Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
VI. EISENBAHNEN
2. Der Bau der Simplonbahn
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 343
volume linkBern 1986
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E53#1000/893#16036* | |
Old classification | CH-BAR E 53(-)1000/893 1058 | |
Dossier title | T. 1: Verhandlungen mit Italien; Korrespondenz der Schweizer Gesandtschaft in Rom, der Eisenbahngesellschaft Suisse Occidentale et Simplon, des Bundesrates; Abhaltung einer technischen Konferenz in Domodossola im September 1887 durch die Schweiz und Italien; Situationsplan und Längenprofil (1887–1888) |
dodis.ch/42322 Der schweizerische Gesandte in Rom, S. Bavier, an den Bundespräsidenten und Vorsteher des Politischen Departements, N. Droz1
Nachdem ich Ihnen gestern über die Simplonbahn geschrieben,2 erhielt ich heute Ihre vertraulichen Zeilen vom 18.3, auf welche ich mich beeile zu antworten.
Ich bestätige den Inhalt meines Schreibens vom 19. und füge confidentiel noch etwas Näheres über meine mit Herrn Depretis gepflogene Unterhaltung bei. Er sagte mir, dass er vom Zustandekommen des Simplon überzeugt sei und liess durchblicken, dass die Zufahrtslinie von Italien erstellt werde. Ich wollte diess in meinem offiziellen Briefe nicht ausdrücklich sagen, da ich von Herrn Depretis hiezu nicht autorisirt worden war. Wir unterhielten uns über den Bau dieser Zufahrtslinie einlässlich und ich bemerkte zu ihm wie die Bergbahnen überall ihren Nuzen nicht sowohl auf dem von ihnen durchlaufenen Localrayon, als vielmehr auf die dahinter liegenden Bahnstrekken ausüben und dass sich diess natürlich auch bei den italiänischen Bahnen fühlbar machen werde.
Er gab es zu und wir erwähnten verschiedene Beispiele welche den Beweis dafür liefern. Im Verlaufe des Gespräches äusserte er sich über die Lage und die Verkehrszone des Simplon und bemerkte beiläufig er kenne diesen Berg recht gut und habe ihn schon zweimal zu Fuss zurückgelegt. In Bezug auf unser Begehren sagte er mir, man müsse ihm Zeit lassen die Sache zu studiren, vorerst überweise er sie nun dem Bauminister. Gegenwärtig seien übrigens dringliche Finanz- und Eisenbahngeschäfte anhängig und er könne mir unmöglich sagen bis wann er im Stande sein werde mir eine Antwort zu ertheilen, die er sobald thunlich mir geben werde.
Meine persönliche Ansicht geht dahin: dass keine Rede davon sein kann schon vor Eintrit des Sommers einen Entscheid zu erhalten oder zu veranlassen, dass das Tracé an Ort und Stelle durch italiänische Ingenieure untersucht werde. Dagegen halte ich es nicht für unmöglich eine solche im Spätherbst oder Winter zu erlangen und glaube auch, dass man uns schliesslich die Erstellung der Zufahrtslinie zusichern wird.
Freilich wird dabei die Tunnelausmündung zur Sprache kommen; indessen halte ich diese Frage denn doch nicht als eine conditio sine qua non von Seite Italiens.
Staatesubsidien wird man sehr schwerlich verabfolgen und ich weiss, dass der Finanzminister sich absolut ablehnend gegenüber dem hierauf bezüglichen Begehren verhält. Dagegen ist sowohl Hr. Depretis, als auch der Bauminister, der Ansicht, dass Mailand und vielleicht auch andere Städte sich finanziell betheiligen werden.
Nach meinem Dafürhalten wäre es unklug auf einen sofortigen Entscheid zu dringen. Es würde diess eine ablehnende Antwort zur Folge haben; denn man ist hier gewohnt alle Traktanden und namentlich solche dieser Natur sehr umständlich zu behandeln. So habe ich in lezter Zeit fast ein Jahr gebraucht, um einen Entschluss Italiens in Bezug auf Verwendung des «Baufondrestes» der Gotthardbahn zu erlangen. Auch weiss ich, aus vieljähriger eigener Erfahrung, welche Geduld es bei diesen Alpenbahnverhandlungen braucht!
Wie ich schon zu schreiben die Ehre hatte, werde ich von Zeit zu Zeit die Sache anregen und nichts versäumen, um sie zu fördern. Aber wenn wir die Zustimmung Italiens auf den Winter erlangen können, so dürfen wir damit zufrieden sein.
Mein heutiges Schreiben, betreffend Simplonbahn, ergänzend, will ich nicht unterlassen noch beizufügen, dass ich beabsichtige nächster Tage den neuen Bauminister Saracco zu besuchen und ihm vorzuschlagen, wenigstens eine Untersuchung des Projektes durch italiänische Ingénieure, im Verein mit den schweizerischen, diesen Sommer vornehmen zu lassen. Obschon ich daran zweifle, dass er sofort darauf eingehe, will ich doch diesen Punkt, auf welchen ich bei Herrn Depretis nicht eingetreten war, zur Sprache bringen und überhaupt mich bei dem Bauminister kräftig dafür verwenden, dass man unserem Gesuche baldigst entspreche. Nächste Woche werde ich Ihnen dann über das Resultat meiner Schritte neuerdings berichten.