dodis.ch/43157 Der schweizerische Gesandte in Berlin, A. de Claparède, an den Bundes-Präsidenten und Vorsteher des Politischen Departementes,
L. Forrer1
Gestern, am Geburtstage des Kaisers, fand im Opernhause eine Galavorstellung statt, an welche sich ein Cercle für die geladenen Gäste anschloss. Nach der Ermüdung des Tages hat der Kaiser nur wenige Personen und, glaube ich, nur 3 bis 4 Gesandte angesprochen und ansprechen können, da Gäste verschiedener Categorien sich stark durcheinander bewegten. Als das Fest zu Ende ging, kam der Kaiser auf mich zu und begrüsst mich in der herzlichsten Weise - mir sagend, wie sehr er sich freue, dass der hohe Bundesrat ihn empfangen wolle, und dass er ihn begrüssen könne. Dann fügte er hinzu, wie er sich auch freue, unser tüchtiges Militär zu sehn; er habe so oft, und jüngst noch, so lobenswerte Berichte durch seine Offiziere über unsere Manöver und die Tüchtigkeit unserer Offiziere erhalten; - er wolle ganz einfach nach der Schweiz kommen, und man solle nicht etwa befürchten, «dass er zu sehr majestätisch auftreten werde». Er freue sich auch sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr Bundespräsident; einen Ihrer Herrn Amtsvorgänger, einen ausgezeichneten Mann, Herrn Bundesrat Schenk, habe er seinerzeit in Luzern kennen gelernt. Der Kaiser wollte dann über seine Begegnung mit Herrn Bundesrat Schenk noch Weiteres sagen, als die Kaiserin, welche schon seit einiger Zeit auf den Kaiser gewartet hatte, um sich mit den eingeladenen Prinzen des königlichen Hauses und den anwesenden Bundesfürsten zurückzuziehen, auf den Kaiser zukam, um ihn an die Abfahrt zu erinnern. Dann schüttelte mir der Kaiser noch die Hand und sagte: «Wir sprechen darüber ein anders mal, aber bitte, versichern sie den Herrn Bundespräsidenten, dass ich in der Schweiz nicht majestätisch sein werde».
Ich lese in den Zeitungen, dass man sich in Bern mit der Wohnungsfrage für den Kaiser beschäftige, und dass hiezu Privatvillen zur Verfügung gestellt worden sind. Wie mir vorgestern ein deutscher Gesandter ganz von sich aus mitteilte, übernachte der Kaiser niemals in Gasthöfen. Ich wollte es Ihnen schon mitteilen, als ich die erwähnten Zeitungsmeldungen las, obgleich, wenn die mir gemachte Mitteilung zutreffend ist, Herr Gesandter von Bülow einen bezüglichen Wunsch zu erkennen zu geben Anlass genommen haben dürfte. Ich darf Vorstehendes wohl deshalb anführen, weil, nach meinem Gewährsmanne, der Kaiser nicht etwa in einem Hotel im Auslande nicht übernachten will, sondern weil es bei ihm überhaupt Prinzip sein soll, in keinem Hotel zu verkehren.