Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
10. Italien
10.2. Handelsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 30
volume linkBern 1983
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E13#1000/38#309* | |
Old classification | CH-BAR E 13(-)1000/38 72 | |
Dossier title | Sitzungsberichte der schweizerischen Verhandlungsdelegation in Rom an das Handelsdepartement (1904–1904) |
dodis.ch/42885 Die schweizerische Handelsvertragsdelegation1 in Rom an den Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, A. Deucher2
[...]3
Gestatten Sie uns im Anschluss an diesen kurzen Bericht noch einige allgemeine Bemerkungen, die wir uns nicht länger versagen können. Ihre Delegation hat bis jetzt die Absicht gehabt, der Sache nach bestem Wissen und Gewissen zu dienen. Die Ihnen in letzter Zeit angezeigt erscheinende Art, sie in Hinsicht auf die Instruktionen so kurz zu halten als nur denkbar, verhindert sie indessen in der Befolgung dieser Absicht so ziemlich vollständig. Mit diesen Anweisungen von der Hand zum Mund kann sie die Lage nur beeinträchtigen, und der h. Bundesrat wird sie nicht verbessern.
Es hat sich unser nachgerade der Eindruck bemächtigt, als ob wir des vollen Vertrauens des h. Bundesrates nicht mehr sicher seien, der uns in der Bestallungsurkunde bevollmächtigt - natürlich im Einvernehmen mit dem h. Bundesrat -, über einen neuen Handelsvertrag zu unterhandeln, ihn abzuschliessen und zu unterzeichnen. Was wir in diesem Handelsvertrag suchen und mit welchen Mitteln es geschehen kann, darüber gehen die Meinungen wohl nicht allzuweit auseinander, aber dass die Delegation während dem mehr als ein Vierteljahr dauernden Aufenthalt in Rom auch noch gar nicht herausgefühlt haben sollte, was möglich ist und was nicht, dass sie nicht ein Anrecht darauf haben sollte, seit einigen Tagen wenigstens über die letzten Absichten des h. Bundesrates völlig aufgeklärt zu werden, das will ihr nicht einleuchten.
Wiederholt haben wir darum gebeten, und es dürfte nicht angängig sein, dass wir bis zum Ende, das nun schlechterdings einmal herbeigeführt werden muss, nur durch lakonische Telegrammnotizen unterrichtet werden, die uns jeweilen unmittelbar vor Beginn der Sitzungen (oder noch später) zugehen. Das erachten wir nicht als zweckdienlich.
Erlauben Sie, dass wir nur einen Fall zur Illustration herausgreifen. Als wir Ihnen über die Comascer Bewegung berichteten, erhielten wir die Antwort, «Versammlung in Como und Opposition Carcano imponieren hier nicht»4
. Gestatten Sie uns, in diesem Sinne mitzuteilen, dass auch das Anerbieten bezüglich des roten Coupierweins5 hier, bei der Italienischen Delegation, «nicht imponiert hat». Wenn der h. Bundesrat uns zur blossen mechanischen Vermittlung seiner momentanen Beschlussfassungen verurteilt, so versetzt er uns in die peinlichste Lage. Sollte es z.B. doch Absicht des Bundesrates sein, mit dem Weinzoll allgemein auf Fr. 8.- herunterzugehen, so hätte sich damit Erkleckliches holen lassen; so wie Sie uns zu handeln anweisen, ist alle Liebesmüh umsonst, sind solche Konzessionen weggeworfen. So viel liess sich bei rechtzeitigem Unterrichten und bei entschiedenem Auftreten mit dem von uns im Interesse unseres Weinbaus empfohlenen Zoll von Fr. 9.- auch erreichen. Sie erinnern sich übrigens, mit welcher Entschiedenheit und welchem Einmut der h. Bundesrat die von Italien beantragte und von Ihrer Delegation nicht direkt zurückgewiesene Teilung des Weinzolls (Fr. 8.- und 10.-) abgelehnt hat, und es war eine unserer undankbarsten Aufgaben, hievon nach unserer Rückkehr die Italienische Delegation zu überzeugen. Jetzt kommt der Vorschlag von unserer Seite, und wird von der Italienischen Delegation mit einem mehr als gebührlichen Misstrauen behandelt.
