Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
I. INTERNATIONALE LAGE
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 5, doc. 350
volume linkBern 1983
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#100* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 53 | |
Titolo dossier | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 17 (1911–1914) | |
Riferimento archivio | 019 |
dodis.ch/43205
Heute begleitete ich Herrn Professor v. Salis und Herrn Ingenieur Simon nach Potsdam, um dieselben Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin anlässlich der Übergabe des Kaiser-Reliefs2 vorzustellen; nach erfolgter Übergabe wurden wir zur Familien-Frühstückstafel zugezogen, an welcher nur die Prinzessin Victoria Luise und die diensttuenden Herren und Damen teilnahmen. Die Herren von Salis und Simon werden Ihnen, nach ihrer Rückkehr nach Bern, wohl das Nähere über die Darreichung des Kaiser-Reliefs berichten; ich darf mich hier beschränken, über ein sehr ernstes Gespräch zu berichten, welches ich nach Tisch mit dem Kaiser gehabt habe. Ich darf zunächst bemerken, dass ich bei der Tafel, an einem runden Tisch, rechts von der Kaiserin, ziemlich dem Kaiser gegenüber sass und Gelegenheit hatte zu beobachten, wie ernst und angegriffen er aussah. Nach dem Frühstück begaben wir uns alle zum Rauchzimmer und als die Kaiserin sich nach dem Nebenraum mit den Damen und Herren begab, um sich das Relief erklären zu lassen, hielt mich der Kaiser im Rauchzimmer, wo wir allein waren, zurück und fing an, über die politische Lage in ernstem und auch aufgeregtem Ton zu sprechen: Wie schnell haben sich die Ereignisse entwickelt, sagte er, seitdem wir uns in der Schweiz gesehen! Wer hätte geahnt, dass die Türken in dieser Weise geschlagen werden würden! Nur, wie Goltz es schon längst sagte, weil die türkische Heeresverwaltung immer das Gegenteil seiner Ratschläge getan hat! Und nachher die ganze Entwicklung des Krieges auf dem Balkan hat bewiesen, dass es wohl kein Krieg gegen Andersgläubige gewesen; es ist kein Religionskrieg gewesen, sondern lediglich ein Rassenkrieg, der Krieg des Slaventums gegen das Germanentum. Hören Sie: Es steht fest, dass die Russische Regierung Anfang dieses Jahres der Türkey den Abschluss eines Bündnisses unter derartigen Bedingungen jedoch vorschlug, dass die Pforte darauf nicht eingehen konnte. Um sich zu rächen, hat die Russische Regierung den Balkanbund improvisiert und gegen die Türkey losgelassen. Ihre ganze Idee war, durch einen glücklichen Feldzug alle Slaven, nicht allein auf dem Balkan, zu vereinigen, sondern sogar die Slaven anderer Staaten, namentlich Österreich-Ungarns allmählig für sich zu gewinnen, Österreich durch den Verlust von so und so viel Millionen Slaven militärisch zu schwächen. Die Leute, die jetzt hinter Serbien stehen und so viel vom Religionskriege geredet, sie wissen schon, was sie tun, und dass sie einen Rassenkrieg gegen das deutsche Österreich führen wollen. Glücklicherweise gibt es auch unter den österreichischen Slaven, in Böhmen und im südlichen Österreich, solche, die genau wissen, auf was es ankommt und treu zur Monarchie stehen, allein es gibt in den südlichen Teilen der letztem slavische Bevölkerungen, welche sich betören lassen könnten, wenn ein grosses Serbisches Reich aus dem Kriege hervorgehen sollte. Diese Gefahr hat Österreich längst erkannt und wir in Deutschland auch, und wir werden unsern Verbündeten nicht im Stiche lassen: wenn die Diplomatie versagt, werden wir diesen Rassenkampf kämpfen müssen.
Noch schlimmer, fügte der Kaiser dann hinzu, ist es, dass, wie ich vor wenigen Tagen durch meinen Botschafter in London erfuhr, Lord Haldane, dieser angebliche Freund Deutschlands, ihm erklärt habe, dass England es niemals dulden werde, dass Deutschland in Central-Europa eine überwiegende Stellung seinen Grenznachbarn gegenüber übernehmen werde. Ist dies nicht eine impertinente Äusserung, welche an sich einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu England verdienen würde! Ist es nicht unerhört, dass England, für die Herstellung guter Beziehungen zu demselben wir so viel, vielleicht zu viel getan, dass diese mit uns durch gemeinsame Abstammung, Religion, civilisatorisches Streben verwandten Anglo-Sachsen sich zum Werkzeug der Slaven hergeben wollen. Man konnte schon eher begreifen, dass die Romanen, obgleich sie auch eine Cilivisation besitzen ganz anders als diejenige der da drüben im Osten, sich an diesem Rassenkampf gegen uns verbünden!
Der Kaiser, welcher während dieser ganzen Unterredung sehr bestimmt sprach und aufgeregt war, sagte dann, dass diese Bildung eines starken, gegen Österreich und Deutschland gerichteten Serbenreiches gehindert werden müsse. Die Lebensbedingung der beiden Länder sei, sich durch einen Slavenring nicht umkreisen zu lassen. Wir haben den Dreibund erneuert, man wisse in Petersburg, woran man ist. Wenn diese Frage - eine für uns vitale Frage - durch die Diplomatie nicht gelöst werden kann, so werden die Waffen entscheiden. Die Lösung kann aufgeschoben werden. Die Frage selbst wird aber in 1 oder 2 (sic!) Jahren wieder auftreten, und es wird die Türkey dann wieder gekräftigt werden müssen: das war meine erste Politik: es wird auf dem Balkan ein Staat gegründet werden müssen, der nicht nach Petersburg, sondern nach Wien gravitire; - auf der ändern Seite wird Italien Front gegen Westen machen. Dann wiederholte der Kaiser, dass nach allem was er erfahre, der Rassenkampf nicht zu vermeiden sei, - vielleicht ist er nicht für jetzt, aber er wird voraussichtlich in einem oder zwei Jahren stattfinden. Ich benutze die Gelegenheit, um mich über die Stellung Rumäniens zu erkundigen. Der Kaiser gab mir zur Antwort, Rumänien und Bulgarien seien korrekt und trachten, mit Österreich die besten Beziehungen zu pflegen. Bulgarien, meinte er, sei kein rein slavischer Staat und die dortigen Slaven haben einen ändern Ursprung und eine andere Bildung als die Slaven in Russland und Serbien; sie werden sich wohl nicht den russischen Bestrebungen anschliessen.
Unsere Unterredung wurde durch einen Adjutant unterbrochen, welcher meldete, dass der Wagen zur Bahn auf uns warte. Ich nahm vom Kaiser Abschied, er rief mich aber noch zurück, um mir die Stelle zu zeigen, wo er Ihre Photogr. hingestellt hatte. Auch hatte er noch ein freundliches Wort für den Empfang in der Schweiz und er sagte zuletzt, er habe Ihre neuliche Rede in der Bundesversammlung mit Freude gelesen und bäte mich für die schönen warmen Worte aufs herzlichste zu danken.
Tags
Situazione internazionale (fino al 1914)