Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.2. Autriche
I.2.4. Relations commerciales
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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 1, doc. 453
volume linkBern 1990
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E21#1000/131#24582a* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 21(-)1000/131 2543 | |
Titre du dossier | Versuch zur Regelung verschiedener Rechtsverhältnisse auf dem Vertragswege (Niederlassungs-, Handels-, Konkurs-, Armenrecht-, Nachlass-, Steuer- und Militärpflichtsachen, Anerkennung von Zivilurteilen, Rheinkorrektion und Bodensee-Gürtelbahn) (1858–1868) | |
Référence archives | 10.3.2-29 |
dodis.ch/41452 Proposition du Chef du Département politique, J. Stampf li, au Conseil fédéral1
Nachdem von Herrn Geschäftsträger Steiger in Wien die von ihm verlangte Auskunft bezüglich auf einen mit Österreich abzuschliessenden Staatsvertrag über verschiedene internationale Rechtsverhältnisse eingelangt ist2, beehrt sich das Unterzeichnete Departement, Ihrem Aufträge vom 11. April lauf.Jhrs.3 gemäss, über den Gegenstand folgenden Bericht zu erstatten.
Vor Allem erlauben wir uns einige allgemeine Andeutungen.
Staatsverträge zur Regelung der internationalen Rechtsverhältnisse, nämlich der Niederlassung, des Handels und der Gewerbe, des Rechtsschuzes u.s.w., haben eine wesentliche Bedeutung nur zwischen solchen Staaten, deren Gesezgebung noch den alten, zunft- oder pfahlburgerartigen Charakter trägt, den Fremden nicht von vornen herein gleich zu behandeln wie den Einheimischen, und, statt auswärtige Kräfte heranzuziehen, dieselben von sich fern zu halten.
Die neuere Zeit hat in den fortgeschrittenen Staaten mit diesen mittelalterlichen Überlieferungen aufgeräumt, wie in Frankreich, Grossbritannien, Sardinien und in den meisten deutschen Staaten.
Die Schweiz dagegen ist von den alten Schlacken noch nicht ganz befreit. Die neue Bundes-Verfassung that zwar einen wesentlichen Schritt für die interkantonale Gleichstellung der Schweizer, obschon auch da noch Einiges hängen geblieben ist, wie die etwas strengen Forderungen bezüglich auf die Legitimationspapiere, die nur periodischen Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen, die dafür jedesmal zu bezahlenden Gebühren, der Ausschluss vom Gemeindestimmrecht, die Beschränkung der Niederlassungsgarantie auf Schweizer christlicher Konfession.
Innerhalb dieser bundesgesezlichen Gränzen bewegen sich noch besondere kantonale Beschränkungen. Eine Reihe von Kantonen behandeln nämlich ihre eigenen Kantonsbürger im Kantone selbst nicht gleich, indem sie, wenn sie in einer ändern als ihrer Heimathgemeinde niedergelassen sind, besondern Lasten oder Beschränkungen unterworfen sind, wie dem Hintersäss- oder Einsassengeld, dem Heiraths-Einzuggeld, dem Liegenschafts-Einzuggeld, dem Ausschlüsse oder der Beschränkung im Gemeindestimmrechte. Alle diese besondern kantonalen Beschränkungen wirken auf die Niedergelassenen anderer Kantone zurük, da diesen die Bundesverfassung nur die gleiche Stellung mit den Niedergelassenen des eigenen Kantons garantirt.
Es liegt in der politischen Aufgabe des Bundes, auf eine allmählige Milderung und Aufhebung all dieser innern Beschränkungen hinzuwirken, damit das schweizerische Staatsbürgerrecht immer mehr zur Wahrheit werde.
