Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. WIRTSCHAFTS-, HANDELS- UND WÄHRUNGSPOLITIK
1. Bilaterale Verhandlungen
1.5. Der Handelsvertrag mit Japan
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 229
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E13#1000/38#219* | |
Old classification | CH-BAR E 13(-)1000/38 50 | |
Dossier title | Korrespondenz des Handels- und Landwirtschaftsdepartements; Notizen; Anträge des politischen Departements an den Bundesrat; Briefe des Schweizer Generalkonsulats in Yokohama sowie der japanischen Botschaft in Bern an den Bundespräsidenten; Bundesratsbeschlüsse; Vertrags- und Tarifentwürfe (1883–1887) |
dodis.ch/42208
In Ihrer geehrten Zuschrift vom 2.d.M.3 geben Sie uns Mittheilungen über den
gegenwärtigen Stand der Handelsvertragsunterhandlungen mit Japan, und ersuchen
uns um allfällige Bemerkungen zu dieser Angelegenheit. Indem wir Ihnen, hochgeehrter Herr Bundesrath, die gefl. Kenntnissgabe der bezüglichen Anfrage ergebenst
verdanken, gestatten wir uns Ihrem Ansuchen, soweit es uns möglich, und gestützt
auf den Inhalt des Schreibens des Schweiz. Generalkonsuls in Jokohama4, nachzukommen.
Wie wir vernehmen, war es unserem Generalkonsul in Folge von Abwesenheit
nicht möglich, persönlich an den bisherigen Conferenzverhandlungen betr. die Revision der japanischen Handels- und Freundschaftsverträge Theil zu nehmen. Wir
bedauern dies, weil wir uns nach Prüfung der verschiedenen Punkte dem Eindrücke
nicht ganz verschliessen können, dass eine unmittelbare persönliche Vertretung vielleicht doch etwas mehr Nachdruck auf die spezifisch schweizerischen Interessen zu
legen vermocht hätte, als es die Coalition der übrigen Delegirten von ihren Gesichtspunkten aus zu thun sich veranlasst sehen konnte. Immerhin hoffen wir, dass es den
Bemühungen des Vertreters unseres Landes5 noch gelingen werde, bei den definitiven Verhandlungen wenigstens in etwelchem Masse das Ergebniss der bisherigen Conferenzen umzugestalten, welches er selbst als ein für die Schweiz höchst ungünstiges bezeichnet.
Zu der Revision des Zolltarifs vom 25. Juni 18666 übergehend, glauben wir uns nicht verhehlen zu sollen, dass an Japan gewisse Zugeständnisse gemacht werden müssen. Man würde sich somit nicht allzu sehr beklagen dürfen, wenn die von den Delegirten der fremden Mächte übereinstimmend proponirten Ansätze7 Annahme finden würden, denn sie enthalten doch eine ganz bedeutende Reduktion der japanesischerseits gestellten Begehren. Was allerdings die Ansätze betrifft, welche für die unseren Export vorzüglich bildenden Artikel vorgeschlagen sind, so scheint es uns auf den ersten Blick wie gesagt, als ob sie der Ausdruck von Concessionen wären, welche die fremden Mächte zu Gunsten der Waaren ihrer Provenienz der japanesischen Regierung gemacht haben.
Mit Bezug auf die einzelnen Positionen erlauben wir uns einige wenige Bemerkungen, indem wir die Nummerirung des Gegenprojekts zu Grunde legen:
No 77. Taffachelass wurde in frühem Jahren massenhaft aus der Schweiz nach Japan ausgeführt, allein der jährliche Export ist von 2–300,000 Stük auf etwa 20,000 hinuntergegangen. Der gegenwärtige Zoll von 5% bewirkt bei der rasch steigenden einheimischen Produktion jetzt schon beinahe einen Ausschluss vom japanesischen Markte, so dass eine Erhöhung des Zolles auf 10% unsern Export kaum mehr empfindlich treffen wird.
Bei No 79. Rouge d’Adrianople, batistes et tissus teints und bedruckt ist England z.B. weit mehr interessirt als die Schweiz.
