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Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 1. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte des Internationalismus 1863–1914, vol. 13, doc. 15
volume linkBern 2023
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volume linkBern 1994
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Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E14#1000/39#204* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 14(-)1000/39 29 | |
Titolo dossier | Korrespondenz des Departements des Äusseren (Handelsabteilung) mit der Schweizer Gesandtschaft in Washington (1888–1895) |
dodis.ch/42434Der schweizerische Gesandte in Washington, Minister de Claparède, an den Vorsteher des Departements des Äussern, Bundesrat Droz1
[Weltausstellung in Chicago 1893 zum vierhundertsten Jahrestag der Entdeckung Amerikas]
[...]2
Was meine Ansicht über die Betheiligung der Schweiz, resp. Europa’s an dieser Ausstellung betrifft, so glaube ich, dass gegen die Bejahung dieser Frage folgende Gründe geltend gemacht werden können: 1. die grosse Entfernung unseres Vaterlandes von Amerika überhaupt, und von Chicago insbesondere, welche Stadt zirka 23 Stunden von den nächsten Häfen entfernt liegt; 2. die mit der Versendung der Waren, resp. mit der Reise der Ausstellungsbesucher verbundenen Kosten und Zeitaufwand; 3. die mit der Errichtung eines Ausstellungslokals in der theuren Stadt Chicago und mit der Unterhaltung eines Aufseherpersonals ebenfalls verbundenen Kosten; 4. die Erwägung, dass aus einer Ausstellung in einem Lande, welches durch protektionistische Politik die auswärtige Konkurrenz immer mehr ausschliesst, keine oder nur geringe direkte Vortheile gezogen werden können.
Dagegen wären zur Beschickung der Ausstellung folgende Gründe geltend zu machen:
1. Politische Gründe, die Beziehungen der ältesten Schwesterrepubliken, das Vorhandensein unserer zahlreichen, in Amerika ansässigen, mit den Interessen des Mutterlandes eng verbundenen schweizerischen Kolonien, welche nicht ohne Schmerz die Nichtbetheiligung unseres Vaterlandes an dieser Ausstellung betrachten würden.
2. Die Wahrscheinlichkeit, dass der jetzigen schutzzöllnerischen Politik eine relative freihändlerische Aera und zwar vielleicht früher folgen wird als dermalen angenommen werden kann. Die von Herrn Präsidenten Cleveland begonnene Campagne wird schon bei den nächsten Wahlen ihre Früchte tragen, und dieselbe dürfte in wenigen Jahren um so umfangreicher sein, als eine landwirtschaftliche Kalamität bereits ausgebrochen ist und sich voraussichtlich unter der Herrschaft der Schutzzölle auf industrielle Erzeugnisse noch mehr ausdehnen wird. Der Landmann, der bisher Republikaner und Schutzzöllner gewesen, wird bald eine andere Einsicht gewinnen und für den Freihandel seine Stimme abgeben.
3. Der Umstand, dass Amerika schon jetzt an Überproduktion leidet und genöthigt ist, wie dies aus der Vorgeschichte der panamerikanischen Konferenz zu ersehen, neue Märkte, insbesondere in Zentral- und Südamerika, zu gewinnen. Der industrielle Kampf zwischen Amerika und Europa um den Weltmarkt ist noch im Entstehen begriffen; mit seiner zähen Energie wird Amerika billigere Produktionsmethoden erfinden, einen Theil seiner Geldüberschüsse zur Förderung des Absatzes seiner gesteigerten Produktion verwenden, um unsere Industrien aus dem Felde zu schlagen: es gilt, für die europäische Industrie die Handelsbeziehungen mit Südamerika zu erhalten und womöglich auszudehnen. Würde Europa die Ausstellung in Chicago nicht beschicken, so würde es der amerikanischen Industrie zum Theil gelingen, europäische Konkurrenten aus dem südamerikanischen Markte zu verdrängen. Zweifelsohne würde die Beschickung einer in Rio oder Buenos-Aires stattfindenden Ausstellung für Europa bei Weitem vortheilhafter als die Theilnahme an der Weltausstellung von Chicago sein; allein in Ermanglung von Ausstellungen an solchen Plätzen gilt es die Handelsbeziehungen mit Südamerika in Chicago zu pflegen.
4. Ich glaube, dass Europa trotz der Schutzzölle noch in vielen Branchen in Amerika importfähig bleiben wird, und dass bei richtiger Anpassung der Fabrikation mit den Bestimmungen des in Arbeit befindlichen Tarifs es unsern Seiden-, Stickereifabrikanten, den Stroh- und Bonneteriefabriken und unsern Uhrenfabriken gelingen wird, einen grossen Theil unseres bisherigen Absatzes zu erhalten. Überdies, wie ich es in andern Berichten angedeutet habe, glaubt niemand hier, selbst die Republikaner nicht, an den Fortbestand der Schutzzollpolitik; bessere Tage werden folgen; die Schaffung von Handelsbeziehungen ist ein Werth de longue haleine, und das Gewonnene darf nicht mit Rücksicht auf die dermaligen Schwierigkeiten preisgegeben werden.
5. Wenngleich der Besuch der Ausstellung für Europa durch den Zeit- und Geldaufwand sehr erschwert sein wird, so glaube ich dennoch, dass der Anlass dieser Ausstellung vielen eine willkommene Gelegenheit sein wird, um das Genie dieses Landes, seine ungeheure Produktionskraft, die Vielseitigkeit und Gewandtheit des Arbeiters, die Fortschritte der machinellen Produktion kennen zu lernen: Einerseits glaube ich, dass die Transportgesellschaften wesentliche Preiserleichterungen bewilligen werden, und dass die Hin- und Rückreise für dasselbe Geld zu machen sein wird als die Reise von Paris nach Petersburg. Anderseits aber glaube ich, dass die Staaten, welche die Ausstellung beschicken werden, einen Theil ihrer Subventionen zur Ermöglichung des Besuches dieser Ausstellung von Seiten von Fachmännern (Ingenieure, Mechaniker, Arbeiter) verwenden sollten, und dass es diesen Regierungen leicht gelingen werde, mit den vielen konkurrirenden Steamerlinien überaus günstige Verträge abzuschliessen, namentlich wenn für die Hin- und Rückreise einer grösseren Gesellschaft ganze Dampfer gechartert werden sollten.
Das sind, Herr Bundesrath, meine ersten Eindrücke über diese Frage.
- 1
- CH-BAR#E14#1000/39#204*, DDS, Bd. 4, Dok. 24. Dieses Schreiben wurde vom schweizerischen Gesandten in Washington, Minister Alfred de Claparède, unterzeichnet und richtete sich an den Vorsteher des Departements des Äussern, Bundesrat Numa Droz.↩
- 2
- Für das vollständige Dokument vgl. das Faksimile dodis.ch/42434.↩
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