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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 7-I, doc. 430
volume linkBern 1979
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2200.53-02#1000/1760#6* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2200.53-02(-)1000/1760 1 | |
Titolo dossier | Politische Gestaltung Ungarns, usw. (1919–1919) | |
Riferimento archivio | C.3 |
dodis.ch/44175
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Das Ministerium [Karolyibetrachtet übrigens seine Mission selbst als eine ganz provisorische und temporäre. Es will lediglich der Platzhalter für eine Regierung sein, die aus den Parteien hervorgehen soll, sobald die Vorbedingung dafür - der Sturz des bolschewistischen Terrorismus - vorhanden sein wird. Auch Graf Karolyi selbst hat die Mission nur in diesem Sinne angenommen und wird zurücktreten, sobald sich die Bildung einer anderen Regierung als möglich erweist.
29. Mai 1919
Im Anschluss hieran eine Konversation die ich letzthin mit Allizé hatte: «In Ungarn muss man es vermeiden, Leute des alten Regimes wieder in den Vordergrund zu stellen», sagte er, «die jetzige Regierung Karolyi scheint nur ein Platzhalter für ein Ministerium Julius Andrassy zu sein. Andrassy ist bei der Entente nicht persona grata, teils seiner eigenen Antecedentien wegen, teils auch wegen dem Namen seines Vaters. Im allgemeinen sollte man nach neuen Männern suchen, man sagt mir, dass sie vorhanden sind. Eine neue Regierung in Ungarn sollte kein anderes Ziel haben als die Wiederherstellung der Ordnung. Eine monarchische Restauration wäre entschieden verfrüht, aber ich fürchte, die Ungarn werden sie trotzdem machen, (n. b. eine Version, die man auch hier häufig hört, entspricht der Mitteilung in Ihrem politischen Bericht No. 111. M.Y., Antrag der Stephanskrone an Alexander von Serbien, wird aber auch wieder von massgebenden Ungarn in Abrede gestellt.) Über die pessimistischen Nachrichten, die man das Schicksal Ungarns u. auch Deutschösterreichs betreffend aus St. Germain hört, habe ich keine Bestätigung.»
Im weitern Verlauf unserer Unterhaltung berührte Allizé verschiedene aktuelle Fragen, so diejenige des neuen deutschösterreichischen Dekretes, das gegenüber den Czechen, Jugoslawen und Polen ein Generaltarif aufstellt: A. nennt diese Massregel eine unglückliche, da sie den Eindruck einer feindlichen Manifestation erwecke und dies mitten in den Friedensverhandlungen. Er meint, der Staatssekretär für Finanzen, Schumpeter, sollte Gelegenheit haben, mit dem Gesandten Tusar über diese Verordnung zu reden und ihn aufzuklären. Die Verordnung erwecke den Anschein einer wiederum von Bauer versuchten Sabotierung des Friedens.
Sir Thomas Cunningham, der von London zurückkehrte, hat hiesigen Staatsmännern gegenüber geäussert, Deutschtirol sei Italien zugesprochen worden. Er sagte mir, die Blockade, die man gegen Ungarn unternommen habe, sei sinnlos gewesen. Er habe dies auch Balfour gesagt. Hätte man diese ganzen Massnahmen gegen den bolschewistischen Staat wirkungsvoll gestalten wollen, so hätte man genau feststellen müssen gegen wen sie gerichtet seien. Es hätte hauptsächlich klar gestellt werden müssen, dass die Blockade nicht gegen die ungarische Nation, sondern ausschliesslich gegen die bolschewistische Regierung angewandt werde und dass sie mit dem Tage des Sturzes Bela Kuns ihren Abschluss finde. Cunningham ist überzeugt, dass der ungarische Sovjet dieser Auslegung nicht 2 Tage widerstehen könnte. Hauptsächlich aber meinte er, müsste die Abschliessung Ungarns eine hermetische sein, die italienischen Geschäfte, die mit Lebensmitteln im grössern Ausmasse gemacht werden, (die Italiener haben bereits 25 Millionen, wovon 10 Millionen in Gold von den Ungarn verdient), müssen mit allen Mitteln verhindert werden.
