Language: German
11.4.1921 (Monday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 11.4.1921
Secret minutes of the Federal Council (PVCF-S)
La Suisse se préoccupe de l’aggravation de la situation en Europe et surtout en Allemagne à la suite des sanctions décidées par les puissances de l’Entente. Un banquier suisse, Dubois, propose, au vu de ses bonnes relations aussi bien en France qu’en Allemagne, un plan d’assainissement à travers un gros emprunt international garanti par les Puissances alliées. Le Conseil fédéral approuve le projet auquel le Président de la Confédération Schulthess a donné son appui, mais la Suisse se tiendra sur sa réserve.

Également: Résumé de la position du gouvernement allemand à l’égard du projet de rapprochement entre l’Allemagne et la France conçu par le banquier suisse Dubois. Les conditions de l’emprunt international proposé. Annexe de 11.4.1921
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Printed in

Antoine Fleury, Gabriel Imboden (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 64

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Bern 1988

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dodis.ch/44706
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 11 avril 19211

Vermittlung Dubois zum Zweck einer Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich

Mündlich

Der Bundespräsident führt aus:

Die heutige schlimme Lage Europas wird beherrscht von dem immer noch ungelösten Problem der Wiedergutmachungen, die Deutschland leisten soll. Nach dem Scheitern der Londoner Verhandlungen habe ich dem deutschen Gesandten gesagt, die deutsche Regierung habe in dieser Angelegenheit bedeutende Fehler gemacht, zu denen die Reise und die Reden des Ministers von Simons in Süddeutschland vor der Londoner Zusammenkunft und sodann seine Haltung in London zählen. Das Vorgehen der deutschen Regierung erwecke immer den Anschein, als ob Frankreich beiseite gesetzt werden solle, während es heute doch offenkundig sei, dass Deutschland eine Lösung der ganzen Angelegenheit in Paris suchen müsse. Eine Lösung ist aber dringend nötig; denn wenn auch weitere Sanktionen gegenüber Deutschland für die Alliierten kaum ein grosses finanzielles Ergebnis zeitigen werden, so könne doch Deutschland daran zu Grunde gehen.

Dazu kommt die Überlegung, dass die Fortdauer der bestehenden Spannung und der Gewaltmassregeln ganz Europa der Gefahr des Zusammenbruchs aussetzt. Diese Erwägungen bewogen mich, vor einigen Tagen die ganze Sachlage mit Herrn Leopold Dubois, dem Delegierten des Verwaltungsrats des Schweiz. Bankvereins, zu besprechen und ihn um seine Meinung zu befragen. Dubois, der viele Beziehungen zu Frankreich hat, mit Loucheur, dem Wiederaufbauminister für den Norden Frankreichs, befreundet ist und von der französischen Regierung früher schon in Finanzfragen um Rat angegangen wurde, teilt meine Auffassung von der Bedrohlichkeit der Lage Europas wie auch von der Ungeschicklichkeit Deutschlands, wies in der Besprechung aber auch daraufhin, dass Frankreich keine praktische Politik treibe, wenn es einerseits von Deutschland grosse Beträge baren Geldes verlange und anderseits seinen Schuldner so einschnüre, dass er sich nicht regen könne. Dubois führte sodann aus, er habe ganz bestimmte Ansichten über die Lösung des Wiedergutmachungsproblems. Er geht davon aus, dass Deutschland gegenwärtig nicht über die nötigen Mittel zur Zahlung der von ihm geforderten Wiedergutmachungen verfügt, während anderseits Frankreich ein dringendes Bedürfnis nach barem Geld hat, dass eine Liquidierung deutscher Werte nur die deutsche Valuta noch mehr herunterdrükken würde und dass das in Frankreich noch vorhandene bare Geld von seinen mit nationalen Anleihen übersättigten Besitzern dem Staat nicht mehr gegen Obligationen zur Verfügung gestellt werde. Der einzige nach der Meinung Dubois gangbare Weg, der aus diesem Wirrsal führen könne, wäre die Ausgabe einer internationalen Anleihe unter der Garantie der Alliierten. Die Anleihe müsste, mindestens zu Anfang, zu 6% verzinslich sein und könnte nach und nach bis zum Betrag von 50 Milliarden in der ganzen Welt untergebracht werden. Erste Voraussetzung dafür wäre aber, dass Deutschland sich verpflichtete, jährlich 3 Milliarden Goldmark zur Verzinsung dieser Anleihe zu bezahlen und diese Annuität durch Verpfändung seiner Ein- und Ausfuhrzölle sicherzustellen. Während der ersten zehn Jahre wäre die Anleihe nur zu verzinsen, vom elften Jahre an müsste die Amortisation beginnen, die teilweise bei einer bis dahin voraussichtlich eintretenden und im Anleihensvertrag vorzusehenden Reduktion des Zinsfusses aus dem Überschuss der 3 Milliarden über das zum Zinsendienst nötige Kapital gedeckt, teilweise durch erhöhte Leistungen Deutschlands zu bestreiten wäre. Dagegen müsste dann das deutsche Wirtschaftsleben von allen Fesseln befreit werden. Bei diesem Vorgehen bekäme Deutschland Zeit wirtschaftlich zu erstarken und sich, wenn auch unter hartem Zwang, seiner Verpflichtungen allmählig zu entledigen. Die gesamten Verpflichtungen Deutschlands müssten auf 60 bis 62 Milliarden Goldmark festgesetzt, und seine bisherigen Leistungen, die auf 10 bis 12 Milliarden zu schätzen wären, müssten von der erstgenannten Summe in Abzug gebracht werden.