In Bezug auf die rechtliche Stellung der Ausländer verfügte die Bundesverfassung – mit Ausnahme des Art. 574 – directe nichts, so dass dieses Gebiet in erster Linie dem Bereiche der fünfundzwanzig Kantonal-Souverainetäten überlassen blieb. Dadurch jedoch, dass der Abschluss von Staatsverträgen der Bundeshoheit Vorbehalten wurde, ist dem Bunde das Mittel gegeben, auch hier regelnd einzugreifen, wenn auch nicht auf einmal, so doch successive gegenüber den einzelnen auswärtigen Staaten.
Die kantonalen Gesezgebungen und Verwaltungen weichen in Bezug auf die Rechtsstellung und Behandlung der Ausländer sehr von einander ab. Dem politischen Departemente geht zwar eine einlässliche Kenntnis von den verschiedenen diesfälligen Verhältnissen ab; allein es ist Thatsache, dass z. B. bezüglich auf das Forum für Statusfragen, für Testaments- und Erbfälle, die Bedingungen für Erwerbung von Grundbesiz, Behandlung in Konkursfällen, Bezahlung von besondern Aufenthalts- und Niederlassungsabgaben, von Militärersazsteuern, Hinterlage von Heirathskautionen u.s.w. sehr abweichende Vorschriften bestehen.
Das Rationellste und den neueren staatspolitischen Principien Angemessenste wäre es, wenn die Schweiz allgemein und abgesehen von jeder Reciprocität die Aufhebung der gegen die Fremden bestehenden besondern Beschränkungen in Beziehung auf Niederlassung u.s.w. und die Gleichstellung derselben mit den niedergelassenen Schweizern oder mit den Angehörigen derjenigen Staaten, mit welchen die Schweiz bereits Verträge geschlossen hat, proklamiren würde. Allein da hiefür, wie schon berührt, die Gesezgebung nicht auf den Bund übertragen ist, sondern ihm nur das Mittel der Staatsverträge gelassen ist, so kann nur auf dem leztern Wege vorgegangen werden.
Bei jedem Staatsvertrage nun, den der Bund abzuschliessen in den Fall kommt, sollte auf Konsequenz und Übereinstimmung in den leitenden Principien Bedacht genommen werden, damit gegenüber den verschiedenen Staaten nicht ein verschiedenes, sondern nach und nach ein übereinstimmendes schweizerisches Fremdenrecht entstehe. Dieser Gedanke ist bei den bevorstehenden Unterhandlungen mit Österreich besonders im Auge zu behalten.
Was den Vertrag mit Österreich speciell anbetrifft, so ergibt sich aus den von Herrn Steiger erhaltenen Aufschlüssen, dass in den in Anregung gebrachten Punkten für die Schweiz eigentlich Neues nicht erworben wird, indem fast Alles, was uns angeboten wird, in Österreich jezt schon besteht, da es eine liberale Fremden-Gesezgebung besizt. Es wird bei dem Vertrage wesentlich nur Österreich gewinnen, gerade weil bei uns in vielen Kantonen noch besondere Beschränkungen gegen die Fremden bestehen. Gleichwohl sind wir der Ansicht, die angebotenen Unterhandlungen nicht zurükzuweisen, dabei aber zu versuchen, einige neue, für uns wichtige Punkte mit in den Unterhandlungsbereich zu ziehen.
Wir berühren als solche Folgende:
I. Gegenseitiges Niederlassungsrecht, wie das Justiz-Departement solches anregt; faktischen Nuzen bringt uns dies zwar auch nicht, da jezt schon in Österreich den Schweizern Niederlassung gewährt wird wie den Österreichern selbst. Allein es ist nicht ohne Nuzen, dass dies als internationaler Rechtsgrundsaz zwischen beiden Staaten sanktionirt werde.
Dabei sollte namentlich darauf Bedacht genommen werden:
a. Dass die für die Erwerbung der Niederlassungsbewilligung nöthigen Formalitäten – besonders Legitimationspapiere – möglichst einfach bestimmt werden. Auf Seiten der Schweiz liegen die Anhaltspunkte dafür in der Bundesverfassung.
b. Dass die Konfession keinen beschränkenden Einfluss übe, was namentlich mit Bezug auf die Niederlassung von Protestanten im Tyrol, von Katholiken in Ungarn und von Israeliten in den beiderseitigen Staaten einige Bedeutung hat.
