Classement thématique série 1848–1945:
XIV. LA QUESTION DE L'ÉMIGRATION
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 300
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1510#165* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(B)1000/1510 17 | |
Dossier title | Auswanderung nach Kanada, I (1921–1923) | |
File reference archive | B.21.28 |
dodis.ch/44942
NOTIZ BETREFFEND AUSWANDERUNG1
Grundsätzliches.
Wir unterscheiden zwei Auswanderergruppen:
eine solche, die sich zur endgültigen Niederlassung nach dem Auslande begibt,
und eine solche, die im Auslande nur vorübergehende Anstellung sucht.
In beiden Gruppen kommen hinwiederum Einzel- bezw. Gruppenauswanderung und Massenauswanderung vor.
Von einer eigentlichen Massenauswanderung, wie wir sie bei den slavischen Staaten kennen, kann in der Schweiz nicht die Rede sein. In unserm speziellen Falle handelt es sich um Einzel- und Gruppenauswanderung zwecks endgültiger Niederlassung.
Die grosse Propaganda hat bisher verhältnismässig wenig gewirkt, besonders wenn man die schlechten Zeiten mit berücksichtigt. Die Auswanderung nach Canada belief sich:
im Jahre 1921 auf 240 Personen,
im Jahre 1922 auf 137 Personen,
im Jahre 1923 auf 1453 Personen.
Bei dieser letztem Zahl ist zu beachten, dass der grosse Teil dieser Auswanderer sich aus wenig geeigneten Leuten zusammensetzte und dass viele derselben über Canada nach den Vereinigten Staaten auswanderten, nachdem ihnen eine direkte Einwanderung infolge Überschreitung der Quote nicht möglich war.
In Canada wie anderwärts haben nur tüchtige Elemente Fortkommen; diesen soll u. E. jegliche Erleichterung gewährt werden. Wiewohl wir uns dabei bewusst sind, dass diese Landsleute in kürzester Zeit für die Schweiz verloren sein werden, glauben wir doch, diese Unterstützung damit begründen zu können, dass solche Kolonisatoren unserm Lande eine gute Reklame sind und dass dieselben, auch einmal Canadier geworden, immer noch ihre Anhänglichkeit zum alten Vaterlande bewahren.
Diese Unterstützung kann m. E. ganz gut durch die Konsulate allein geschehen, sofern diese genaue Instruktionen seitens der zuständigen Behörden erhalten. Die Auszahlung des Beitrages an die Reisekosten sollte in diesem Falle vom Auswanderungsamt übernommen werden, das den Leuten vor der Abreise mit Rat und Tat beistehen würde.
Die Placierung im Osten Canadas und in der Nähe der Städte scheint mir der sichern Absatzverhältnisse wegen wesentlich vorteilhafter zu sein als die im [Westen], wo klimatische Verhältnisse und Abgelegenheit das Leben unserer Auswanderer sehr erschweren. Diese Ansicht wird auch von den schweizerischen Pressevertretern geteilt, nachdem sie an Ort und Stelle sich die Verhältnisse gründlich angeschaut haben. Wir möchten überhaupt empfehlen, den Aussagen dieser Herren besondere Beachtung zu schenken, da es mir scheint, dass die als unabhängige Beurteiler der ganzen Lage in erster Linie in Betracht fallen.
Wenn wir den grossen Bahngesellschaften, vor allem der Canadian Pacific Railway tüchtige Elemente durch unsere Konsulate vorstellen, dürfen wir nach Ansicht unseres Generalkonsulats in Montreal bestimmt darauf rechnen, dass diese auch gut aufgehoben wären.
Terrainankäufe mit Hilfe eidgenössischer Subventionen scheinen mir nicht empfehlenswert und zwar nicht nur der Präzedenzen wegen, sondern auch des spekulativen Charakters wegen, der solchen Gütertransaktionen anhaftet. Guter Boden ist sehr teuer, schlechter sehr billig. In beiden Fällen ist der Besitzer ganz vom Weltmarkt abhängig. Die canadische Ausfuhr ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen und dürfte nach allgemeiner Erwartung noch mehr abnehmen, wenn einmal in Europa wieder normalere Verhältnisse eingekehrt sind.
Es ist für den Ausbau unserer Aussenvertretungen im allgemeinen und für die Konsulate im besondern eher schädlich, wenn noch andere Organisationen mit halbamtlichen Charakter auf dem Platze tätig sind. Das Publikum wird verwirrt, es weiss nicht mehr an wen es sich zu wenden hat und zuguterletzt stellt es sich beiden vor, was dann in den meisten Fällen erst recht zu Komplikationen führt.
