Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.12 FRANCE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 42
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#705* | |
Dossier title | Paris, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 19 (1866–1866) |
dodis.ch/41575
Im Sinn Ihres Auftrages vom 20sten d. M.2 begab ich mich gestern auf das Ministerium des Äussern, um bei der Division des affaires commerciales Erkundigungen einzuziehen darüber, was von der französisch. Regierung bezüglich der von Ihnen erwähnten Dekrete3 der Regierung v. Italien bisher geschehen sei. Da Hr. Herbet für einige Wochen Urlaub erhalten hat, so wandte ich mich an seine beiden Stellvertreter Jägerschmidt u. Meurand. Sie erklärten mir, dass ihnen weder durch die französisch. Consulate in Italien, noch durch Reklamationen des Handelsstandes von diesen Dekreten irgend etwas zur Kenntniss gekommen sey. Sie nahmen von meinen Mittheilungen Notiz u. bemerkten mir, sie werden in Florenz u. Genua hierüber Nachfrage halten. Ich ersuchte sie, dabei nicht zu erwähnen, dass Ihnen die erste Kunde durch mich zugekommen sey, u. mir seiner Zeit zu berichten, was das Ergebniss ihrer Nachforschungen seyn werde. Sie dürfen indessen, fügte ich bei, die Thatsache als wichtig ansehen, indem unser Vertreter in Florenz die bezüglichen Dekrete nach Bern eingesandt habe.
Herr Meurand u. Hr. Jägerschmidt erklärten mir, wenn die Zollerhöhungen Artikel beschlage, welche im Tarif conventionnel speziell genannt seyen, so werde die französische Regierung dagegen reclamiren. Sey diess aber nicht der Fall, sondern beziehen sich die Erhöhungen auf Artikel, welche im Tarif zum Handelsvertrag nicht erwähnt seyen, so sey Italien nach Art. 28 des Vertrags, der gleichlautend sey im italienisch-französisch, wie im französisch-schweizerisch. Vertrag, hiezu befugt, u. es habe nun alle Staaten gleich zu behandeln. Jägerschmidt benuzte dann diesen Anlass, um beizufügen, da könne die schweizerisch. Regierung nun sehen, wozu man komme mit derjenigen Interpretation, welche dieselbe gegenüber Frankreich bei Anlass der Reclamation4 wegen Erhöhung des Ausfuhrzolles auf Pferden vertheidigt u. festgehalten habe. Der Bundesrath habe nämlich nicht etwa die Ausfuhr v. Pferden als Kriegscontrebande untersagt, sondern die Erhöhung des Ausfuhrzolles auf Art. 285 des Handelsvertrages gestüzt, während Frankreich erwiedert habe, bei dieser Interpretation könnte ja jeder contrahirende Staat jederzeit die Tarifansäze abändern, er brauche sie nur gegen alle Staaten gleichmässig zu erhöhen. Wenn also Italien nun dieser gleichen Theorie huldige, so erhalte die schweizerische Regierung mit Bezug auf die von ihr festgehaltene Auffassung des Art. 28 eine etwas schwierige Stellung. Sie erinnern sich, dass ich schon in einem früheren Rapporte meine persönliche Ansicht bei Anlass von Äusserungen v. Herbet über die damals bereits getroffene Verfügung dahin ausgesprochen habe, dass mir eine solche Auffassung des Art. 28 für unsere Interessen unter Umständen als gefährlich vorkomme und der Gesichtspunkt der Kriegscontrebande keinen Anstand fände. Da mir aber die hierüber mit der französisch. Regierung geführte Korrespondenz niemals zur Kenntniss gekommen ist, so konnte ich mich auf diese Äusserungen von Jägerschmidt auch nicht näher einlassen. Es wird mir aber erwünscht seyn, die Gesichtspunkte zu kennen, welche Sie der französisch. Interpretation entgegengestellt haben, um Herrn Jägerschmidt bei nächstem Zusammentreffen einlässlicher antworten zu können. Könnten wir z.B. zugeben, dass Frankreich den Zoll auf Seidenbänder von 4 auf 8 erhöhe pr. Kilog., gestüzt auf Art. 28, wenn es sich nur damit rechtfertigen wollte, es finde diese Erhöhung gegen «//econtrahirenden Staaten gleichmässig statt? – Ich glaube, Nein, weil Seidenbänder ein im Tarif conventionel genannter Artikel sind. Ich muss daher annehmen, es sey v. Hr. Jägerschmidt Ihrer Interpretation vermuthlich eine unrichtige Deutung gegeben worden.
