Language: German
20.8.1920 (Friday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 20.8.1920
Secret minutes of the Federal Council (PVCF-S)
Informations sur les relations entre la Russie et la Suisse. Question d’un délégué commercial soviétique en Suisse. Paiement en or de livraisons de produits chimiques. Relations postales avec la Russie. Conditions suisses à une reprise des relations commerciales.

Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ETATS
II.14 RUSSIE
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Printed in

Jacques Freymond, Oscar Gauye (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-II, doc. 390

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Bern 1984

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dodis.ch/44601
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 20 août 19201

Beziehungen zu Russland

Mündlich

Der Bundespräsident führt aus, der Bundesrat werde sich in absehbarer Zeit über die Frage der Aufnahme der Beziehungen zu Russland schlüssig machen müssen. Folgende Tatsachen drängen dazu:

Von Dr. Bagotzky, der an der Spitze des russischen Roten Kreuzes in der Schweiz steht, ist eine offiziöse Anfrage eingegangen, ob der Bundesrat gewillt sei, dem Ingenieur Stefan Bratman die Einreise in die Schweiz zu gestatten, wo der Genannte sich als Handelsagent Russlands betätigen soll.2 Bratman gehörte der seinerzeit aus der Schweiz entfernten Sovietmission an.

Der frühere Direktor der Nationalbank, von Haller, hat sodann dem politischen Departement mitgeteilt, eine Basler chemische Fabrik könnte über Reval Waren nach Russland liefern, für welche eine Zahlung von 3 Millionen in Gold in Aussicht gestellt sei. Die Bestellung der Ware ging aus von der russischen Handelsorganisation in London, mit welcher dort jedermann gegen Zahlung in Gold Geschäfte abschliesse. Von Haller frägt an, ob das Gold in die Schweiz eingeführt werden dürfe.

In Basel treffen seit einiger Zeit bei der Post Kartenschlüsse aus Russland ein. Der Oberpostdirektor hat sich telegraphisch bei der Postverwaltung Schwedens und Norwegens erkundigt, ob auch die direkte Kartenschlussverbindung aus der Schweiz nach Russland möglich sei und frägt an, ob die postalischen Verbindungen mit Russland wieder aufgenommen werden sollen.

Der Bundespräsident gibt der Meinung Ausdruck, angesichts der gegenwärtigen kritischen Weltlage sollte der Bundesrat mit einer Beschlussfassung eher noch zuwarten. Was die Einfuhr russischen Goldes anbelange, so könne wohl angenommen werden, dieses Gold stamme von den durch die Sovietregierung angeordneten Konfiskationen her, die nach unseren Begriffen verbrecherischen Charakter tragen. Immerhin scheine es fraglich, ob die Schweiz vom Prinzip der Nichtintervention aus sich einfach auf den Standpunkt stellen könne, Russland sei als Verbrecher Staat zu betrachten.

In der Beratung wird die Wichtigkeit Russlands als Absatzgebiet für unsere Landesprodukte betont und darauf hingewiesen, dass die Aufnahme von Beziehungen zu Russland, wie sie übrigens von England und Italien allerdings unter starkem Druck der dortigen Arbeiterorganisationen angestrebt werde, auch im Interesse unserer Russlandschweizer wünschbar erscheine, von denen eine ganze Anzahl nur auf den Augenblick warte, wo sie unter einigermassen gesicherten Bedingungen nach Russland zurückkehren können.

Der Rat ist daher der Meinung, die vorläufig rein tatsächliche Wiederanknüpfung der postalischen Verbindungen sollte, wenn sich dazu Gelegenheit bietet, nicht versäumt werden, und beauftragt den Präsidenten, den Oberpostdirektor in diesem Sinne zu instruieren.

Im übrigen werde die Wiederaufnahme der Beziehungen zur Sovietregierung in Russland an gewisse Voraussetzungen gebunden werden müssen, so an die grundsätzliche Anerkennung der Verpflichtung zur Wiedergutmachung des Schadens, der Schweizern in Russland auf verbrecherische Weise zugefügt wurde. Auch werden bestimmte Garantien dafür verlangt werden müssen, dass mit der Vertretung der Sovietregierung in der Schweiz, auch wenn nur eine Handelsagentur in Betracht falle, nicht wieder der gleiche Missbrauch getrieben werde wie seinerzeit mit der Sovietmission. Auch die Frage der Rückerstattung der von der Schweiz für die notleidenden Russen auf ihrem Gebiet gemachten Aufwendungen wäre in diesem Zusammenhang zu behandeln. All dies, wie auch die Frage der Goldeinfuhr aus Russland im Zusammenhang mit dem Geschäft der Basler Fabrik, erscheine heute noch nicht spruchreif.

Der Presse könne vom Vorliegen der offiziösen Anfrage wegen Zulassung des Ingenieurs Bratmann als Handelsagent mit dem Beifügen Mitteilung gemacht werden, der Bundesrat habe noch keinen Beschluss gefasst. Es werde so möglich sein, Kenntnis davon zu bekommen, welche Stellung die öffentliche Meinung zu dieser Frage einnehme.3

1
E 1005 2/1. Etait absents: E. Schulthess, R. Haab, E. Chuard.
2
Sur cette question, cf. nos 319, 392, 396, 397.
3
Au sujet des relations avec la Russie, cf. aussi no 392.