No 150. Anilinfarben. Hier stehen die Interessen Deutschlands und Englands ebenso sehr auf dem Spiel wie diejenigen der Schweiz. Der Ansatz von 10% erscheint nicht übermässig hoch.
No 382. Tissus de soie de toute sorte, en soie pure ou mélangé. Die hier in Betracht fallenden halbseidenen Gewebe, Satins mi-soie, sind mit 15% etwas stark belastet, aber man sagt uns, dass Japan eben grundsätzlich darauf bestehe Luxusartikel höher als andere zu besteuern. Aus diesem Grunde scheinen auch:
No 429. Montres ou pièces d’horlogerie fine, en or, welche vorzugsweise die Schweiz einführt, mit 20% verhältnissmässig höher taxirt als
No 429 (?) Montres et pièces d’horlogerie en métal ordinaire, argent ou argent doré, welche nur 10% Zoll bezahlen. Wenngleich namentlich Nordamerika diese ordinären Uhren in Japan importirt, so schickt es doch in nicht unbeträchtlichem Masse auch feinere.
Dem hohen Ansätze von 20% auf:
No 431. Absinthe, Bitters, Kirsch ect. darf wohl kaum ein Widerstand entgegengesetzt werden, da der schweizerische Export nach Japan in diesen Artikeln ein geringer ist, und wieder z. B. England mit Brandy u.s.w. weit mehr an der betr. Position interessirt ist.
Ob jetzt noch Bemühungen schweizerischerseits um Reduktionen einzelner
Ansätze von Erfolg sein möchten, nachdem die Conferenz der fremden Mächte ihr
Gegenprojekt ausgearbeitet hat, wird wohl davon abhängen, wie sich die ändern
Regierungen zu dem von ihren Vertretern vorgelegten Elaborate stellen werden.
In seinem Schreiben berührt der Schweiz. Generalkonsul als weitere Punkte, die
mit der Revision des Handels- und Freundschaftsvertrags von 18648 im Zusammenhänge stehen, die Bestimmungen über die Jurisdiktionsbefugnissund das Reiserecht
des Generalkonsuls im Innern des Landes. Nach den anlässlich der Revision getroffenen Vereinbarungen sollen nun:
1. die kaufmännischen Consuln keine Jurisdiktion mehr ausüben;
2. die kaufmännischen Consuln gegenüber den ändern Kaufleuten mit Bezug auf
das Reiserecht im Innern des Landes kein Vorrecht mehr geniessen.
ad 2. Was den letztem Punkt anbelangt, so findet der Schweiz. Generalkonsul
diese Bestimmung nicht vereinbar mit einer ändern, nach welcher «les fonctionnaires
des Consulats (all regular official members) au Japon» das freie Circulationsrecht im
Innern zugesichert erhalten. Es ist zu bedauern, dass es unserem Vertreter nicht
gelungen ist durch Anfrage an Ort und Stelle bei den Mitgliedern der Conferenz die
von ihm angedeuteten Zweifel und Incongruenzen zu lösen. Der Sinn ist wohl der,
dass man eben keine Handelskonsuln mehr im Innern reisen lassen will, gestützt auf
Erfahrungen, dass vom Einen oder Ändern dieser Herren zum Zwecke privater Handelsgeschäfte mit dem Privileg Missbrauch getrieben worden ist. Da, was die Schweiz
anlangt, auch nach dem bestehenden Vertrag nur der diplomatische Agent und der
Generalkonsul dieses Privileg innehatten, so wird dem Wegfall desselben nicht eine
grosse Bedeutung beizulegen sein.
ad 1. Ein empfindlicherer Schlag für die Schweiz und andere kleine Mächte wäre
dagegen die Aufhebung der Jurisdiktionsbefugnisse der kaufmännischen Konsuln,
da die Unterstellung der Schweiz. Angehörigen unter japanesische Gerichtsbarkeit
für eine längere Periode noch von vornherein als absolut unzuträglich bezeichnet
werden muss.
