Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. WIRTSCHAFTS-, HANDELS- UND WÄHRUNGSPOLITIK
1. Bilaterale Verhandlungen
1.2. Der Handelsvertrag mit Deutschland
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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 3, doc. 378
volume linkBern 1986
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E13#1000/38#54* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 13(-)1000/38 11 | |
Titre du dossier | Zusatzvertrag vom 11.11.1888 [AS, 10, 825] zum Handelsvertrag vom 23.05.1881 T. 3 Korrespondenz des Handels- und Landwirtschaftsdepartements mit der Schweizer Gesandtschaft in Berlin und dem Nationalrat Cramer-Frey in Zürich; Übersichten über die Forderungen der Schweiz betr. die Vertragsrevision; Anträge der Departemente an den Bundesrat; Bundesratsbeschlüsse; Akten der Bundesversammlung und Bundesbeschluss (19.12.1888) betr. Genehmigung des mit Deutschland vereinbarten Zusatzvertrages sowie des Handelsvertrages mit Österreich-Ungarn vom 23.11.1888 (1888–1889) |
dodis.ch/42357
Da ich schon vier Wochen von meinen Geschäften abwesend bin und sich die übernommene Handelsvertragsmission etwas in die Länge zieht, ist es unerlässlich, dass ich für 2 à 3 Tage nach Hause zurückkehre. Es lässt sich diess zweifelsohne nach der morndrigen entscheidenden Sitzung2 ohne jegliche grössere Inconvenienzen machen und hoffe ich, dass Sie mir desshalb nicht zürnen. Selbstredend werde ich auch zu Hause über den Gang der Unterhandlungen vollste Diskretion wahren. Sowie der Entscheid des Reichskanzlers3 eingetroffen sein wird, werde ich wieder in Berlin zurück sein und bin dann selbstredend auch wieder zu sofortiger Abreise von hier nach Wien bereit.
Sie gestatten mir wohl noch einige allgemeine Bemerkungen.
Der Vertrag mit Ostreich darf meiner Ansicht nach als recht befriedigend bezeichnet werden. Die grössten schweizer Industrien, B/awra/wolle, Stickerei, Seide, Maschinen, Uhren bekommen z.Th. recht wirksame Conzessionen; die Landwirtschaft muss allerdings die hohen Viehzölle opfern, gewinnt aber Käse – und die Conzessionen auf ufnsern] Gewerbepositionen sind mässig. Die jüngste Auflehnung des Kaufm. Direktoriums in St. Gallen betreff reduzfirten] Zoll [auf feinen Geweben für Stickerei billige ich nicht. Da eben eine andere schweizer Industrie, die B[aumJWollspinnerei & B/aam/wollweberei ein gegentheiliges Interesse hat, und den Begehren der Stickerei sonst voll entsprochen worden ist. Die Stickerei wird wahrscheinlich bei Österreich, Deutschlandund Italien profitiren. Die Verhandlungen in Wien haben wir recht zäh geführt und so lange, bis wir wirklich einsehen mussten, dass ein Mehreres absolut nicht zu erreichen sei.
Wesentlich ungünstiger sieht es gegenüber Deutschlandaus. Von Werth sind zwar so zu sagen alle Bindungen und Tarif-Conzessionen welche uns zugestanden worden, aber es ist immerhin wenig. Anderseits sind die von uns zugestandenen Conzessionen, welche wir nicht Ostreich schon zugegeben haben, auch nicht gross. Viel besser resp. wirksamer wäre jedenfalls gewesen statt eine Revision des Vertrages zu beantragen, denselben zu künden. Herr GeheimRath Huber behauptet fortwährend, er könne unmöglich dem Reichskanzler einen Vertragsentwurf präsentiren, in welchem die Werthe der Conzessionen sich nicht ungefähr die Wage halten; daher gestern u[nser Vorschlag4 an Sie, noch für etwa 10 à 15 Millionen Bindungen in u[nserm Tarif zuzugestehen.