Sollten Ihre «schliesslichen» Limiten auf anderm Gebiete liegen, so sollten wir auch dies wissen.
Die Delegation bittet, ihr diejenige Stellung zu bewahren, auf die sie glaubt Anspruch erheben zu dürfen; sonst würde sie sich gewiss mit Recht fragen müssen, wozu sie überhaupt da sei.
Die hier zu entscheidenden Fragen sind reif, überreif. Dank der Unsicherheit, die mangels genügender Orientierung in unser Handeln gekommen ist, haben wir an Boden nicht gewonnen, sondern verloren. Wir waren und sind entschlossen, unsere Pflicht zu tun, und diese Versicherung - wenn sie überhaupt nötig ist - sollte auch dem h. Bundesrat genügen, uns den durchaus erforderlichen Spielraum zum Handeln zu gewähren.
Entschuldigen sie diese kurzen Andeutungen, die wir absichtlich nicht weiter ausdehnen. Möge uns der h. Bundesrat gütigst wissen lassen, was er finaliter will, und überlasse er es sodann der Delegation ein bisschen, sich in diesem Rahmen zu bewegen.
Wir wollen nichts Erhältliches über Bord werfen, wir wollen nichts überstürzen, wir glauben, Beweise unserer Geduld in Fülle abgelegt zu haben: aber die Verhandlungen jetzt noch lange hinzuhalten, das hätte keinen Sinn mehr.
Dies unsere freimütigen Darlegungen, denen Sie die Ihnen gut scheinende Berücksichtigung angedeihen lassen mögen6.
- 1
- Unterzeichner: Künzli, Alfred Frey, Ernst Laur.↩
- 2
- Schreiben: E 13 (B)/224.↩
- 3
- Bericht über die 36. Sitzung vom 30. Juni 1904.↩
- 4
- Telegramm vom 19. Juni 1904 (E 13 (B)/223). Vgl. dazu Nr. 26.↩
- 5
- Am 30. Juni 1904 hatte das Handelsdepartement der schweizerischen Delegation in Rom telegrafiert: [...] Wein im allgemeinen Fr. 9, aber mit folgender Note: um die Einfuhr von Coupierwein zu erleichtern, wird der Zoll für roten Wein von 12 Grad Alkohol oder mehr und von mindestens 28 Gramm Extrakt auf Fr. 8 festgesetzt. Abzug für Most 6 %, eventuell äusserst8% (E 13 (B)/223).↩
- 6
- Das Handelsdepartement telegrafierte am 3. Juli 1904 der schweizerischen Delegation: Ihre heute morgen erhaltenen brieflichen Bemerkungen haben Delegation des Bundesrates einigermassen befremdet, da stets volles Vertrauen bestanden hat. Bundesrat glaubte Verständigung zu erleichtern, indem er Sie ermächtigte, für roten Wein zu Gunsten der Coupage auf 8 Fr. zurückzugehen. Ihrem Briefe nach könnte man meinen, dass Sie Ermächtigung, diese Limite für alle Weine anzubieten, vorziehen würden. Unter diesen Umständen werden Sie ersucht zu telegraphieren, ob Sie dies bestimmt vorschlagen oder ob Sie nicht vorziehen würden, nur für alle Rotweine bis 15 Grad ohne weitere Beschränkung 8 Fr. zu offerieren. Bundesrat ist bereit, bezügliche Vorschläge zu erwägen. Betreffend Mouchoirs und Seidengewebe muss an den Italien von Ihnen zuletzt offerierten Limiten festgehalten werden. Obschon Sie uns bereits Vorschläge für Ultimatum gemacht haben, möchten wir Sie doch mit Rücksicht auf die seither einigermassen veränderte Situation um Ihre Ansicht über das jetzt zu stellende Ultimatum ersuchen (E 13 (B)/223). Die schweizerische Delegation in Rom antwortete gleichentags: ... Delegation wollte mit Weinzoll nie unter 9 Fr. gehen und beantragt, diese festzuhalten, wenn Seide verweigert wird (E 13 (B)/224).↩