In den Verträgen mit Grossbritannien, Nordamerika und Sardinien5 hat die Schweiz die Israelitenfrage umgangen; die seitherigen Vorgänge und seitherige Praxis haben bewiesen, dass eine politische Lösung der Frage kaum mehr länger aufgeschoben werden kann; man versuche, bei Anlass des österreichischen Vertrags die Sache endlich direkt anzufassen.
c. Koncessionirte oder patentirte Gewerbe. In Österreich scheinen zu allen koncessionirten Gewerben auch Fremde zugelassen zu werden; in der Schweiz wird es darin verschieden gehalten; Schweizer anderer Kantone haben jedenfalls das bundesverfassungsmässige Recht, alle Gewerbskoncessionen unter den nämlichen Bedingungen erwerben zu können, wie die Kantonsbürger selbst, wie z. B. Wirthschafts-, Fleischer-, Bäker-, usf, usf Koncessionen.
Das Gleiche ist der Fall für die Erlangung von Patenten für wissenschaftliche Berufe, wie der Advokaten, Notarien, Ärzte, Apotheker u. s. w., obschon faktisch dies noch nicht in allen Kantonen anerkannt sein mag. Der Grundsaz wird und muss aber zur allgemeinen Durchführung kommen.
Gegenüber den Angehörigen fremder Staaten nun erscheint zwar die Lösung der Frage im Augenblike noch nicht dringend, da noch wenige Fälle desfalls vorgekommen sind; wir erinnern uns an den einzigen des Buchdrukers Hahn in Savoyen.
Das politische Departement bezwekt nur, an dieses Verhältnis zu erinnern, da es früher oder später auch seine Lösung finden muss und es gut ist, bei jedem nun abzuschliessenden Niederlassungsvertrage seine Konsequenzen im Auge zu behalten.
II. Handelsbegünstigungen. In den Niederlassungs- und Handelsverträgen mit Sardinien, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten wird bestimmt, dass die beiderseitigen Theile in Bezug auf Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr und in Beziehung auf Zölle gleich zu behandeln seien, wie je die meistbegünstigte Nation, und dass spätere Begünstigungen für dritte Staaten jeweilen auch für die Vertragsschliessenden in Anwendung kommen sollen.
Diese Stipulationen haben für uns den Vortheil, dass die Handelsverträge, welche die genannten Staaten in neuerer Zeit abgeschlossen haben oder abzuschliessen im Begriffe sind, eo ipso auch für uns wirksam werden, so z. B. der englischfranzösische Vertrag6 in Beziehung auf die herabgesezten englischen Tarife.
Es ist vorauszusehen, dass nach der Ratifikation des Handelsvertrages zwisehen Frankreich und dem deutschen Zollverein7, Ersteres einen ähnlichen Vertrag mit Österreich versuchen wird, und wenn hier dann Österreich zu Gunsten Frankreichs Tarif-Reduktionen zugesteht, so würde eine Stipulation in angeregtem Sinn für uns von grossem Nuzen sein.
Ob Österreich durch den bestehenden Vertrag mit dem Zollverein verhindert wird, eine solche Stipulation mit der Schweiz einzugehen, ist dem politischen Departemente nicht bekannt; es muss dies jedoch bezweifelt werden, da der Zollverein selbst eventuell sich geneigt zu zeigen scheint, einen Handelsvertrag mit der Schweiz abzuschliessen.
Es sollten deshalb Österreich ähnliche Bestimmungen vorgeschlagen werden, wie sie in den Artikeln 8,9 & 10 des schweizerisch-grossbritannischen Vertrages enthalten sind.8
Ob bezüglich auf die Hafenstadt Triest specielle Vorbehalte aufzunehmen sind, kann erst bestimmt werden, wenn die von Herrn Steiger versprochene Auskunft eingelangt sein wird.
