Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
6. Deutsches Reich
6.2. Handelsvertragsverhandlungen
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 5, Dok. 50
volume linkBern 1983
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E13#1000/38#67* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 13(-)1000/38 16 | |
Dossiertitel | Korrespondenz des Handelsdepartements mit der Handelsvertrags-Delegation in Berlin; Berichte der Delegation (1903–1905) |
dodis.ch/42905 Die schweizerische Handelsvertragsdelegation an den Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, A. Deucher1
Die Auseinandersetzungen mit den Herren v. Koerner und Wermuth haben
gestern nachmittag begonnen. Wir gaben die Erklärungen ab, welche letzten
Montag in der Konferenz mit der Delegation des Bundesrates vereinbart wurden2. Dieselben führten zu der Gegenerklärung, dass im Falle der Aufrechterhaltung unserer Forderungen nur wiederholt werden könne, dass man uns auf dem
deutschen Tarife nichts mehr zu bieten habe. Es könne sich allenfalls nur noch
darum handeln, die deutschen Forderungen zum schweizerischen Tarife noch
etwas einzuschränken. Man müsse aber vor allem wissen, ob und inwieweit wir
an unsern Forderungen zum deutschen Tarif festhalten und es könne auch nur
der Zweck unserer Reise nach Bern gewesen sein, darüber neue Instruktionen einzuholen.
Wir erwiderten, dass wir angesichts einer solchen Erklärung nicht ermächtigt
seien, unsere Forderungen weiter einzuschränken; wenn uns die deutsche Delegation nichts mehr zu sagen habe, so müssten wir die Unterhandlungen zu
unserm Bedauern als eingestellt betrachten.
Herr v. Koerner wiederholte nach längern Ausführungen, dass, wenn wir auf
allem beharren, es keinen Zweck habe fortzufahren. Er bemerkte wörtlich, dass
es unter diesen Umständen eben «fertig» sei. Man erhob sich. Weitere Bemerkungen wurden jedoch stehend ausgetauscht und es entspann sich daraus eine
neue Diskussion, die dazu führte, dass man sich zu einer nochmaligen Besprechung aller Differenzpunkte niederliess und mit dem deutschen Tarife begann.
Zunächst wurde mit Bezug auf das Obst deutscherseits mitgeteilt, dass man
geneigt sei, den zollfreien Grenz- und Marktverkehr mit Konstanz für offenes
sowohl als für in Säcke verpacktes Obst zuzugestehen. Was das Vieh betrifft, so
wurde von den deutschen Herren kategorisch wiederholt, dass man in den
Zugeständnissen nicht weiter gehen könne.
Herr Oberst Künzli erklärte hierauf, dass wir vom Bundesrate ermächtigt
seien, auf weitere Konzessionen für Vieh zu verzichten, wenn uns für Käse 12
Mark zugestanden würden. Er glaubte sich hiebei auf die von Ihnen, hochgeehrter Herr Bundesrat, in der Konferenz vom letzten Montag ausgesprochene
Ansicht stützen zu können. Unsere Delegation hatte indessen hierüber vor der
Sitzung nichts vereinbart und Herr Oberst Künzli nimmt daher die Verantwortlichkeit für seine Erklärung auf sich.
Herr v. Koerner, unterstützt von Herrn Wermuth, bestätigte neuerdings, dass
er zu keinerlei Ermässigung des Käsezolles ermächtigt sei und ein Zugeständnis
in dieser Hinsicht für ausgeschlossen halte.
Nachdem sich Herr v. Koerner auch bei der Schokolade ausserstande erklärte,
mehr als die schon letzte Woche offerierte Ermässigung auf 55 Mark (in
Frankfurt wurde von 50 Mark gesprochen) zu gewähren, erklärte der Schreiber
dieses Berichtes3, dass er die Weiterführung der Verhandlungen nicht für zulässig erachte, da nun doch Punkt für Punkt die Ablehnung wiederholt werde, die
vorher schon generell abgegeben wurde. Der Ernst der Situation erheische es,
dass die deutsche Delegation vor allem neue Instruktionen einhole, um uns neue
Vorschläge machen zu können und statt der einseitigen Zurückschneidung
unserer Forderungen ein wechselseitiges Entgegenkommen zu ermöglichen. Die
Herren Künzli und Frey entschieden sich jedoch, in Erwägung, dass die neuen
Erörterungen doch noch eine Verständigung nach sich ziehen könnten, für Fortsetzung.