Ich sagte Dubois, ein solcher Vorschlag scheine mir für Deutschland wohl der Erörterung wert und fragte ihn, ob er glaube, dass diese Lösung in Frankreich durchgesetzt werden könnte. Darauf erklärte Dubois, er wäre bereit, diesen Plan ganz persönlich dem Minister Loucheur zu unterbreiten, sofern er wisse, wie sich Deutschland zu dem Vorschlag stellen würde. Da nun eben der Besuch des Ministers von Simons in Bern in Aussicht stand, anerbot sich Dubois, mit Simons, aber in meiner Gegenwart, den Vorschlag zu erörtern. Nachdem ich die Zustimmung der Mitglieder der Delegation für Auswärtige Angelegenheiten eingeholt hatte, beschied ich den Minister von Simons auf Samstag den 9. dieses Monats abends zu mir nach Flause, wo ich ihn mit Dubois erwartete. In einer dreistündigen Unterredung wurde die Angelegenheit einlässlich erörtert. Zum Schluss erklärte von Simons, er persönlich könne dem Vorschlag Dubois zustimmen, müsse aber den Entscheid der Reichsregierung Vorbehalten, welcher er den Plan, ohne Dubois zu nennen, sofort nach seiner Rückkehr nach Berlin unterbreiten werde. Dubois würde noch diese Woche nach Paris zu Loucheur fahren, wenn ihm Simons das vereinbarte Ja telegraphiert.

Ich habe Dubois nicht verhehlt, dass ich befürchte, Frankreich werde auf die vorgeschlagene Lösung nicht eingehen, da es feste Leistungen verlange und durch das Mittel der Exportabgabe an dem Aufschwung Deutschlands teilhaben wolle. Dubois erklärte, das wäre ein Fehler Frankreichs und es bekomme mit der von Deutschland zu zahlenden Annuität von 3 Milliarden genug.

Ich habe dann auch mit Dubois vereinbart, dass er, wenn Loucheur den Vorschlag ablehne, doch in Erfahrung bringen sollte, welche andere Basis Loucheur für eine Verständigung mit Deutschland, namentlich welche Leistungen Deutschlands er für unbedingt notwendig erachte.

ln einer weitern Unterredung mit Minister von Simons habe ich gestern Abend die Sache nochmals in Gegenwart des deutschen Sachverständigen Dr. Büchner durchgesprochen und darauf hingewiesen, dass Deutschland heute vor der Wahl stehe, entweder durch die Sanktionen ruiniert zu werden oder eine Lösung anzunehmen, die, wenn sie auch hart sein möge, doch einen Ausweg aus einer unhaltbaren Situation weise».

Der Präsident verliest hierauf eine Zusammenfassung der wesentlichen Punkte der ganzen Angelegenheit (s. Beilage) und fügt bei, er gewärtige noch den Bericht von Simons darüber, ob dieser diese Zusammenfassung entgegennimmt und weiter zu leiten gewillt ist.

