Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. WIRTSCHAFTS-, HANDELS- UND WÄHRUNGSPOLITIK
1. Bilaterale Verhandlungen
1.2. Der Handelsvertrag mit Deutschland
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 384
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#91* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 49 | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 8 (1888–1888) |
dodis.ch/42363
Bevor wir unsere Correspondenz betreffend Handelsvertrag vor der Hand wieder abschliessen, möchte ich Ihnen zu Ihrer Information noch folgende vertrauliche Mittheilungen machen.
1. Es dürfte Ihnen vielleicht aufgefallen sein, dass unsere Berichte über die Schlussverhandlungen stets von der Hand des Herrn Cramer-Frey geschrieben waren.
Ich habe, diesen formellen Punkt anbelangend, zu bemerken, dass, als ich sofort nach der ersten Conferenzsitzung mich meinen Herren Collegen gegenüber dahin ausgesprochen hatte, ich beabsichtige den Bericht für Bern an der Hand meiner ausführlichen Notizen noch am gleichen Abend in Arbeit zu nehmen, Herr Cramer-Frey mir den Vorschlag machte, dass die Berichterstattung ihm, der in Folge der Verhandlungen in Wien mit allen Details der Tariffragen ganz vertraut sei, überlassen werden möchte, in der Meinung, dass wir selbstredend uns vorher über den Inhalt des Berichts und über die Antragstellung etc. einigen.
Dieser Vorschlag trug so prononciert das Gepräge eines bestimmten Wunsches, dass ich mich demselben ohne Weiteres fügen zu müssen glaubte, und so kam es, dass dann Herr Cramer-Frey auch in der Folge die für Sie bestimmten Berichte abfasste.
Ich erwähne dies, um Sie darüber nicht im Zweifel zu lassen, dass die Initiative für diesen modus procedendi nicht von mir ausging, und dass es keineswegs Bequemlichkeitsgründe, sondern ausschliesslich Collegialitäts-Rücksichten waren, welche mich bestimmten, dem Vorschlag des Herrn Cramer-Frey beizupflichten.
2. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie darüber erstaunt gewesen wären, dass, nachdem ich mich früher, und auch noch im Herbst in Bern2, so pessimistisch über die Chancen der Schlussunterhandlungen ausgesprochen, wir hiebei ein relativ so günstiges Ergebniss erzielt haben.
Sie erinnern sich vielleicht aber, dass ich mich Ihnen gegenüber beiläufig auch dahin vernehmen liess, es wäre immerhin möglich, dass der Reichskanzler, nach den unliebsamen Differenzen von diesem Frühjahr3, sich aus allgemeinen politischen Gründen schliesslich doch noch etwas nachgiebig zeige, und dass ich beabsichtige, an massgebender Stelle gelegentlich vertraulich zu betonen, wie wünschenswerth es wäre, dass dieses Motiv Berücksichtigung finde.
Letzteres habe ich denn auch gethan, und ich bin heute in der Lage, gestützt auf Mittheilungen aus zuverlässigster Quelle ganz vertraulich zu berichten, dass in der That dieses allgemeine politische Motiv gegen den Schluss unserer Unterhandlungen ausschlaggebend gewirkt hat.
Meine Collegen werden Ihnen bezeugen, dass in den ersten Conferenzsitzungen die deutschen Commissarien sehr wenig Entgegenkommen zeigten. Sie haben im Weitern aus unserem Berichte4 über die Sitzung, welche der Reise des Herrn von Boetticher nach Friedrichsruhe voranging, ersehen können, dass wir, Herr Cramer-Frey und ich, also noch unmittelbar vor Thorschluss die Situation zum Mindesten als sehr ungewiss auffassten und zwar gestützt auf verschiedene wenig ermuthigende Aeusserungen des Herrn von Boetticher.
Letzterer brachte dann aber bekanntlich in wenigen Tagen das bedingungslose Jawort von Friedrichsruhe zurück, und dieses Jawort hatte er erreicht gestützt auf einen mündlichen^ortrag, ohne dass der Reichskanzler auch nur einen Blick in die betreffende Vorlage gethan und ohne dass er seinerseits eine einzige Tarifposition zur Sprache gebracht hätte. «Ich will einen Vertrag mit der Schweiz» habe er Herrn von Boetticher kurz erwidert, und soll er unter Anderem deutlich zu erkennen gegeben haben, dass ihn hiebei allgemeine Gründe politischer Natur leiten.
Sie können sich auf die Authenticität dieser Mittheilungen unbedingt verlassen. Meine Quellen sind, wie oben erwähnt, absolut zuverlässig. Zudem haben Gegenproben, welche ich neulich noch auf mehr indirektem Wege gemacht habe, die mir direkt ertheilte Auskunft vollauf bestätigt.
Ich setze Werth darauf, Ihnen gegenüber, auch diesen Punkt der Unterhandlungen betreffend, die Sachlage klar zu stellen.