Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS BILATERALES ET LA VIE DES ETATS
II.4. Autriche
II.4.2. La question du Vorarlberg
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 8, doc. 219
volume linkBern 1988
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Cote d'archives | Vgl. Edition |
Titre du dossier |
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2001B#1000/1503#188* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2001(B)1000/1503 11 | |
Titre du dossier | Vorarlbergfrage 1922 (1922–1922) | |
Référence archives | B.14.211.P.21.2 |
dodis.ch/44861 Aide-mémoire du Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, P. Dinichert1
Am 5. September nachmittags bin ich auf Weisung des Bundesrates2 in Zürich mit dem Gemeindeammann von Rorschach, Herrn Dr. Engensperger, zusammengekommen, um mit ihm die Vorarlbergerfrage zu besprechen.
Dr. Engensperger ist seit Jahren in engen Beziehungen mit leitenden Persönlichkeiten aus dem Vorarlberg, insbesondere mit Landeshauptmann Dr. Ender. Dr. Engensperger erklärt, mit den politischen Anschauungen namentlich Dr. Enders, aber auch anderer Persönlichkeiten wie Dr. Mittelberger, Mitglied der Vorarlberger-Regierung (Landesrat), und des gewesenen Vizebundeskanzlers Fink vertraut zu sein.
Ich setzte vor allem Dr. Engensperger die derzeitige politische Lage bezüglich Österreichs, sofern sie uns bekannt ist, und die Stellungnahme des Bundesrates zu dieser Frage auseinander. Dr. Engensperger erklärt übrigens, die ihm auseinandergesetzte Auffassung zu teilen.
Aus meiner eingehenden Besprechung mit Dr. Engensperger ist kurz folgendes festzuhalten.
Die Vorarlberger (damit sind vorab die erwähnten Persönlichkeiten gemeint) sind davon unbedingt überzeugt, dass das heutige Österreich wirtschaftlich nicht lebensfähig3 ist und dass es durch allfällige Geldzuschüsse und dergleichen auf die Dauer auch nicht lebensfähig gemacht werden kann. Eine wirtschaftliche Anlehnung in dieser oder jener Form mit einem oder mehreren Nachbarn Österreichs muss gefunden werden, soll die wirtschaftliche Zukunft Österreichs einigermassen gesichert erscheinen. Vorarlberg ist heute bereit, jede Lösung anzunehmen, die diesen Zweck zu erfüllen scheint. Es wird sich also gegen eine wirtschaftliche Annäherung weder an Italien noch an Deutschland sträuben. An einen Anschluss an Länder der Kleinen Entente glaubt Dr. Engensperger kaum, weil die Antipathien der österreichischen Bevölkerung gegen diese Länder dermalen zu ausgesprochen seien. Selbstverständlich wäre die von der grossen Masse der Vorarlberger ersehnte Lösung die wirtschaftliche Anlehnung an die Schweiz. Die leitenden Vorarlberger vertrauen übrigens darauf, dass die Schweiz nötigenfalls zum wirtschaftlichen Anschluss Vorarlbergs Hand bieten wird, weil die Schweiz selbst ein wesentliches politisches Interesse daran hat, dass Vorarlberg nicht einen solchen Anschluss mit einem ändern Nachbar der Schweiz eingehe. Der Schweiz sollen hiefür nach Auffassung der Vorarlberger die diplomatischen Mittel zur Verfügung stehen; insbesondere würde sie auf die Unterstützung Frankreichs und der Kleinen Entente rechnen können, die den Anschluss an Italien oder Deutschland in gleicher Weise fürchten.
Die Vorarlberger werden in nächster Zukunft nichts unternehmen, um die Zerreissung Österreichs herbeizuführen. Wenn sie sich in dieser Beziehung ganz passiv verhalten werden, so würden sie aber die Initiative seitens eines ändern österreichischen Landes wie Tirol oder Salzburg begrüssen, weil sie eben die Gewissheit haben, dass diese wenigstens wirtschaftliche Auflösung kommen muss und sie ihnen so bald als möglich erwünscht ist.
Der Gemeindeammann von Rorschach glaubt zu wissen, dass in St. Gallen die heutige Stimmung einem wirtschaftlichen Anschlüsse Vorarlbergs an die Schweiz im allgemeinen nicht ungünstig ist; insbesondere soll das Kaufmännische Direktorium dieser Möglichkeit ohne Bedenken entgegensehen.