Im übrigen ist auch der heutige Apparat zu kostbar. Bisher wurden für diese 1453 Auswanderer, von denen vielleicht 1/3 sich nicht einmal nach Canada begab, ein Kredit von Fr. 500 000.– ausgeworfen; dazu kommt noch ein weiterer Kredit von Fr. 100000.– für das Zentralbureau in Zürich und ein Kredit von Fr. 50000.– für die Tätigkeit in Frankreich. Von diesen Fr. 650000.– sind heute bereits mindestens Fr. 430 000.– verausgabt. Es will mir scheinen, dass diese Mission wesentlich billiger hätte durchgeführt werden können. Ein Hafenkommissär und je eine zweite qualifizierte Hilfskraft auf den in Betracht fallenden Konsulaten hätten vollständig genügt, um den Dienst zur allgemeinen Befriedigung durchzuführen. Rechnen wir für den Beamten, incl. Reiseentschädigungen, Fr. 15 000. – so würde das für die fünf in Betracht fallenden Posten (Montreal, Toronto, Winnipeg, Bordeaux und Béziers) eine Auslage von höchstens Fr. 75 000. – bedeuten; dazu kämen die Unterstützungsgelder, die im vorliegenden Falle viel rationeller verausgabt werden könnten. Ich frage mich z.B., was die persönliche Reise von Herrn Bernhard nach Canada genützt hat, nachdem derselbe, wie man mir sagte, kein Wort englisch kann. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man auf der einen Seite mit dem letzten Rappen spart und auf der ändern Seite das Geld zum Fenster hinauswirft.
Liesse sich die eigentliche Arbeiterauswanderung nicht eher nach Frankreich leiten? Dies hätte den grossen Vorteil, dass wir weniger an Unterstützung zu verausgaben hätten, und dass die Leute dem Lande nicht verloren gingen wie in Canada. Sie könnten, wenn nötig, immer wieder nach der Schweiz zurückgebracht werden, wenn Mangel an landwirtschaftlichen Kräften wieder eintreten sollte. Im übrigen scheint mir auch die Organisation in Frankreich nicht in jeder Beziehung eine glückliche zu sein. Der Vertrauensmann der Innenkolonisation sitzt in Marseille, während das Zentrum des Landarbeitermarktes mehr in Bordeaux liegt. Warum könnte dieser Vertrauensmann nicht dem Konsulat Bordeaux unterstellt werden? Eine gewisse Kontrolle scheint mir in solchen Fällen doppelt notwendig, nachdem halbamtliche Vertreter bekanntlich mit Bundesgeldern weniger sparsam umzugehen gewohnt sind wie feste Beamte, die mit den Gepflogenheiten des Hauses vertraut sind.
Um noch die persönliche Seite kurz zu streifen, möchte ich nur bemerken, dass mir Herr Beck für seinen Posten wenig geeignet scheint. Aus einem längern Gespräch, das ich mit ihm hatte gewann ich den Eindruck, dass derselbe ein Idealist sei, der für grosse Projekte schwärmt und wohl in seinem Leben nie eines derselben verwirklichen wird.
Ich möchte also beantragen, das Bureau in Zürich zu schliessen, die demselben erwachsenden Aufgaben zum Teile dem Auswanderungsamte, zum Teile den in Betracht kommenden Konsulaten zugeteilten Hilfskräften zu übertragen und der Gesellschaft für Innenkolonisation ausschliesslich die Begutachtung von Kolonisationsprojekten zu belassen; diese letztem sollten m. E. ganz der privaten Initiative überlassen bleiben. Bundesgelder wären ausschliesslich an Einzelauswanderer bezw. an kleinere Gruppen zu verabfolgen. Über das Ausmass der Unterstützung hätte die Polizeiabteilung, die heute bereits eine grosse Erfahrung auf diesem Gebiete besitzt, zu entscheiden.
- 1
- E 2001 (B) 10/17. Paraphe: FB. L’auteur est le Chefdu Service consulaire du Département politique, K. Benziger. Cette notice semble avoir été rédigée pour la conférence du 1er décembre sur les questions d’émigration; pour le procès-verbal manuscrit de cette conférence cf. E 2001 (B) 10/18. 21/23 Canada.↩