben wir zur Zeit keine Anhaltspunkte5.