Language: German
28.1.1927 (Friday)
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 28.1.1927
Secret minutes of the Federal Council (PVCF-S)
Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass nach Meinung Wolfers der Augenblick für eine Beilegung des schweizerisch-russischen Konfliktes günstig sei. Durch die Vermittlung eines deutschen Journalisten in Moskau könnten die Verhandlungen wieder aufgenommen werden.

Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
22. Russland
22.1. Wiederaufnahme von Handelsbeziehungen
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Printed in

Walter Hofer, Beatrix Mesmer (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 244

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Bern 1980

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Repository

dodis.ch/45261
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 28. Januar 19271

Beziehungen zu Russland

Der Vorsteher des politischen Departementes teilt mit, es sei ihm gestern von Herrn alt Nationalrat Forrer ein Brief des Privatdozenten Dr.jur. et phil. Arnold Wolfers in Berlin, des Schwiegersohnes des Herrn Forrer, übermittelt worden2, worin Wolfers berichtet, er habe jüngst in einem Gespräch mit einem in Moskau wohnenden und dort bestens angesehenen deutschen Journalisten auch die Frage der schweizerisch-russischen Beziehungen berührt. Der deutsche Journalist habe ihm hierauf mitgeteilt, er habe vor kurzer Zeit bei einer Besprechung mit der massgebendsten Persönlichkeit des russischen Aussenministeriums (- vermutlich also Tschitscherin -) der Meinung Ausdruck gegeben, es sei doch unbegreiflich, dass Russland sich weigere, Delegierte an die Weltwirtschaftskonferenz nach Genf zu entsenden und so in schädlicher Abgetrenntheit von der übrigen Welt zu verharren. Darauf habe der Russe an den Streitfall mit der Schweiz erinnert, dessen Beilegung an der Weigerung des Bundesrates, sein «aufrichtiges Bedauern» über den Fall Worowsky auszusprechen, gescheitert sei, und beigefügt, er, der deutsche Journalist, habe offenbar Beziehungen zu der Schweiz und könne allenfalls selbst erkennen, was sich zur Beilegung des Streites machen Hesse. Im übrigen hat der deutsche Journalist aus der Unterredung den Eindruck gewonnen, dass die Russen im Grunde die Nichtbeteiligung an der Weltwirtschaftskonferenz sehr bedauern und annehmen, sie seien in dieser Hinsicht auch das Opfer eines englischen Schachzuges geworden. Herr Wolfers gibt nun in seinem Schreiben der Meinung Ausdruck, der Augenblick scheine ihm sehr günstig, um zur Beilegung der Misshelligkeit zwischen der Schweiz und Russland etwas zu unternehmen; er glaubt, wenn er ermächtigt würde, durch Vermittlung des deutschen Journalisten in Moskau wissen zu lassen, dass die Schweiz die Entsendung russischer Abgeordneter zur Weltwirtschaftskonferenz nach Genf gerne sehen würde, dies den Anlass zur Wiederaufnahme von Verhandlungen geben könnte, um den alten Streitfall aus der Welt zu schaffen. Er gehe dabei von der Annahme aus, dass die Weiterverfolgung der Angelegenheit Herrn alt Nationalrat Forrer anzuvertrauen wäre.

Der Vorsteher des politischen Departementes ist der Meinung, es stehe dem nichts entgegen, Russland durch den vorerwähnten Kanal wissen zu lassen, dass die Schweiz es gerne sähe, wenn russische Abgeordnete sowohl zur Weltwirtschaftskonferenz als zur Abrüstungskonferenz entsandt würden, und die Schweiz durchaus gewillt sei, die nötigen Massnahmen zum Schutze der Abgeordneten zu ergreifen. Er ersucht daher um die Ermächtigung, Herrn Forrer dies kundzutun.

Sollte dies dann zu Verhandlungen mit Russland über die Beilegung des bestehenden Streites führen, so wären sie aber seiner Meinung nach durch die Gesandtschaft in Berlin aufzunehmen, weshalb er beabsichtigt, Herrn Rüfenacht in der Sache auf dem Laufenden zu halten. Eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Russland könnte aber vorläufig noch nicht in Betracht fallen.

In der Beratung wird die Abwesenheit des Herrn Musy bedauert, dessen Auffassung in der russischen Frage von derjenigen der übrigen Mitglieder des Rates abwich. Doch glaubt der Rat, annehmen zu dürfen, auch Herr Musy wäre mit dem jetzt in Frage stehenden Vorgehen einverstanden, da die Mitteilung, die den Russen zukommen soll, dem entspricht, was schon mehrfach vom gesamten Rat gebilligt worden ist, und der Schweiz keinerlei Nachteil bringen kann. Überdies ist, weil der deutsche Journalist Ende dieser Woche nach Moskau zurückzukehren gedenkt, eine Verschiebung der Beschlussfassung nicht möglich.

Der Rat erteilt dem Vorsteher des politischen Departementes die erbetene Ermächtigung.

1
E 1005 2/3. Abwesend: Musy.
2
E 2001 (C) 12/1.