Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-I, doc. 232
volume linkBern 1979
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E7350#1000/1104#4* | |
Dossier title | Frankreich (1914–1918) | |
File reference archive | 1 |
dodis.ch/43977 Le Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess, aux Délégués du Conseil fédéral pour les Questions économiques et industrielles, H. Heer et H. Grobet-Roussy1
Wir hatten soeben den Besuch des Herrn Craigie, der uns mitteilte, er habe uns hinsichtlich unserer Kohlenversorgung namens der englischen Regierung eine Eröffnung zu machen, die uns vielleicht im ersten Augenblick enttäuschen werde. Die Wendung, welche die Dinge durch die Intervention der englischen Regierung nehme, sei indessen mit unsern tatsächlichen Interessen sehr wohl vereinbar. Die englische Regierung habe erst in jüngster Zeit erfahren, dass wir mit Belgien wegen der Lieferung belgischer Kohlen in Unterhandlungen stehen und von dieser Seite auch bereits gewisse Zusicherungen erhalten hatten. England müsse nicht nur Frankreich, sondern auch Belgien bedeutende Mengen Kohlen liefern und könne nun nicht zulassen, dass Belgien, welches die englischen Kohlen zu dem für die Alliierten festgesetzten Vorzugspreise erhalte, seinerseits ein entsprechendes Quantum an die Schweiz zu hohem Preise weiterverkaufe. England wolle dieses Geschäft direkt mit der Schweiz machen. Die Kohlenausfuhr sei eines der wichtigsten Mittel, um die englische Valuta zu stützen, und es erscheine unnatürlich und unbillig, dass die englischen Kohlen gewissermassen zuerst nach Belgien und von hier aus mit einem tüchtigen Aufschlag nach der Schweiz gebracht werden. Die englische Regierung habe daher der belgischen bereits mitgeteilt, dass, wenn Belgien weiter auf englische Kohlenlieferungen Anspruch machen wolle, die Exporte nach der Schweiz aufhören müssen. Es liege der englischen Regierung durchaus ferne, die Kohlenversorgung der Schweiz irgendwie erschweren zu wollen. Im Gegenteil sei England bereit, alles zu tun, was möglich sei, um uns hinreichende Mengen Kohlen zu angemessenem Preise zu liefern. Die Sache müsse indessen bei den gegenwärtigen Verhandlungen in Paris im Zusammenhang mit den übrigen Abmachungen über die Kohlenversorgung geregelt werden. Es habe die englische Regierung etwas überrascht und unangenehm berührt, von unsern Verhandlungen mit Belgien erst verspätet und auf indirektem Wege Kenntnis erhalten zu haben; nach ihrer Auffassung wäre es im Hinblick auf die Eigenschaft Englands als Kohlenlieferant seiner Verbündeten und namentlich Belgiens angezeigt gewesen, dass wir die britische Regierung von Anfang an in dieser Frage begrüsst hätten.
Wir möchten Sie nun bitten, bei der Weiterführung der Verhandlungen über die Kohlenversorgung auf die vorstehenden Mitteilungen Bezug zu nehmen und den Standpunkt zu vertreten, dass wir uns grundsätzlich damit einverstanden erklären können, auf den Bezug belgischer Kohlen zu verzichten, sofern England sich verpflichtet, uns die von Belgien versprochenen 60’000 t monatlich direkt zu liefern und zwar ausser den uns von England schon früher zugesagten monatlich 30-40’000 t englische Kohlen. Es ist also zu verlangen, dass uns England insgesamt lOO’OOO t pro Monat liefere. Wie sich England zu diesem Vorschlag stellen wird, bleibt abzuwarten. Herr Craigie meinte, ein solcher Vorschlag könnte jedenfalls diskutiert werden; immerhin sei England wahrscheinlich nicht in der Lage, uns so viel zu liefern. Schliesslich werden wir uns eben mit etwas weniger begnügen müssen. Übrigens bestand ja ohnehin von Anfang an wenig Aussicht, von Belgien die vollen 60’0001 pro Monat zu erhalten, da, wie Sie wissen, Belgien Kompensationen verlangt und wir fast nichts zu geben haben. Der Ersatz der belgischen Lieferungen durch englische hätte wenigstens den Vorteil, dass die Kompensationsfrage gelöst wäre. Was die Preise anbetrifft, so sollten sie auf jeden Fall nicht höher sein als diejenigen der Saarkohlen und der belgischen Kohlen.
Wie Ihnen bekannt ist, haben wir mit Belgien vereinbart, dass von den 60’0001 20’0001 per Eisenbahn und 40’0001 auf dem Wasserwege zu transportieren sind. Die Transporte sowohl per Bahn als per Schiff haben bereits begonnen und der erste Zug dürfte in einigen Tagen hier eintreffen. Es ist selbstverständlich von der grössten Wichtigkeit, dass diese Transporte einstweilen fortgesetzt werden können und zwar bis zu dem Zeitpunkt, wo die englischen Lieferungen effektiv einsetzen. Wollen Sie bei den Verhandlungen speziell auch auf dieser Forderung mit allem Nachdruck bestehen, damit wir nicht in eine Übergangsperiode hineingeraten, während welcher wir weder belgische noch englische Kohlen erhalten. Wir haben Herrn Craigie zuhanden der englischen Regierung den Vorschlag gemacht, Belgien möchte ermächtigt werden, uns bis zur effektiven Aufnahme der englischen Transporte täglich 2000 t zu liefern. Herr Craigie erklärte, er habe persönlich einen Gegenvorschlag in diesem Sinne ohne weiteres erwartet und werde ihn seiner Regierung zur Annahme empfehlen.
Schliesslich möchten wir Sie noch bitten, bei der Aufnahme der Besprechungen über die Frage der belgischen Kohlen nicht zu unterlassen, darauf hinzuweisen, dass wir unsere Verhandlungen mit Belgien keineswegs etwa absichtlich gegenüber der englischen Regierung verheimlicht haben. Tatsächlich war uns ja nicht bekannt, dass auch Belgien für seine Kohlenversorgung in einem wesentlichen Masse auf England angewiesen ist. Wir glaubten somit bis jetzt keine Veranlassung zu haben, uns wegen der belgischen Kohlen mit England in Beziehung zu setzen.
Dieser Brief ist die Folge einer Mitteilung,2 welche Herr Craigie Herrn Dr. Bleuler machte, nachdem die ändern Briefe, auch der Brief an Herrn Heer, bereits geschrieben waren. Es ist natürlich schwierig für uns, Ihnen in dieser Angelegenheit eine ganz bestimmte Instruktion zu geben. Wäre es möglich, auch belgische Kohle zu beziehen, so hätte dies natürlich in Beziehung auf den Transport, der doch weniger lang ist als von Rotterdam, gewisse Vorzüge. Auch fällt noch die Frage der Sortenbeschaffung der Kohle in Betracht. Diese Seite muss ebenfalls noch fachmännisch geprüft werden. Wir werden auch Herrn Gorjat verständigen.
Im übrigen gewärtigen wir Ihre Nachrichten und werden auf diese Sache zurückkommen.