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Le Président de la Confédération, J. Stämpfli, au Chargé d’affaires de Suisse à Turin, A. Tourte1

Mein lieber Herr Tourte!

Jetzt, da die Räthe heimgegangen sind, will ich Ihnen einige confidentielle Mittheilungen machen.

Es war von Anfang der Session an auf Sie besonders abgesehen. Sie haben in der Schweiz folgende Feinde:

Die Lukmanier-Partei, die es Ihnen nicht verzeihen können, dass Sie in der Alpenbahnfrage unpartheiisch sind. Die Leute möchten einen Mann auf dem Posten, der ganz der ihrige ist. Daher die wiederhohlten Angriffe Hungerbühlers. Nach und nach mässigte sich jedoch dieser Herr: denn in der ganzen Versammlung kannte man die Motive.

Die klerikale und Aristokratenpartei, welche wegen Aufhebung des Söldnerdienstes und dem Vorgehen gegen die weltliche Macht des Pabstes die italienische Regierung hasst, und darum auch Sie, der ihnen entgegengesetzte Ansichten hat. Mit dieser Partei stehen Sie gleich, wie wir, die radikale Partei in der Schweiz selbst.

Endlich die Partei der N. Z. Z., die lieber einen der ihrigen, einen zweiten Kern, auf dem Posten sähe.

Erschrecken Sie aber ob diesen vielen Gegnern nicht; es wird auch fernerhin noch Geplänkel gegen Sie geben; aber ihren Plan erreichen werden sie nicht. Bleiben Sie nur kaltblütig und erfüllen Sie Ihre Pflicht getreu und gewissenhaft wie bis dahin.

In der Besoldungsfrage ist es nicht nach meinem Wunsche und den Anträgen des Bundesrathes gegangen.

Die Besoldungen sind nun, vom 1. Juli d. J. an:

[...]2

Das Missverhältnis ist gewiss zu gross. Ich will Ihnen erklären, warum Herr Kern das meiste Glück hatte. Er zählt noch viele alte Bekannte unter den Mitgliedern der Räthe, viel mehr als Sie; an diese Alle hat er persönlich geschrieben; ferner weiss er in solchen Momenten mehr von sich reden zu machen als Andere; er liess vor kurzer Zeit in die N. Z. Z. schreiben, wie er eine wichtige Note an die französische Regierung gerichtet, u..s. w. Endlich gehen viel mehr einflussreiche Schweizer nach Paris, als nach Turin und Wien; Herr Kern hätschelt sie jedesmal sehr, und auf diese Art macht er sich viel mehr Leute verbindlich, als Sie und Steiger es zu thun in der Lage sind. Zu Allem kamen noch die oben erwähnten feindlichen Fraktionen.

Die Ministerrede Durandos wurde hier im ersten Augenblicke von den Lukmaniern ebenfalls als willkommene Ausbeute gegen Sie aufgefasst; als man ihnen aber deutlich zu verstehen gab, es solle nur Ihnen gelten, hielten sie sich kluger Weise nur an die Sache und Angriffe gegen Sie geschahen nicht. Die ersten Nachrichten über die Details der Rede wurden in Tessiner Zeitungen gelesen und trugen die Sache ziemlich grell auf; weshalb denn bei allen nationalen Mitgliedern die Aufregung und Entrüstung eine ziemlich grosse war. Freilich war es nicht gerade an Hungerbühler, in der Sache das Wort zu führen, da er sonst nichts weniger Kampfeslust mit besitzt. Ich schliesse Ihnen die Interpellationen Hungerbühler3 und Eytel4 so wie unsere Antwort darauf bei. Sie werden darüber noch offizielle Mittheilungen erhalten. Die Antwort des Bundesrathes wurde unverändert nach meinem Vorschläge erlassen.

Es wird in dieser Sache vielleicht noch einiges Zeitungsgeplänkel gegen Sie geben; auch desfalls beunruhigen Sie sich aber nicht; ich werde für Widerlegungen sorgen.

Der Nationalrath Toggenburg ist wirklich ein Neffe des frühem östreichischen Handelsministers und jetzigen Gouverneurs von Toggenburg in Venedig.5 Der Herr Nationalrath hat ähnliche Äusserungen wie gegen Sie auch gegen Herrn Steiger in Wien gemacht. Er ist Erzaristokrat und Erz-Lukmanierig! – das erklärt alles.

Ihr freundschaftlichst Ergebener Stämpfli