dodis.ch/43015
Der Chef der Generalstabsabteilung, Th.
von Sprecher, an den Vorsteher des Militärdepartementes, L. Forrer
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handschriftlich. Geheim Nachrichten-Sache
Bern, 10. Januar 1907
Ich halte es für geboten, Ihnen, Herr Bundesrat, Kenntnis zu geben von dem Wortlaute eines Schreibens, das von einem hochgestellten französischen General an einen schweizerischen Offizier gerichtet wurde. Es bestätigt die Auffassung, die ich in der Denkschrift vom Ende vorigen Jahres2 bezüglich der politischen Lage zum Ausdruck gebracht habe. Wörtlicher Auszug: «Les agissements de la politique anglaise dirigée par Edouard VII contre son neveu Guillaume II n’ont jamais cessé depuis la crise de Tanger, et ils sont, aujourd’hui (Jan. 1907!) plus actifs que jamais.
L’Angleterre a tout à gagner et n’a rien à perdre dans une guerre contre l’Allemagne avec le concours de la France.
Edouard est trop vieux pour attendre, et, d’autre part, c’est une nécessité impérieuse pour les Anglais de détruire le commerce maritime de l’Allemagne et de ruiner son industrie.
Par ces motifs et d’autres encore, je crois à de graves événements extérieurs dans un avenir prochain.»
Ich bitte dringend für vollständige Geheimhaltung des Ursprungs und der Formulierung der Nachricht Vorsorge zu treffen, damit die sehr wertvolle Nachrichten-Quelle nicht plötzlich versiege und uns und dem betreffenden schweizerischen Offizier dadurch überdies fatale Unannehmlichkeiten aus der Sache erwachsen. In ähnlicher Weise habe ich übrigens vor kurzer Zeit auch Nachricht aus Österreich erhalten. Überdies habe ich die bestimmte Annahme äussern hören, von ziemlich orientierter Seite, [der britische]3Gesandtschaftsposten in Washington sei von König Eduard durch Mr Bryce besetzt worden, um einen Vertreter dort zu haben, der, vermöge seiner genauen Kenntnis Nordamerikas und der vielen Beziehungen zu dortigen einflussreichen Kreisen, besonders geeignet sei, die Intimität zwischen Deutschland und den USA zu stören. Es dürfte sich unter diesen Umständen vielleicht empfehlen, den Versuch zu machen, durch unsern Gesandten in Washington Näheres über die Verhältnisse in Erfahrung zu bringen.
Um die Kriegsvorbereitungen des Generalstabes danach einzurichten, bitte ich, schriftlich mich von Nachrichten in Kenntnis setzen zu wollen, die zur Beleuchtung der politisch und militärischen Lage in Europa dienen können.