Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
6. Deutschland
6.1. Handelsvertrag und Abkommen über Einfuhrbeschränkungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 176
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1001#1000/6#547* | |
Old classification | CH-BAR E 1001(-)1000/6 547 | |
Dossier title | Anträge des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes 1926 (1926–1926) | |
File reference archive | 1.7 |
dodis.ch/45193
Antrag des Vorstehers des Volkswirtschaftsdepartementes, E. Schulthess, an den Bundesrat1
Am 6. ds. Mts. reisen unsere Unterhändler wieder nach Berlin, um tags darauf die anfangs Februar unterbrochenen Verhandlungen betreffend Abschluss eines Handelsvertrages mit Deutschland wieder aufzunehmen. Nachdem in der ersten Verhandlungsetappe gegenseitig eine Reihe von weniger wichtigen Tarifpositionen erledigt worden sind, und mit Bezug auf die wichtigen Fragen eine vorläufige Fühlungnahme stattgefunden hat2, wird es sich bei den jetzt bevorstehenden Verhandlungen um die Erledigung der meisten gegenseitigen Tarifpositionen handeln. Dagegen kann nicht damit gerechnet werden, dass alle Fragen gelöst werden können, sondern es ist damit zu rechnen, dass am Schlüsse dieser zweiten Verhandlungsetappe noch einige ganz besonders wichtige Punkte unerledigt sind, die dann einer dritten und hoffentlich letzten Verhandlung Vorbehalten bleiben3.
Was die unserer Delegation mitzugebenden Instruktionen anbelangt, so können diese selbstverständlich angesichts des ausserordentlich umfangreichen, komplizierten und schwierigen Fragenkomplexes unmöglich in Details gehen. Unseres Erachtens sollten sie sich auf nachfolgende allgemeine Richtlinien beschränken, zu welchen dann noch einige bestimmtere Instruktionen in einzelnen Punkten kommen müssten:
I. Schweizerische Begehren zum deutschen Tarif
Mehr noch als bisher wird die schweizerische Delegation Begehren untergeordneter Natur fallen lassen können oder auf die Bindung der heutigen deutschen Zollansätze beschränken, um sich mit umso grösserem Nachdruck auf die für den schweizerischen Export wirklich wichtigen Warengruppen zu konzentrieren. So soll sie namentlich versuchen, für Käse, Schokolade, einige besonders wichtige chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Seide, Halbseide und Kunstseide, Baumwollgarne und Baumwollgewebe, Stickereien, elektrotechnische Erzeugnisse und Uhren weitere wesentliche Herabsetzungen der deutschen Zölle zu erreichen. Was speziell die Baumwollgarne anbelangt, so ist der deutsche Vorschlag, allfällige Konzessionen nur im Rahmen bestimmter Kontingente zu gewähren, abzulehnen. Was die deutschen Seidenzölle anbelangt, so ist vorderhand das Ergebnis der nächster Tage beginnenden direkten Verhandlungen zwischen der schweizerischen und deutschen Seidenindustrie abzuwarten. Die Diskussion über die deutschen Stickereizölle ist mit dem ausdrücklichen Vorbehalt zu führen, dass der Stickereiveredlungsverkehr nach wie vor ungefähr in bisheriger Weise im Vertrage geregelt werde.
II. Deutsche Begehren zum schweizerischen Tarif
Die schweizerische Delegation hat bis jetzt die Verhandlungen ausschliesslich auf der Basis des provisorischen Generaltarifs vom 5. November 1925 geführt und erklärt, dass sie weitere Zugeständnisse als die Bindung der Ansätze unseres heutigen Gebrauchstarifs und damit Verzicht auf die Anwendung der erhöhten Kampfansätze nicht machen könne. Sie hat auch noch keinesweg bei allen deutschen Begehren die Bindung der heutigen Gebrauchssätze offeriert. Unsere Delegation sollte nun im gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen zunächst ermächtigt werden, überall da, wo nicht ganz besondere Verhältnisse vorliegen, die Bindung des Gebrauchstarifs anzutragen. Es ist aber keine Frage, dass sich Deutschland damit nicht begnügen wird. Nicht mit Unrecht macht es darauf aufmerksam, dass die Schweiz mit der Einführung ihres jetzigen Gebrauchstarifs vom Jahre 1921 bei einer grossen Menge von Positionen Erhöhungen vorgenommen hat, die weit über eine Ausgleichung der veränderten Wertverhältnisse hinausgehen und die zu einem sehr starken Rückgang der schweizerischen Einfuhr aus Deutschland geführt haben. Es lässt sich auch nicht wohl bestreiten, dass für eine Reihe, namentlich von industriellen und gewerblichen Erzeugnissen, unsere heutigen Zollansätze für Deutschland stark einfuhrhindernd wirken, dass sie zum Teil beträchtlich höher sind als die entsprechenden Ansätze des deutschen Generaltarifs und prozentuale Zollbelastungen ergeben, die als hoch bezeichnet werden müssen. Dazu kommt, dass wir auch im Interesse gewisser weiterverarbeitender Industrien wie in demjenigen von Konsumenten da und dort schon aus Interessengründen gewisse Reduktionen beantragen müssten. Wenn wir solche Reduktionen als Konzessionen bezeichnen und dafür Gegenleistungen verlangen können, so dürften sie umso eher gerechtfertigt sein. [...]4
Was die besprochenen Herabsetzungen der Ansätze des schweizerischen Gebrauchstarifs anbelangt, so soll unsere Delegation zunächst solche Herabsetzungen in bescheidenem Umfange nur in Aussicht stellen, auf eine zahlenmässige Diskussion aber erst eintreten, sobald die deutschen Konzessionen ein annähernd genügendes Äquivalent für den Verzicht der Schweiz auf Inkraftsetzung des provisorischen Generaltarifs darstellen. [...]
III. Hinsichtlich der allgemeinen Bestimmungen des Vertragessind für den Augenblick besondere Instruktionen nicht notwendig, indem sich die sämtlichen beteiligten Departemente zuhanden unserer Unterhändler über alle wichtigeren Fragen bereits geäussert haben, sodass die schweizerische Delegation den deutschen Textentwurf5 anhand dieser Vernehmlassungen diskutieren wird. Erst aus dieser Diskussion wird sich ergeben, ob und welche besonderen Instruktionen erteilt werden müssen.
Wir beantragen Ihnen, von vorstehenden Ausführungen in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen und den Unterhändlern davon im Sinne von Instruktionen Kenntnis zu geben6.
- 1
- E 1001 1, EVD, 1926.↩
- 2
- Vgl. Nr. 165.↩
- 3
- Vgl. Nr. 190.↩
- 4
- Es folgen detaillierte Instruktionen betreffend mögliche Reduktionen bei den Tarifgruppen Nahrungs- und Genussmittel, Leder und Schuhwaren, Holz, Papier, Textilwaren, mineralische Stoffe, Metalle und Maschinen sowie Uhren.↩
- 5
- Nicht ermittelt.↩
- 6
- Der Bundesrat stimmte dem Antrag in seiner Sitzung vom 27.4.1926 zu. Zur Zeit dieses Beschlusses stand die zweite Verhandlungsetappe der beiden Delegationen in Berlin bereits kurz vor dem Abschluss. Vgl. Nr. 190. Das Volkswirtschaftsdepartement legte dem Bundesrat in der gleichen Sitzung ferner einen Bericht von W. Stucki vom 17.4.1926 (Nr. 181) über den Verlauf der Verhandlungen in Berlin vor.↩