Es darf als ziemlich sicher vorausgesetzt werden, dass bei den meisten Mächten
vorderhand bezüglich der Ablehnung der japanesischen Gerichtsbarkeit nur eine
Meinung herrscht. Andrerseits besteht jedoch das Faktum, dass namentlich die
Grossmächte, welche bevollmächtigte Minister und Berufsconsuln in Japan haben,
durchaus damit einverstanden sind, dass die Hände/sconsuln keine Jurisdiktion ausüben sollen.
Der Schweiz bleibt damit unseres Erachtens wohl bloss folgende Alternative:
a. Entweder ein Berufsconsulat zu kreiren, welches durch einen keine Handelsgeschäfte betreibenden juristisch gebildeten Mann zu besetzten wäre. Liesse sich freilich nun auch denken, dass sich für kürzere Zeit jüngere Juristen unter theilweiser
Aufwendung eigener Mittel zur Übernahme eines solchen Postens bereit fänden,
ohne dass die Eidgenossenschaft finanziell stark beansprucht würde – so dürfte wohl
der hohe Bundesrath aus noch ändern Gründen schwerlich geneigt sein, das Institut
der Berufsconsuln im Allgemeinen und für Japan im Speziellen, anzuregen.
b. Oder ihre Landesangehörigen wie verschiedene kleinere Staaten unter den
Schutz anderer Mächte zu stellen. Es stehen z. B. Dänemark und Schweden u. Nor
wegen unter holländischem Schutze. Allerdings würden wir diesen Ausweg nur in
letzter Linie betreten und erlauben uns desshalb die Anregung, ob nicht der hohe
Bundesrath im gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen sich mit den kleinern
Vertragsstaaten: Portugal, Dänemark, Schweden und Norwegen, zu dem Zwecke in
Verbindung setzen könnte, dass sie bei den weitern Verhandlungen mit der Schweiz
gemeinsam für Beibehaltung der Jurisdiktionsbefugnisse der kaufmännischen Consuln eintreten würden. Ein Urtheil über die Zweckmässigkeit eines solchen Schrittes
massen wir uns allerdings nicht an.
Eventuell würde sich unser Bemühen einstweilen darauf zu beschränken haben,
die Verhandlungen, so weit es in unserer Macht liegt, möglichst in die Länge zu ziehen.
Was zum Schlüsse die Vertragsdauer anlangt, so wird sie sich am besten nach der
Gunst oder Ungunst des neuen Vertrages richten. Da in Europa sonst 10 Jahre gebräuchlich sind, so möchte diese Dauer auch im vorliegenden Falle nicht sehr anfechtbar sein. Die Schweiz wird wohl gegen die Annahme derjenigen Dauer nicht opponiren, welche den übrigen Mächten genehm sein wird.
Dieses sind, hochgeehrter Herr Bundesrath, die Bemerkungen, die wir auf Grund eingegangener Erkundigungen zu machen uns erlauben.
Wir bekennen uns bei diesem Anlasse zum Empfange Ihres geehrten confidentiellen Schreibens vom 5. d. M.9 – betr. die Revision des franz.-türkischen Conventionaltarifs und werden Ihrem darin ausgesprochenen Wunsche binnen Kurzem nachzukommen in der Lage sein.10
- 1
- Unterzeichnet: C. Cramer-Frey, Präsident; Alfred Frey, Sekretär.↩
- 2
- Bericht: E 13 (B)/202.↩
- 3
- Nicht ermittelt.↩
- 5
- Vgl. Nr. 262, Annex.↩
- 6
- Vgl. The Tariff Convention, signed on the 25th June 1866, by the Representatives of England, America, France, Holland and Japan, also The Bonded Warehouse Regulations, and rates of charges. Yokohama, Japan (E 13 (B)/197).↩
- 7
- Vgl. die Beilage zu Protokoll Nr. 10 vom 11. 5.1882: Projet de tarif. Contre-projet des délégués étrangers (E 2200 Tokio 1).↩
- 8
- AS 1863-1866, VIII, S. 683-709.↩
- 9
- E 13 (B)/270).↩
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