Tod von Kronprinz Rudolf von Österreich
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 391
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#843* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 497 | |
Dossier title | Kaiserliche Familie (1854–1895) | |
File reference archive | B.121.21.16 |
dodis.ch/42370 Der schweizerische Gesandte in Wien, A. O. Aepli, an den Vorsteher des Departements des Auswärtigen, N. Droz1
Mein Telegramm von gestern Nachmittag2, mit welchem ich Ihnen den plötzlich erfolgten Tod des Kronprinzen anzeigte, wird Ihnen ohne Zweifel zugekommen sein. Ihr Telegramm von gestern Abend3, mit welchem Sie mich beauftragen, dem k. u. k. Ministerium des Äussern im Namen des Bundesrates dessen Beileid auszudrücken, habe ich erhalten und demselben heute Folge gegeben.
Über die Ursache des plötzlichen Todes des Kronprinzen circulirten gestern zunächst die Gerüchte, der erlauchte Todte sei bei der Jagd durch Sturz vom Pferde oder durch die unglückliche Entladung eines Jagdgewehres getödtet worden. Nachher verbreitete sich die Nachricht, er sei gestern Morgen in Folge einer erhaltenen Schusswunde todt im Bette gefunden worden. Dann folgte Abends in einem Extrablatt der officiellen «Wiener Zeitung» die Mitteilung, «dass der durchlauchtigste Kronprinz in Folge eines Schlaganfalles seine edle Seele ausgehaucht habe.» Er sei, hiess es ferner, Montags den 28. mit mehrern Jagdgästen nach Meyerling, bei Baden, zur Jagd gegangen, habe sich schon am 29. etwas unwohl gefühlt, sei desshalb nicht zu einem auf diesen Tag angeordneten Familiendiner nach Wien zurückgekehrt und am 30. früh in seinem Jagdschlösschen Meyerling an einem Herzschlag gestorben. Daneben werden im Publicum noch mancherlei andere Gerüchte und Vermutungen über die wahre Todesursache herumgeboten, welche ich aber, da für deren Richtigkeit durchaus keine Gewähr vorliegt, unerwähnt lasse. Nach der officiellen u. von den hiesigen Blätter nun acceptirten Eröffnung, ist der Herzschlag als die wirkliche Todesursache anzusehen.4
Vor Allem wendet sich das Mitgefühl dem Kaiser zu, dem, nachdem er in seiner vierzigjährigen Regierungszeit so manche erschütternde Ereignisse zu erleben gehabt hat, nun auch der Schmerz nicht erspart wird, seinen einzigen Sohn, der sein Thronfolger hätte werden sollen, zu verlieren.
Diesem letztem werden, und gewiss nicht mit Unrecht, warme Nachrufe gewidmet. Was er s. Z. als Politiker u. Militär dem Staate zu leisten im Stande gewesen wäre, wird zwar gegenwärtig, da er noch keine hervorragende Gelegenheit gefunden hatte, sich weder auf dem einen, noch auf dem ändern Gebiete hervorzutun, nicht gesagt werden können. Dagegen erlangten seine intellectuellen Eigenschaften, seine allgemeine Bildung, die sich in der Ornithologie bis zur Gelehrsamkeit steigerte, seine schriftstellerische Befähigung, die er in seiner Schrift «fünfzehn Tage auf der Donau», in seiner «Orientreise» u. in seiner eingreifenden Beteiligung bei dem grossen Werke «die oesterreichische Monarchie in Wort und Bild» an den Tag legte, seine persönliche Liebenswürdigkeit, seine liberale Gesinnung, an die sich grosse Hoffnungen knüpften, allgemeine Anerkennung.
Seit seinem Tode ist der ältere Bruder des Kaisers, Erzherzog Karl Ludwig, Thronfolger geworden, nach dessen Ableben die Krone auf seinen ältesten Sohn Franz Ferdinand übergehen wird.
- 1
- Bericht: E 2/843.↩
- 2
- Aepli hatte am 30.1.1889 dem Departement des Auswärtigen gemeldet: Kronprinz Rudolf, einziger Sohn des Kaisers, in Folge Jagdunfall todt. Grosse Bestürzung (E 2/843).↩
- 3
- E 2200 Wien 1/109. – Am31. 1.1889 kondolierte der Bundesrat dem Kaiser auch direkt per Telegramm (E 2/843).↩
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