dodis.ch/42610
Le Ministre de Suisse à
Paris, Ch.
Lardy, au Chef du Département de Justice et Police,
E. Müller1
Nach Kenntnisnahme Ihres Schreibens vom 1. dies.2 betr. die Vorbereitung der Instruktionen für die im Monat Mai in Paris zusammentretende Konferenz zum Schutz des literarischen und künstlerischen Eigentums, beehre ich mich, nach Prüfung der documents préliminaires und einiger sonst zu meiner Verfügung stehender Documente, Ihnen anzuzeigen dass, was mich anbetrifft, der Instruktionsentwurf3 mir ganz klar und zweckmässig erscheint.
Ich bin persönlich kein zu eifriger Anhänger von Übertreibungen was den Schutz des Urheberrechts anbetrifft und bin überzeugt, dass solche Übertreibungen gerade das entgegengesetzte Resultat herbeiführen; da die Vorschläge der französischen Regierung und des internationalen Bureaus von einer gründlichen Revision des Vertrags von 18864 abstrahieren und sich auf den Boden einer bescheidenen Revision resp. Auslegung desselben stellen, so ist der Weg zu solchen Übertreibungen von vornherein abgeschnitten.
Da der Entwurf über die meisten Punkte den schweizerischen Abgeordneten die unentbehrliche Bewegungsfreiheit überlässt, natürlich unter Verpflichtung Ihnen zu referieren, so begnüge ich mich, Sie auf einen Punkt der Instruktion aufmerksam zu machen, nämlich die Behandlung der durchlöcherten Papierstreifen, welche ein mechanisches Klavierspielen möglich machen, als gedruckte Musikstücke d. h. als unerlaubte Nachmachung.
Ich erinnere mich der sehr grossen Anstrengung welche die Schweiz Mitte der 60er Jahre zu machen hatte, um dem Prinzipe Geltung zu verschaffen, dass die «Fabrikation und der Verkauf von Instrumenten, welche dazu dienen Musikweisen mechanisch wiederzugeben, nicht als Nachmachung zu betrachten sind». Da dieses Prinzip nur durch ein französisches inneres Gesetz bestätigt worden war, so drohte man uns noch anno 1882 mit Abschaffung dieses inneren Gesetzes, um uns zu zwingen, den französischen Schriftstellern und Musikern durch Vertrag mehr Rechte zu sichern, als die Schweizer in der Schweiz besassen. Glücklicherweise ist das Prinzip jetzt in den allgemeinen Vertrag von 1886 aufgenommen worden; die Gründe, welche man gegen die durchlöcherten Papierstreifen anführt, gehören genau zur gleichen Gedankenfamilie wie diejenigen, welche vor dem französichen Senat 1866 gegen die Musikdosen in die Linien gebracht worden sind. Bevor man die schweizerische Abordnung dahin instruiert, die durchlöcherten Papierstreifen, welche vom Pariser Gerichte als zulässig erachtet wurden, zum Tode zu verurteilen, möchte ich Sie bitten, durch das Handelsdepartement oder eine sonst kompetente Behörde Erkundigungen einziehen zu wollen über die Bedeutung dieser durchlöcherten Papiersteifen als Konkurrenz für unsere Musikdosen5; so viel ich weiss, ist eine teure Maschine unentbehrlich, um die Papierstreifen auf dem Klavier benutzen zu können; eine mir bekannte Person hat eine solche Maschine gelegentlich um 1200 Fr. gekauft, so dass der indirekte Preis der durchlöcherten Streifen durchaus nicht zu vergleichen ist mit der gedruckten Musik. Überhaupt erlaube ich mir eine Untersuchung nicht nur vom juristischen, sondern auch vom wirtschaftlichen Standpunkte aus hier zu empfehlen. Je nach dem Ergebnis der Untersuchung wäre vielleicht die Instruktion über diesen Punkt entsprechend zu modifizieren.
Ein zweiter Punkt, über den die schweizerische Abordnung speziell instruiert werden sollte und der im Entwurf nicht erwähnt ist, wäre die Frage der Errichtung in Bern einer Centralstelle für das Einschreiben aller Werke und für das Mitteilen aller Erkundigungen über Geburtsdatum und sonstige Angaben über literarische und künstlerische Erzeugnisse (Universalrepertorium derselben u. dgl. m.). Da diese Frage mit Kosten und eventuell mit Bauten etc. verbunden sein kann, so wäre eine rasche und gründliche Prüfung dieses Punktes nebst Instruktionen an die schweizerische Abordnung ganz am Platze.
Was die Bildung der schweizerischen Abordnung anbetrifft, so bin ich zu Ihrer Verfügung, wenn Sie mich bezeichnen wollen, obschon ich, wie gesagt, nicht zu den enragierten Anhängern aller Forderungen der Urheber und Verleger gehöre, in der festen Überzeugung, dass letztere mehr zu verlieren als zu gewinnen haben durch diese Übertreibungen. Marc Morel ist ein alter Freund von mir, und ich wäre recht froh, ihn neben mir zu haben, muss aber vertraulich die Frage bei Ihnen aufwerfen, ob eine Stellung als schweizerischer Abgeordneter Ihnen vereinbar erscheint mit seiner Stellung als Direktor des internationalen Bureaus. Wird es nicht die Stellung des Herrn Morel schwächen? Mit Rücksicht auf die ändern internationalen Bureaux der Post, Telegraphen, Eisenbahnen etc. und die unparteiische Stellung deren Chefs ist die Frage in ganzem Umfange und ganz abgesehn von der mir recht lieben Persönlichkeit des Herrn Morel näher zu prüfen.