Dr. Enders gegenwärtige grösste Sorge soll sein, dem Vorarlberg im Falle plötzlicher Ereignisse, die den Vorarlberg vom Reste Österreichs abschneiden sollten, die Zufuhr an Lebensmitteln und ändern unbedingt notwendigen Gegenständen zu sichern. Dr. Engensperger legt mir deshalb nahe, dem Bundesrate die Frage vorzulegen, ob in einem solchen Falle Vorarlberg von der Schweiz aus, gegen genügende Sicherheiten mit dem Notwendigsten versorgt würde. Ich erkläre mich bereit, die Sache hier zur Sprache zu bringen.
Dr. Engensperger wird Gelegenheit haben, in den allernächsten Tagen mit Dr. Ender, der zur Zeit in Appenzell weilt, zusammenzukommen und mit ihm die Lage im Sinne unserer Besprechung zu erörtern.4
- 1
- E 2001 (B) 3/11. Remarque manuscrite de Dinichert en tête du document: a Monsieur Motta, Conseiller fédéral, pour son information. D.↩
- 2
- Cf. no 217.↩
- 3
- Dans ce même dossier classé Streng vertraulich se trou ve une étude préparée par un des membres du gouvernement du Vorarlberg, B. Fink, et remise à P. Dinichertpar le Dr. Engensberger; elle a pour titre: Ist Österreich lebensfähig?↩
- 4
- Par lettre du 14 septembre 1922, le Dr. Engensberger rend compte à P. Dinichert de l’entretien qu’il a eu le 7 septembre avec le Dr. Ender. Il rapporte en conclusion: [...] Zu Ihrer Beruhigung diene, dass mir Herr Dr. Ender wiederum erklärt hat, dass, soweit er einen Einfluss in Vorarlberg ausüben kann, keine Abenteuer-Politik gespielt wird. Die Unabhängigkeits- und Selbständigkeitserklärung erfolgt erst dann, wenn tatsächlich keine österreichische Regierung mehr besteht, bezw. wenn sie nicht mehr in der Lage ist zu regieren oder wenn andere Länder Österreichs mit Erfolg sich von Österreich losgesagt haben oder wenn unser Land Vorarlberg den Rat erteilt, sich selbständig zu erklären und die nötigen wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Garantien übernimmt. [...] ( E 2001 (B) 3/11). Par lettre du 8 septembre 1922 à son ami Engensberger, le Dr. Ender précise sa position sur plusieurs points et après a voir signalé di verses conditions politiques et économiques qui permettraient à l’Autriche de vivre, il conclut: [...] Wenn man Österreich jetzt nicht hilft, sondern es zerfallen lässt, so können wir vielleicht selbständig werden unter Schweizer Protektorat. Ob es uns zum Heile gereicht, ob die Schweiz uns dann selbständig erhalten oder sich angliedern will, wer kann das heute sagen? Hilft man aber Österreich aus seiner heutigen Not, dann soll man es gründlich tun und ihm scharfe, aber praktische und vernünftige Bedingungen setzen. Vielleicht reift dann, bis die heutige Hilfe ihre Kraft verliert, die grosse Hilfe: die vereinigten Staaten von Mittel- Europa. Dann muss Vorarlberg als einziger Repräsentant des Alemannentums in Österreich leben, nicht in seiner natürlichen Heimat, aber vielleicht ein nützliches Salz in Österreich und durch Österreich wirtschaftlich geborgen in den vereinigten Staaten von Mitteleuropa. Inzwischen aber schauen unser aller Augen nach Genf. Geschieht was da wolle, so tut jedenfalls eines not: Bern muss uns bündig wissen lassen, in welcher Art und in welchem Umfang es Vorarlberg helfen will, wenn Vorarlberg unverschuldet in die Lage kommt, sich selbständig zu machen. Dass man diesen Fall wohl überlegt und verlässlich ordnet, ist absolut notwendig, mögen die Verhandlungen beim Völkerbund enden wie immer. Das ist das eine, unbedingt und für alle Fälle notwendige[...] ( E 2001 (B) 3/11). Sur la préparation de l’aide économique à l’Autriche durant l’été 1922, cf. nos 213, 220.↩
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La question du Vorarlberg (1919)