Zur Situation. Seit meinem lezten Rapporte vom 18ten d. M.6 ist die Situation nach Aussen, namentlich mit Bezug auf die sogenannte Compensations frage ganz die gleiche geblieben, wie ich Ihnen solche schon geschildert habe. Frankreich wird zur Zeit den Compensationsanstrengungen wie solche in mündlichen Pourparlers hier u. in Berlin zur Erörterung gekommen sind, keine weitere Folge geben, u. damit ist also für einige Zeit der europäische Friede gesichert; was auch immer bald da, bald dort, hiegegen vorgebracht werden mag. Die Mittheilung von Hr. Aepli7 betreffend gewisse auf die Schweiz bezügliche Äusserungen von Bismarck betrachte ich mit Ihnen mehr als ein «Curiosum» denn als etwas für mich Beunruhigendes.
Es ist vorgestern im Journal des Débats in der Form, in welcher öfters von dem Ministerium des Äussern adressierte Artikel erscheinen (nämlich unterzeichnet) vom Secrétaire de la Rédaction), ein sehr einlässlicher Artikel über die Kompensationsfrage erschienen, den ich in allen Hauptpunkten für richtig halte, u. der auch ganz in Einklang ist mit dem, was ich Ihnen unterm 4ten, 1 lten u. 18 d. M.8 über die gleiche Frage aus bekannter Quelle geschrieben habe. Es wird darin ferners insbesondere betont, dass der Kaiser nichts hören wollte von Compensationen, auf welche ihn Bismark in Belgien habe anweisen wollen, weil er es für ungerecht gehalten hätte, von einem neutralen Staate zu verlangen, was Preussen schuldig sei als diejenige Macht, welche auf Unkosten des europäischen Gleichgewichts ihr Gebiet so bedeutend vergrössere. Aber von einer Verweisung auf die Schweiz habe ich hier wenigstens nichts gehört. In Frankreich muss man denn doch wissen, dass die Schweiz ohne Krieg sich nicht weder ganz noch theilweise anexiren liesse! Dabei will ich nicht bestreiten, dass Bismark für uns Schweizer keine besondern Sympathien haben mag! Man muss diess wenigstens vermuthen, wenn wahr ist, dass als Grund für Anexion der freien Stadt Frankfurt von ihm angeführt worden seyn soll: es sei zur allgemeinen Sicherheit nöthig, dass dieser Siz des Demokratenpaks unter eine kräftige Regierung komme! Die grosse Lehre dürfen wir mit Ändern neuerdings und jedenfalls aus den lezten Ereignissen ziehen, dass die Schweiz nichts versäumen darf, um unter allen Umständen ihre Unabhängigkeit mit aller Macht selbst vertheidigen zu können. Das positive europäische Völkerrecht ist in Brüche gegangen und «Vae victis», wenn sie nur auch in Berufung auf dasselbe ihr Heil suchen wollen!
Nachdem der Friede zwischen Preussen und Österreich unterzeichnet, vielleicht gegenwärtig schon ratifizirt ist, wird nun wohl auch der Friede zwischen Italien und Österreich in nicht ferner Zukunft und zwar in Wien zum Abschluss gelangen. Menabrea hat sich hier so ziemlich versichert, wie weit die Ansprüche auf Unterstüzung des Kaisers rechnen können. Mehr als die Fixirung des Antheils an der Staatsschuld wird die Fixirung der Grenzen zwischen Italien u. Österreich Zeit fordern. Da aber Italien seine Ansprüche auf das Italienische Tyrol im Ganzen aufgeben muss, wird es doch nicht so schwer seyn, sich zu verständigen. Der Unterhalt der Truppen sollte bei beyden Staaten auf beförderliche Verständigung einwirken.
Die Kaiserin v. Mexico mag einige finanzielle Zugeständnisse ausgewirkt haben, aber in der Hauptsache, Zurükziehung der Truppen aus Mexico, konnte die französische Regierung nichts Erhebliches zugestehen. Damit sind die Tage dieses ephemeren Kaiserthums gezählt.
Nach allen Berichten bessert sich der Gesundheitszustand des Kaisers. Die lezte Bestätigung dieser Berichte dürfte darin liegen, wenn der Kaiser wirklich, wie man sagt, innert den ersten 10 Tagen September mit der Kaiserin nach Biarritz reisen kann.
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