dodis.ch/44382 Le Ministre de Suisse à
Berlin, A. von
Planta, au Chef du Département de l’Economie publique,
E. Schulthess1
Berlin, 29. November 1919
Ich danke sehr für Ihre vertraulichen Zeilen vom 27. l.Mts.2 betreffend die Erklärung des Bundesrates in Sachen des Vorarlberger Anschlusses und glaube daraus entnehmen zu können, dass Sie noch keine Kenntnis haben von meinem telegraphischen Bericht an das politische Departement über eine Unterredung mit dem Minister des Auswärtigen Müller.3 In diesem Telegramm habe ich mitgeteilt, dass Herr Müller mir erklärt hat, die Ausführungen des Herrn Bundesrat Calonder hätten in Deutschland namentlich deshalb peinlich berührt, weil die hiesige Regierung sich bewusst sei, in dieser ganzen Frage in absolut korrekter und loyaler Weise gehandelt zu haben.
Sie finden übrigens in meinem politischen Berichte No. 134, der am Donnerstag hier abgegangen ist, nähere Ausführungen über den Inhalt meiner Besprechung mit Herrn Minister Müller und über den Eindruck im allgemeinen, den die Beantwortung der Interpellation Winiger5 im Ständerat hier gemacht hat.
Ich darf Ihnen persönlich und vertraulich sagen, dass auch ich die Schärfe der Form, die meines Erachtens gar nicht notwendig war, um den Zweck zu erreichen, bedauert habe.
Man steht hier in amtlichen Kreisen auf dem Standpunkt, dass die ganze Frage keine aktuelle Bedeutung habe, da nach den hierher gelangten Informationen vorläufig gar nicht daran zu denken sei, dass die Entente der Loslösung des Vorarlbergs von Österreich zustimmen werde.
Obwohl dies selbstverständlich ist, möchte ich doch noch ausdrücklich hervorheben, dass ich Sie bitten muss, diese Bemerkungen als ganz vertrauliche zu betrachten, weil ich mich nicht der Gefahr aussetzen möchte, in einen Gegensatz zu dem Vorsteher des politischen Departementes zu kommen. Ich kann ja die innerpolitischen Motive, welche die Erklärungen des Herrn Bundesrat Calonder veranlasst haben, sehr wohl verstehen und kann aus der Ferne kein sicheres Urteil darüber haben, ob die gewählte Form notwendig war, um nach innen beruhigend und befriedigend zu wirken.
Dass auch ich Ihre Ansicht, nach welcher die allgemeine Lage eine recht trübe ist, vollkommen teile, haben Sie aus meinem letzten politischen Berichte entnehmen können. Ich sehe in der Tat mit Besorgnis den Ereignissen entgegen, die sich in den nächsten Wochen und Monaten abspielen werden. Immerhin bin ich überzeugt, dass es auch in Deutschland wieder aufwärts gehen wird, wenn die Entente auch nur einigermassen Hand dazu bietet und endlich einsehen wollte, dass der wirtschaftliche Untergang Deutschlands eine Gefahr für ganz Europa bieten müsste.