Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
IV. NIEDERLASSUNGS- UND ASYLPOLITIK
2. Die schweizerische Asylrechtspraxis
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 185
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#87* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 47 | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 4 (1881–1884) |
dodis.ch/42164
Ich beehre mich, Ihnen in der Anlage den Bericht der National-Zeitung (Nr. 161. 5. April 1881)2 über die gestrige Reichstagssitzung zu übermitteln. Über die Vorgeschichte des Windhorst’schen Antrags3 ist mir von gutunterrichteter Seite noch mitgetheilt worden, die Linke sei anfänglich eher geneigt gewesen, gegen den Antrag zu stimmen, es sei ihr dann aber insinuirt worden, der Kronprinz setze sehr grossen Werth auf die Mitwirkung der liberalen Elemente des Reichstages und da die Linke wünsche, mit dem Kronprinz gut zu stehen, habe man sich entschlossen, jede Opposition aufzugeben. Auch die Perspective der Wahlen dürfte mitgewirkt haben. Dem Reichskanzler, meint man, liege die Haltung der Sezessionisten und des Fortschrittes nicht ganz recht; er hätte offenbar vorgezogen, diese Fraktionen in der Opposition zu sehen, um ihnen bei den Wahlen mit dem odium dieser Opposition recht wirksam entgegentreten zu können.
Dass ich in meinem gestrigen Telegram4 der bezüglichen Erklärung der Fraktion der Polen nicht erwähnte, wollen Sie gefälligst einem Versehen zuschreiben.
Da die Regierung sich gar nicht vernehmen liess, ist man betreffend die Verwerthung des Reichstagsbeschlusses immer noch lediglich auf Vermuthungen angewiesen. Meine Collegen wissen hierüber ebenfalls nichts.
Es wird indessen da und dort die Meinung vertreten, die deutsche Regierung werde nicht die Initiative ergreifen, sondern abwarten, dass Russland seine Mitwirkung nachsuche, was zweifelsohne entweder schon geschehen oder doch in der allernächsten Zeit erfolgen wird. Und was dann? Die Vermuthung liegt nicht ferne, dass man etwa die Form von Interpretationserklärungen betreffend die Auslieferungsverträge wählen dürfte. Daran, dass in Bälde irgend etwas geschehen wird, zweifelt man nicht mehr. Dem Fürsten Bismark ist nach der Ansicht der Politiker durch den Reichstagsbeschluss ein willkommener Anlass gegeben, Frankreich in erster Linie in Verlegenheit zu bringen. Entweder lehnt die franz. Regierung ab und entfremdet sich dadurch Russland oder aber sie macht mit und dann ist sie, bezw. Gambetta im Innern compromitirt. Einstweilen glaubt man entschieden an die erste Alternative. Auch von England erwartet man, dass es sich nicht international binden werde.
Gegen uns dauert die Hetze immer noch fort. Die absurdesten Sensationslügen von 1870 her werden wieder aufgefrischt, um Stimmung zu machen. Auch in liberalen Kreisen heisst es, so könne es in der Schweiz nicht weiter gehen und dergl. mehr.
Dass Rumänien mit so viel empressement vorgeht und noch in aller Eile ein Fremdengesetz erlassen will, ist, wie mir aus gut unterrichteter Quelle gemeldet worden, dem Einflüsse hiessiger Diplomaten zuzuschreiben und hängt eng zusammen mit dem Bestreben der rumänischen Regierung, hiedurch die Anerkennung des Königreiches möglichst rasch und glatt zu erlangen.
Ich lege ein specimen der oben erwähnten Press-Hetze bei. (Das Kleine Journal Nr. 93. 4. April 1881.)5 Auch die «Post» argumentirte gestern ähnlich. Ebenso wüthete die N[ord]D[eutsche Allgem/eme/ Zeitung, namentlich gegen England.
- 1
- Bericht: E 2300 Berlin 4.↩
- 2
- Nicht abgedruckt.↩
- 3
- Der Antrag Windthorst lautete wie folgt: Der Reichstag wolle beschliessen: den Reichskanzler zu ersuchen, auf eine Vereinbarung mit den Regierungen anderer Staaten hinzuwirken, wodurch jeder solcher Vereinbarung beitretende Staat sich verpflichtet, (a) den Mord oder den Versuch des Mordes, welche an dem Oberhaupt eines der Vertragsstaaten verübt worden sind, (b)die zwischen Mehreren getroffene Verabredung des unter a bezeichneten Verbrechens, auch wenn es zum Beginn dieses Verbrechens nicht gekommen ist, (c) die öffentliche Aufforderung zu dem unter a bezeichneten Verbrechen, sowohl gegen seine eigenen Angehörigen, als auch gegen die in seinem Gebiete sich aufhaltenden Fremden mit Strafe zu bedrohen, (d) einen in seinem Gebiete sich aufhaltenden Ausländer, welcher das unter a bezeichnete Verbrechen begangen hat, auf Ansuchen der Regierung des Staats, in welchem das Verbrechen verübt worden, an letzteren auszuliefern (E 2300Berlin 4).↩
- 4
- Nicht abgedruckt.↩
- 5
- Nicht ab gedruckt.↩
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