dodis.ch/42612 Le Ministre de Suisse à Paris, Ch.
Lardy, au Président de la Confédération et Chef du Département politique,
A. Lachenal1
Mit Rücksicht auf die heute angetretene Reise des österreichisch-ungarischen Ministers des Auswärtigen, Golouchowsky, nach Berlin, glaube ich Ihnen über eine Unterredung die ich gestern nachmittag mit dem hiesigen österreichischen Botschafter Wolkenstein hatte, berichten zu sollen:
«Als die Tripelallianz geschlossen wurde, dachte man sehr an die Möglichkeit eines Krieges zwischen Österreich und Deutschland einerseits und Russland andrerseits. Wir Österreicher wollten unsern Rücken gesichert wissen, und so kam die Allianz mit Italien zustande. Damals wurde ich als Botschafter nach Petersburg geschickt; als ich mich vom Kaiser verabschiedete, gab er mir die Instruktion, alles zur Erhaltung des Friedens aufzubieten was mit der Würde Österreichs nicht unvereinbar sei; die hohen militärischen Persönlichkeiten, die ich vor meiner Abreise von Wien besuchte, sagten mir, nur dafür zu sorgen, dass die Kriegserklärung nicht vor 6 oder 8 Monaten eintrete, weil dann unsere Armee kriegsbereit sein werde. Als ich in Petersburg ankam, gelangte ich ziemlich rasch zu der Überzeugung, dass mit einem ruhigen Kopf und Herzen die damaligen Schwierigkeiten beseitigt werden könnten und so habe ich zwölf Jahre lang nach beiden Seiten beruhigend gearbeitet; ich betrachte als die Ehre meiner Carriere langsam das Gefühl entwickelt zu haben, dass Russland den Krieg mit uns und mit Deutschland nicht will, dass es sich in Asien zu entwickeln sucht, und somit zur Schaffung einer friedlichen Stimmung in Europa beigetragen zu haben. Während dieser langen Periode hat Italien zu wiederholten Malen unser Friedenswerk durchkreuzt besonders im Orient und in Bulgarien und zu wiederholten Malen musste man von Berlin und Wien aus gewisse italienische Anträge oder Handlungen beseitigen oder abweisen; man war sogar genötigt hie und da zu erklären, man werde Italien einfach im Stiche lassen, wenn es auf seinen Anträgen beharren sollte.
Hätte man zum Krieg mit Russland schreiten müssen, so war man übrigens in Wien durchaus nicht beruhigt über die Haltung Italiens; im Falle einer grossen Niederlage hegte man immer die Befürchtung, dass, wenn nicht der König, so wenigstens die Regierung unter dem Druck der öffentlichen Meinung trotz der Allianz Trient und Triest besetzt hätte. Umgekehrt im Falle eines Sieges und Gebietsvergrösserung Österreichs an der östlichen Grenze, wäre Italien wahrscheinlich mit Grenzberichtigungs- oder Compensationsbegehren gekommen. Was die italienischen Umtriebe im Trient und ändern irredentierten Gegenden anbetrifft, so sind dieselben allerdings offiziell desavouiert, nicht unterstützt, aber durchaus nicht verschwunden.
Diese italienische Allianz, die schon einen bedenklichen und zweifelhaften Wert hatte zur Zeit wo die Gefahr eines Krieges mit Russland bestand, hat jetzt einen noch geringem Wert, seitdem wir Österreicher die Überzeugung gewonnen haben, dass Russland uns in Ruhe lassen wird, wenn man es in Ruhe lässt.»
Selbstverständlich hat Wolkenstein nur seine persönliche Meinung ausgesprochen, immerhin muss man in seinem Gedankengang mehr oder weniger den Spiegel der in den massgebenden österreichischen Kreisen umlaufenden Ideen, sehen.
Sollten Sie diesen Bericht weiter mitteilen wollen, so möchte ich Sie ersuchen, die Stellen welche den Namen meines Gewährsmannes bezeichnen könnten, gefälligst chiffrieren zu lassen.