Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
VII. GOTTHARDVERTRAG
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 251
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E8001B-01#1000/1131#56* | |
Old classification | CH-BAR E 8001(B)-01/1000/1131 32 | |
Dossier title | Manuskript des Herrn Bundesrates Forrer betr. die neuen Gotthardverträge, Entwürfe, propositions de ratification, présentation des projets aux parlements respectifs, tarifs (avril-décembre 1909) (1909–1909) | |
File reference archive | 072.000 |
dodis.ch/43106
DIE NEUEN GOTTHARDVERTRÄGE
[ -]2Die von den drei Staaten beschickte Konferenz nahm am 24. März ihren Anfang und hielt im ganzen 17 Plenarsitzungen. Nach schwierigen Verhandlungen ist am 20. dies. Monats eine Einigung zu Stande gekommen. Diese findet ihren Ausdruck in zwei Vertragsentwürfen, der eine zwischen der Schweiz einerund Deutschland und Italien anderseits, der zweite zwischen der Schweiz und Italien. Dem ersteren ist ein Schlussprotokoll beigegeben.
I. Der Hauptvertrag, zwischen der Schweiz, Deutschland und Italien, enthält an der Spitze, als Art. 1, die Bestimmung, dass die bestehenden sog. Gotthardverträge von 1869/71, 1878 und 1879 sammt und sonders aufgehoben sind und durch den neuen Vertrag ersetzt werden.
Sodann setzt er in den weitern Artikeln, 2-14, im wesentlichen folgendes fest:
Eine erste Gruppe von Artikeln wiederholt eine Anzahl von Vorschriften des 1869er Vertrages: Die internationale Bestimmung der Gotthardbahn, den ununterbrochenen Betrieb, und den Anschluss an die Hauptpersonenzüge der beiden Nachbarländer, und verpflichtet die drei Staaten neuerdings, ihr Möglichstes zu tun, um, im gemeinsamen Interesse auf der Gotthardbahn einen möglichst regelmässigen, bequemen, schnellen und wohlfeilen Waren-, Personen- und Postverkehr zu sichern.
Eine zweite Gruppe von Artikeln behandelt Tariffragen. Für den Gotthardtransitverkehr aus Italien über Chiasso und Pino nach den Stationen nördlich von Luzern, Zug und Immensee, und umgekehrt, gilt der Grundsatz der kürzesten Route. Für den internen Gotthardverkehr behält die Schweiz völlige Tariffreiheit, ebenso für den Verkehr Italien resp. Deutschland-Stationen der Gotthardbahn.
Die Schweiz wird wie bisher direkte Tarife für den Transitverkehr aufstellen. Dieser ist der gleichen Tarifsätze und Vergünstigungen teilhaftig, welche von den S.B.B. jetzt und in Zukunft jeder ändern Schweiz. Alpenbahn für den Transitverkehr gewährt werden. Vorbehalten ist der Fall, wo die S.B.B. genötigt sind, infolge ausländischer Konkurrenz die Transittarife einer ändern Alpenbahn ausnahmsweise herunterzusetzen; der Transitverkehr über die Gotthardbahn darf jedoch dadurch nicht geschädigt werden.
Während der neue Vertrag für den Reisenden- und Gepäckverkehr in Transit lediglich die Beibehaltung des Status quo auch hinsichtlich der Bergzuschläge vorsieht, enthält er für den Warentransport in Transit folgende wichtige neue Bestimmung:
Die Bergzuschläge werden per 1. Mai 1910 um 35 %, per 1. Mai 1920 um 50 % reduziert3. Bisher betrugen sie für Erstfeld-Chiasso 64, für Erstfeld-Pino 50 Kilometer, und sie werden also betragen vom 1. Mai 1910 an: statt 64 und 50 Kilometer: 42 und 33 Kilometer.
vom 1. Mai 1920 an: statt 64 und 50 Kilometer: 32 und 25 Kilometer.
Eine besondere Klausel verleiht jedoch der Schweiz die Befugnis, in gewissen Fällen, wie bei Kohlenausfuhrverbot seitens eines Produktionslandes oder ausserordentlicher Kohlenverteuerung, die Bergzuschläge wieder zu erhöhen.
Drittens ist für Streitfälle ein Schiedsgericht vorgesehen, und endlich wird festgesetzt, dass der Vertrag am 1. Mai 1910 in Kraft trete, jedoch rückwirkende Kraft auf den l.Mai 1909 ausüben solle, letzteres, damit die S.B.B. gleich vom Übergang der G.B. an der Führung einer besondern Rechnung für den Kreis V enthoben sind.
Aus dem Schlussprotokoll heben wir folgende Bestimmungen hervor:
Falls die Gotthardbahn elektrifiziert wird und es sich um Bestellungen hiefür handelt, werden die S.B.B. gemäss ihrer gegenwärtigen Praxis die Industrie aller Länder zur Konkurrenz zulassen.
Die bisherigen Angestellten und Arbeiter der G.B. deutscher oder italienischer Nationalität werden nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen beibehalten, ohne das Schweizerbürgerrecht erwerben zu müssen.
II. Das Spezialabkommen mit Italien enthält drei Bestimmungen, welche für Deutschland ohne Interesse sind und von denen lediglich die Dritte eine Neuerung bringt, während die beiden ersten nur eine Bestätigung bisheriger Verhältnisse bilden.
Die erste Bestimmung sichert den Getreidesendungen aus Italien, welche ins Lagerhaus Brunnen gelangen, um alsdann über die Gotthardbahn hinaus reexpediert zu werden, die Anwendung der Transitsätze zu.
In der zweiten Bestimmung wird erklärt, dass die Reisenden und Frachten aus Italien nach Stationen der Gotthardlinie nicht ungünstiger behandelt werden sollen, als es für andere Reisende und Frachten im internen Verkehr der Bundesbahnen gemäss der jeweiligen Tarifgesetzgebung der Schweiz der Fall ist.
Die Dritte Bestimmung endlich sieht für die Südfrüchte aus Italien (agrumi) einen neuen Ausnahmetarif der S.B.B. mit einigermassen reduzierten Frachtsätzen vor.
Diese drei Entwürfe, zu zwei Verträgen und einem Schlussprotokoll, sind nun den drei Regierungen zugestellt. Im Fall der Zustimmung werden die drei Dokumente von den zu bezeichnenden Vertretern der Regierungen unterzeichnet4 und alsdann in jedem Staate der verfassungsmässigen Ratifikation entgegengeführt werden.
- 1
- E 8001 (B) 3/32.↩
- 2
- Kurze historische Einleitung.↩
- 3
- Am 10. April 1909 Hess der Bundesrat dem italienischen Aussenminister Tittoni mitteilen, diese Staffelung sei unbedingt nötig: [...] Nous avons absolument besoin d’un délai eu égard à la situation critique chemins de fer fédéraux et à l’opposition des chambres[...] (E 1004 1/236).↩
- 4
- Die Unterzeichnung fand am 13. Oktober 1909 in Bern statt.↩
Tags
Railway Tunnels in the Alps Gotthard railway, Gotthard Treaty (1903–1913)