Schliesslich möchte ich noch eine Besprechung mit dem Grafen Wesel wiedergeben, die einige interessante Angaben enthält: Von Deutschland sagt er mir, das Land sei über die Gefahr eines destruktiven Bolschewismus hinaus, die Leute hätten die Greuel in München und Berlin zu sehr gesehen um eine Rückkehr solcher Zustände irgend wie zu wünschen. Auch er bestätigte mir die tadellose Qualität der jetzigen Armee. In München stünden 70,000 Mann. - Über separatistische Bestrebungen des Südens äusserte er: von der Entente würde die Begründung eines Süddeutschen Reiches, umfassend Baden, Hessen, Bayern, Würtemberg, Deutschösterreich und Ungarn stark unterstützt. Es seien hautpsächlich die Engländer, die die Realisierung dieses Planes anstreben, sodann der Vatikan, dann die Süddeutschen Fürsten, die ungarischen Gegenrevolutionäre und Kaiser Karl, den die Engländer nicht ungern als schwaches Werkzeug auf dem Thron dieses neu zu gründenden Staates sehen würden. In diesem Falle bleiben wir Norddeutschen passiv, sagte der Botschafter, die Führung über diese Ländergruppe wird uns von selbst wieder zufallen. Über die Aussichten des Friedensabschlusses teilte er mir mit, in Deutschland wolle eine Partei die andere mit dem Odium des «Unterschrieben-habens» behaften. Die Unabhängigen hätten die Regierung dazu treiben wollen, die Regierung hätte die Unabhängigen darum angegangen, die Unabhängigen aber hätten erklärt, sie besässen die Mehrheit dazu im Parlament nicht. Er habe das bestimmte Gefühl, die Entente werde sich in Verhandlungen mit Deutschland einlassen. - Zu den ungarischen Zuständen meinte er, der Vormarsch der Allierten sei nicht nur wegen der Intrigen der Italiener und gewisser Interessegegensätze unterbrochen worden, sondern auch wegen Disziplinverweigerung in der angreifenden Armee. So habe bei Szegedin das 210 französische Infanterie Reg. gemeutert, eine Kompagnie sei zu den Bolschewiken übergelaufen. Grosse Offenheit in ihren Urteilen zeigen gewisse franz. Generalstabsoffiziere, Mitglieder der hiesigen franz. Militärmission. Ein Major klagte letzthin, Allizé leide hier so stark unter dem Gefühl des politischen «Isoliert-seins»; es sei dies überhaupt jetzt das Los Frankreichs. Frankreich habe zuerst sich für die Allierten im Krieg ruinieren müssen, jetzt schicke man es für den harten Friedensschluss vor; seine kontinentale Politik, vor allem in Österreich, werde von den Verbündeten überall entraviert; von einer Entente könne man überhaupt nicht mehr reden, die schärfsten Interessegegensätze seien jetzt innerhalb des frühem Verbandes; Amerika habe die Ressourcen der ganzen Welt getrustet, Frankreich müsse die Lebensmittel, die es an Österreich liefere, von Amerika zu Wucherpreisen kaufen, die amerikanischen Sendungen nach Österreich seien lauter abgestandene Ware, die Italiener begünstigen den Schleichhandel um Privatgeschäfte zu machen; in ein Land in dem immer noch tausende von Kindern Hungers sterben, beabsichtigen sie in aller nächster Zeit 300 Waggons feinen Weisswein zu schicken. Die eigentlichen Nutzniesser aber der ganzen Situation seien eine kleine Gruppe von Internationalen, Übernationalen, meist Juden, die nach und nach alle wertvollen Objekte in die Hand bekommen; während des ganzen Krieges sei die grosse Juiverie in unbehindertem Zusammenhang gestanden, der franz. Generalstab sei über sämmtliche Offensivunternehmungen der Deutschen durch die Pariser Rothschild unterrichtet worden; eine Woche nach Abschluss des Waffenstillstandes habe in Berlin eine jüdisch-amerikanisch-deutsche Finanzkommission zur Ausnützung Russlands getagt. Frankreich sei kommerziell mehr denn je ins Hintertreffen gedrängt, es werde mit dem Wiederaufbau der zerstörten Departemente mit der Wiederherstellung seiner Maschinen noch mehr Zeit verlieren, Deutschland dagegen mit seinen intakten Betrieben und seiner Volkskraft werde sich erstaunlich rasch erholen. Rückhaltlos abfällig äusserte sich derselbe Offizier über den Volkscharakter der Tschechen und vor allem der Polen, von allen vorausschauenden Ententepolitikern werde die Zukunft dieser beiden Staaten höchst skeptisch betrachtet. Die verschiedensten franz. Offiziere äusserten ihre Bewunderung über die straffe Wiederherstellung der Ordnung in Deutschland im Unter schied zu Österreich, wo alles «Speichelleckerei, Panama und verletzte Eitelkeit»
sei. - Im Zusammenhang mit der Mitteilung ihres Berichtes No. 111 M.Y. betreffend italienische Reklamationen, wegen von der Schweiz ausgehender bolschewistischer Propaganda, mag es Sie interessieren zu hören, dass dieser selbe franz.
Gewährsmann versicherte, es sei die Absicht, in der Schweiz Unordnung zu stiften, den Italienern und gewissen internationalen Finanzkreisen durchaus nicht fremd. Auf diese Tatsache bin ich auch schon von anderer Seite aufmerksam gemacht worden und es wurde mir gesagt, dass Herr von Berlepsch hierüber ausführlichere Mitteilungen machen könnte.
Für die ersten Tage Juni wird hier mit der Möglichkeit von Unruhen gerechnet.
Im Zusammenhang mit der Durchführung des Abbaus der Volkswehr, den ich
Ihnen in einem frühem Bericht signalisierte.
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- Lettre (Minute): E 2200 Wien 10/1. Cette lettre est signée du Ministre Ch. D. Bourcart, mais elle porte de nombreuses corrections manuscrites de C. J. Burckhardt.↩
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