III. Definitive Regulirung der Bodensee-Gürtelbahnfrage. Österreich hat sich zwar bereit erklärt, die Gürtelbahn zu koncediren, aber unter Bedingungen, wie sie ein Koncessionär kaum eingehen kann, nämlich der Erstellung einer Zweigbahn bis nach Feldkirch.
Österreich sollte diese Forderung mildern, sei dass es von der Zweigbahn abstrahirt oder für dieselbe mindestens eine sehr wirksame Subvention oder eine Zinsengarantie gewährt.
Die Gürtelbahn ist für die Schweiz von grosser Bedeutung, weil sie Bedingung eines direkten Zusammenhanges des schweizerischen Bahnnezes mit den südund centraldeutschen Eisenbahnen bildet. Die Frage verdient also wohl von unserer Seite in Anregung gebracht und mit in den beabsichtigten Staatsvertrag hineingezogen zu werden.
IV. Rheinkorrektionsfrage. Auch diese ist für die Schweiz so wichtig, dass sie in das Unterhandlungsprogramm aufgenommen zu werden verdient. Ihre Anregung bei dieser Gelegenheit wird vielleicht etwas zu ihrer Beförderung beitragen.
Es dürften noch andere Punkte in Frage kommen, wie z.B. die Stellung der Konsuln, wie sie in den Verträgen mit Grossbritannien, den Vereinigten Staaten und Sardinien regulirt ist; allein das politische Departement würde davon abstrahiren, da der Gegenstand durchaus nicht opportun ist. In solchen und ähnlichen Dingen ist es besser, unsere Freiheit zu behalten und die Sache je nach unserer Konvenienz zu regeln. Gegenüber Österreich hätten wir zudem desfalls nichts zu gewinnen, da unsern Konsuln dort (Venedig und Triest) keine Schwierigkeiten gemacht werden. Ferner könnten noch die hängenden Gränzstreitigkeiten bei Finstermünz in Betrachtung kommen; allein es erscheint passender, diesen Punkt, wie es bis jezt üblich war, in besondere Gränzbereinigungsverhandlungen zu verweisen.
Die Schlussanträge des politischen Departements gehen nun dahin:
Es seien ausser den im Entwürfe des Justiz-Departements enthaltenen Punkten auch die oben sub No I, II, III & IV berührten in dem der Österreichischen Gesandtschaft zu eröffnenden Programm für die Unterhandlungen eines Staatsvertrages aufzunehmen und die Rükäusserungen Österreichs hierauf abzuwarten.
Die Säze des Programms sind nur in allgemeiner Fassung zu halten, die eigentliche Redaktion der Artikel ist den spätem Verhandlungen vorzubehalten.9
- 1
- E 21/24582 A.↩
- 3
- E 1004 1/49, no 1310.↩
- 4
- La Confédération a le droit de renvoyer de son territoire les étrangers qui compromettent la sûreté intérieure ou extérieure de la Suisse. RO I, p. 19.↩
- 5
- Les traités de commerce et d’établissement avec la Grande-Bretagne (6 septembre 1856) et les Etats-Unis (25 novembre 1850) et le traité de commerce avec la Sardaigne (8 juin 1851 ).↩
- 6
- Du 23 janvier 1860. Martens NRG, XVI, p. 374.↩
- 7
- Du 2 août 1862. Martens, NRG, XIX, p. 275.↩
- 8
- Articles assurant le traitement de la nation la plus favorisée. RO V, p. 266–267.↩
- 9
- Adopté par le Conseil fédéral dans sa séance du 30 mai 1862 (E 1004 1/49, no 1953). Cf. Lettre du Conseil fédéral au Ministre d’A utriche à Berne, F. von Mensshengen, du même jour, non reproduite.↩
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