Ich denke, Herr B[undes]rath Hammer wird hierein, auch trotzdem ihm die Wahl völlig überlassen bleibt, nur ungern einwilligen, aber weit schlimmer wäre doch, wenn diess dann zur Folge hätte, dass wir einen Theil der Bindungen des deutschen Tarifs wieder zurückgeben müssten. Dass die Sache formell in der That etwas ungleich aussieht, können Sie aus inliegender Liste5 ersehen, die ich gestern mit Herrn Huber, theils nach deutscher, theils nach schweizerischer Statistik & nach eigener Appreciation zusammengestellt habe. Ich mache zwar immer geltend, dass ein so formaler Vergleich der Werthsummen unstatthaft sei, da u[nsere Bindungen & Conzessionen einen relativ weit grössern innern Werth besitzen & Deutschland eben durch die blosse Meistbegünstigung sich für eine grosse Reihe der wichtigsten Artikel das Absatzgebiet in der Schweiz sichert. Deutschland ist auch an u/nsez-m/Abschluss mit Österreich sehr interessirt, da die österr. & Schweiz. Conzessionen ihm zu gute kommen.
Sie wissen, hochgeehrter Herr Bundesrath, dass das Gewerbe & z. Th.6 wohl auch die Agrarier in der Schweiz jeden Vertrag mit Deutschland bekämpfen werden; ein grosser Theil der Industrie wird denselben sehr kühl aufnehmen. Dennoch ist wohl nicht zu leugnen, dass der gegenwärtige Zustand etwas verbessert wird; auch ist es, was bei Deutschland ziemlich schwer in’s Gewicht fällt, doch wieder ein Schritt weg von den unabänderlichen autonomen Tarifen zu Handelsverträgen.
Über den Stand der Dinge mit Italiensind wir schon länger gar nicht mehr unterrichtet. Wir haben uns mit den schweizer Industriellen in Verbindung gesetzt um bei B/öwm/wolle & Maschinen etc. mehr spezialisiren zu können – Produkte, welche Frankreich weniger beschlagen. Da die Spinner & Weber stets den Zollkrieg mit Italien predigen und Ellenasehr hartnäkig ist, wird das nicht so glatt abgehen.
Sie wissen, dass wir einige Artikel, die Italien besonders interessiren, Eier, Charcuterie, Geflügel, unter der Hand Ostreich zugegeben haben; es sollten daher meiner Ansicht nach die Verhandlungen mit Italien auch in Bälde wieder aufgenommen werden, zu einer Zeit nämlich, da wir betreff obgenannter Artikel, sowie für Vieh noch etwas zu ‹verkaufen› haben.
- 1
- Bericht: E 13 (B)/155.↩
- 2
- Die Handelsvertragsdelegation in Berlin berichtete mit Schreiben an Droz vom 2.11.1888: [...] Wir schlagen Ihnen vor, es solle unsererseits auf weitere Ermässigung des Stickereizolles verzichtet & dagegen an der Reduktion des Ansatzes auf Seidenwaaren vom M 800 auf M 600, eventuell mit Ausschluss der Jacquardgewebe, festgehalten werden. Deutschland würde seinerseits auf weitere Ermässigung des Chemie- & Portland-Cementzolles verzichten & blos an F 60 für baumwollene Kleidungsstücke & Seidenwäsche festhalten (E 13 (B)/155).↩
- 3
- Die Handelsvertragsdelegation in Berlin berichtete mit Schreiben an Droz vom 8. 11.1888: Nachdem gestern Abend Herr Staatsminister von Bötticher zurückgekehrt war, wurde auf heute Mittag zu einer Konferenz eingeladen. Herr von Bötticher gab zu Beginn derselben sofort Kenntniss von den Entschliessungen des Fürsten von Bismark, die dahin giengen, dass die noch pendente schweizerische Forderung der Reduktion des Zolles auf Ganzseidenwaaren – ohne Unterschied ob façonnirt oder nicht – auf 600 M, anderseits die schweizerische Offerte der Ermässigung des Schweiz. Zolles auf baumwollene Kleidungsstücke auf 60 fr acceptirt worden sei. Auch mit allen übrigen vereinbarten Abmachungen gehe der Reichskanzler einig. [...](E 13 (B)/155).↩
- 4
- Nicht abgedruckt.↩
- 5
- Nicht abgedruckt.↩
- 6
- zum Theil.↩
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