Im weitern weist der Präsident darauf hin, dass der Zeitpunkt für einen Verständigungsversuch nicht ungünstig erscheine, da man sich auch in Frankreich allmählig in gewissen Kreisen davon Rechenschaft gebe, dass weitere Sanktionen gegenüber Deutschland kaum befriedigende Ergebnisse zeitigen dürften. In Frankreich bestehe daher ein dringendes Bedürfnis nach neuen Verhandlungen und einer annehmbaren Lösung, namentlich auch, weil die finanzielle Lage Frankreichs ausserordentlich gespannt sei und ein weiteres Sinken seiner Valuta mit allen Mitteln vermieden werden müsse.

Er stellt endlich fest, dass der Bundesrat als solcher in der ganzen Sache nichts tue. Wenn Dubois, nach Eintreffen günstigen Berichts aus Berlin, sich nach Paris begibt, so geht er als Privatmann zu Loucheur und unterbreitet diesem als Privatmann Dubois den Vorschlag, wobei er allerdings erwähnen könne und solle, dass ein Mitglied des Bundesrats das ganze Problem mit ihm besprochen und ihm die Zusammenkunft mit dem Minister von Simons ermöglicht habe. Der Bundesrat sei heute noch ganz frei in seiner Entscheidung und könne, wenn er wolle, die ganze Angelegenheit zum Stillstand bringen. Beschliesst er dies, so kann nach beiden Seiten in diesem Sinn berichtet werden und die ganze Aktion wird eingestellt. Sie gewinnt ihre Rechtfertigung aus dem Umstand, dass die Schweiz bei einem Zusammenbruch Europas mit in die Vernichtung hineingezogen würde. Das Vorgehen nach dem Vorschlag Dubois bietet doch wenigstens die Möglichkeit, der französischen Regierung eine ganz objektive Darstellung der ganzen Verhältnisse zu geben und dabei zu vernehmen, welche Stellung die französische Regierung einnehmen will. Dubois ist ein zuverlässiger Mann und wird nicht über die ihm gesteckten Grenzen hinausgehen. Wesentlich ist, dass die französische Regierung erfährt, die Initiative zu der ganzen Aktion sei nicht von Deutschland ausgegangen. Lehnt Frankreich das Projekt Dubois ab, so ist die Sache erledigt, tritt es darauf ein, so ist es möglich, dass eine Lösung gefunden wird, die eine sonst kaum zu vermeidende Katastrophe verhindern kann.

Herr Haab betont, dass er von der ganzen Angelegenheit erst am Samstag kurz vor Mittag durch den Präsidenten vernommen habe, der ihm mitteilte, er halte es unter den gegebenen Umständen für seine Pflicht, Herrn Dubois mit Herrn von Simons zusammen zu bringen. Daraus ergebe sich zur Genüge, dass das ganze Projekt nicht etwa durch seine Vermittlung von Herrn von Simons, den er allerdings seit Jahren kenne, angeregt worden sei. Er billige aber das Vorgehen des Präsidenten durchaus, das im Grunde genommen nur dem Gebot der Selbsterhaltung entspringe.

Herr Mottaist ebenfalls mit dem Vorgehen des Präsidenten einverstanden und der Meinung, der Bundesrat sollte die glücklich eingeleitete Aktion nicht stillegen. Er weist namentlich darauf hin, dass auch andere Staaten mit Spannung der weitern Entwicklung der Dinge entgegensehen und sich nach einer Lösung des Wiedergutmachungsproblems sehnen, die Europa vor dem Ruin bewahrt.

Von anderer Seite wird betont, dass Frankreich selbst das grösste Interesse an einer annehmbaren Lösung habe, da sich sonst seine jetzt schon prekäre Lage unheilvoll gestalten könnte. Wohl wird auf die aussenpolitische Gefahr, die in jeder Vermittlerrolle liegt, wie auch auf die inner-politischen Schwierigkeiten hingewiesen, die die Ablehnung der Vermittlung mit sich bringen könnte. Allein der Rat ist einstimmig der Meinung, dass, wenn solche Schwierigkeiten auch entstehen sollten, trotzdem es sich gar nicht um eine offizielle Vermittlungsaktion des Bundesrats handle, der Bundesrat sie auf sich nehmen müsse mit Rücksicht auf den hohen Preis, der auf dem Spiele steht.

Der Rat genehmigt somit das Vorgehen des Präsidenten in allen Teilen.

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E 1005 2/1.