Deutscherseits wurde sodann zugesagt, dass man hinsichtlich der Schokolade
in Berlin anfragen werde, jedoch ohne einen günstigen Bescheid in Aussicht
stellen zu können.
Was den Seidenzwirn betrifft, so hatten wir schon letzte Woche erklärt, die
deutschen Offerten für die Nrn. 391/92 und 399 anzunehmen, wenn eine Erleichterung der Kontrollformalitäten für die Einfuhr von Web-, Stick- und Posamentierzwirn zu dem im Generaltarif vorgesehenen Ausnahmezoll von 36 Mark und
die Ausdehnung dieser Begünstigung auf Agenten und Depothalter zugestanden
werde. Herr v. Koerner erklärte, dies zusichern zu können.
Über die Seidengewebe, Nr. 405, entspann sich wieder eine längere Diskussion. Der von uns zuletzt verlangte Einheitszoll von 300 Mark für ganz- und
halbseidene Gewebe wurde als völlig undiskutierbar bezeichnet. Wir erklärten,
dass ohne eine wesentliche weitere Konzession für diese Gewebe der Abschluss
eines Vertrages nicht möglich sei und bezeichneten auf die Frage des Herrn v.
Koerner, was wir als «wesentlich» betrachten würden, als äussersten Einheitssatz
350 Mark. Ein solches Zugeständnis wurde sofort als unmöglich erklärt.
Mit Bezug auf Beuteltuch nahmen wir die Offerte an, nach welcher Deutschland in Zukunft vom Veredlungsverkehr keinen Gebrauch mehr machen wird
und uns für konfektioniertes Beuteltuch, für das zurzeit 1200 Mark entrichtet
wird, gleich wie für unkonfektioniertes den Ansatz von 600 Mark zugesteht.
Die Besprechungen sind heute, Mittwoch, fortgesetzt und nicht ohne peinliche und langwierige Erörterungen zuende geführt worden. Wir reduzierten unsere Begehren betreffend Stickereien, Wirkwaren, Baumwollgarn, Buntgewebe und Schuhe. Mit Bezug auf Maschinen wurde ein vollständiger Ausgleich entworfen. Ferner erklärten wir uns bereit, den Schweizerischen Tarif hinsichtlich der Konfektion, der Leinengewebe und der bedruckten Papiere noch etwas zu ermässigen, verlangten aber, dass uns nun von deutscher Seite zuerst eine Antwort auf unsere Begehren erteilt werde. Der Inhalt unserer heutigen Tariferklärungen geht des genauem aus der beiliegenden Übersicht4 hervor.
Die deutsche Delegation wird, soweit nötig, neue Instruktionen einholen. Eine Sitzung wird voraussichtlich erst nächsten Freitag wieder stattfinden können.
- 1
- Schreiben: E 13 (B)/160.↩
- 2
- Ein Protokoll der Konferenz vom 24. Oktober 1904 konnte nicht ermittelt werden. In einem Bericht Bundesrat Deuchers an den Bundesrat vom 24. Oktober 1904 über die betreffende Unterredung der Handelsvertragsdelegation mit der Delegation des Bundesrates steht u. a.: [...] Die schweizerischen Unterhändler erklären unter diesen Umständen die uns zugemutete Annahme der deutschen Offerten in globo für unmöglich. Dieselben halten es hingegen für zulässig, unsere Begehren durchwegs noch etwas zurückzuschneiden und auch auf einigen der noch streitigen Positionen des schweizerischen Tarifs etwelche, wenn auch kleine Zugeständnisse zu machen. Die hierüber gepflogene Diskussion hat zu dem Schlüsse geführt, dass schweizerischerseits neue Eröffnungen dieser Art nur gemacht werden können, wenn die deutsche Delegation von ihrer summarischen Verweigerung weiterer Konzessionen absteht und sich bereit erklärt, uns in den Hauptpunkten noch erheblich entgegenzukommen. Andernfalls müsste auch schweizerischerseits von weiteren Zugeständnissen Umgang genommen und auf die Fortsetzung der Unterhandlungen, als zwecklos, verzichtet werden (E 13 (B)/159).↩
- 3
- Es handelt sich um Eichmann.↩
- 4
- Nicht abgedruckt.↩
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