dodis.ch/45031
Der schweizerische Gesandte in
Berlin,
H.Rüfenacht, an den Vorsteher des Politischen Departementes, G. Motta
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In meinem Bericht vom 14 ds. habe ich kurz auf die im sogenannten Tscheka-Prozess gemachten Aussagen [...]hingewiesen. Der Angelegenheit wird von deutscher Seite eine nicht geringe Bedeutung beigemessen, nachdem festzustehen scheint, dass die Russische Botschaft in Berlin die Gelder an die deutsche Tscheka zwecks Ermordung verschiedener Personen hergegeben und überdies in ihren Kellerräumen ein Waffenlager unterhalten hat. Nebenbei gesagt sollen die kommunistischen Abgeordneten zum Reichstag und zum preussischen Landtag eine Diätenzulage von der Russischen Botschaft erhalten.
Excellenz von Körner, der Chef der deutschen Delegation für die Vertragsverhandlungen mit Russland, ist immer noch in Berlin, soll jedoch, wie er mir sagt, nächster Tage zur Fortsetzung der Verhandlungen, die sich auf nicht weniger als 23 verschiedene Verträge erstrecken, wieder nach Moskau fahren. Die Verträge beschlagen alle Gebiete eines zwischenstaatlichen Verkehrs mit Inbegriff des gegenseitigen Schutzes des geistigen und des gewerblichen Eigentums. Nach der Ansicht von Körners ist nämlich für die nächsten 10 bis 15 Jahre mit einer Änderung des russischen Wirtschaftssystems nicht zu rechnen, sodass nichts anderes übrig bliebe, als sich vorläufig damit abzufinden und darauf einzustellen. Frau von Körner sagte mir aber, dass die Abreise ihres Mannes nach Moskau in Frage gestellt sei. Die Deutsche Regierung habe letzten Samstag ihren Botschafter in Moskau angewiesen, dort anzufragen, wie sich die Russische Regierung zu den schweren Anklagen gegen ihre Botschaft in Berlin stelle. Je nach der Antwort würden die Verhandlungen abgebrochen oder doch vorerst unterbrochen werden. Von anderer Seite vernehme ich, Tschitscherin habe erklärt, wenn die Russische Botschaft wirklich die deutschen Kommunisten in der geschilderten Weise unterstützt habe, so sei das ohne Wissen der Russischen Regierung geschehen und deshalb allein von der Botschaft zu verantworten. Der Vorfall illustriert jedenfalls, wessen sich eine Regierung bei Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Russland zu versehen hat.
Was übrigens unser Verhältnis zu Russland betrifft, so sagte mir letzthin ein den Altrussen nahestehender Gewährsmann, die Russische Regierung habe «eine Sauwut» (der Gewährsmann ist Bayer) auf uns, weil wir die Altrussen wieder hereinlassen.