Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.2. Autriche
I.2.3. Affaires du Tessin
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 173
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#354* | |
Dossier title | Säkularisation im Kanton Tessin (1852–1853) | |
File reference archive | B.252.2.1 |
dodis.ch/41172 Le Ministre des Affaires étrangères d’Autriche, K. F. von Buol, au Chargé d’affaires d’Autriche à Berne, L. Karnicki1
Wir haben, von dem Wunsche geleitet, die Ausgleichung der mit der Schweiz obschwebenden Streitfrage nicht durch eine gereizte Polemik zu erschweren, absichtlich vermieden, in unserer Entgegnung auf die lezte Note des Bundesrathes3 uns auf eine ins Einzelne gehende Zurückweisung der dem Gebiethe der Vergangenheit entlehnten Anklagen einzulassen. Einige derselben sind jedoch so auffallender Art, dass wir sie unmöglich mit gänzlichem Stillschweigen zu übergehen vermögen.
Der Bundesrath glaubt, unsere Anschuldigung, dass der Auslieferungsvertrag4 nicht eingehalten worden sei, durch die Bemerkung zu entkräften, wir hätten vergessen, dass die Schweiz die Vertragsbestimmung der Auslieferung politischer Verbrecher im J. 1849 in aller Form Rechtens aufgekündigt habe.
Wir haben diesen Umstand sehr wohl im Gedächtnis, sehen uns aber nunmehr unsrerseits veranlasst, den Bundesrath daran zu erinnern, dass, wenngleich wir seiner entschiedenen Weigerung gegenüber, den Vertrag in seinem ganzen Umfange bis zum 13ten September 1853, als der Ablaufsfrist, zu erfüllen, uns bereit erklärten zu einer neuen Textirung des Vertrags die Hand zu bieten, wir dennoch zugleich das vermeintliche Recht des Bundesrathes, noch vor der stipulirten Ablaufszeit sich einseitig von der Vollziehung einer einzelnen Vertragsbestimmung loszuzählen, entschieden in Abrede gestellt, und gegen die uns in dieser Beziehung gemachte Zumuthung förmliche Verwahrung eingelegt haben.5
Der Bundesrath hat sich ferner nicht gescheut, wenn auch nur im Vorbeigehen, mit dem Vorwurf hervorzutreten, es hätten die Behörden Österreichs hochverrätherischen Bestrebungen Unterstützung geleistet, als im Jahre 1847 eine renitente Minderheit in der Eidgenossenschaft es bis zum Bürgerkrieg getrieben habe. Da dieser Vorwurf zum Beweise dienen soll, als habe auch Österreich seine völkerrechtlichen Pflichten gegen die Eidgenossenschaft verlezt, so finden wir es an der Zeit, den Bundesrath an die völkerrechtliche Stellung zu erinnern, die wir dem Bürgerkriege gegenüber, dessen unseliges Andenken der Bundesrath heraufbeschworen hat, offenkundig eingenommen haben.
Nachdem von der Tagsatzung der Vermittlungsantrag, welchen die Mächte bei den sich gegenüberstehenden Fakzionen der Eidgenossenschaft gemacht, abgelehnt worden war, erklärte Österreich der Bundesregierung, dass die Mächte in den damaligen Ereignissen nichts anderes zu sehen vermöchten, als einen beklagenswerthen Bürgerkrieg, welcher inmitten des Bundes zwischen 12 und 2 halben Kantonen einerseits, und 7 nicht minder souverainen Kantonen andererseits zum Ausbruch gekommen und unverkennbar gegen die Kantonalsouverainität, d. h. gegen die Grundlage des Schweizer Bundes und seiner durch die Verträge geregelten Stellung in Europa gerichtet war; dass die Verbindlichkeiten der Mächte gegen die Schweizer Eidgenossenschaft, und jene der Eidgenossenschaft gegen die Mächte wechselseitig und auf dieselben Traktate gegründet seien, dass endlich, würden die einen nicht treulich beobachtet, auch die anderen unvermeidlich gefährdet und suspendirt sein würden.
Auf diese Erklärung, welche ganz übereinstimmend auch von den Höfen von Preussen, Frankreich und Russland abgegeben wurden, uns berufend, können wir die Zumuthung, wir hätten damals hochverrätherische Bestrebungen unterstützt, nur mit ebenso tiefer als gerechter Entrüstung zurückweisen.
Fast noch unbegreiflicher aber als dieser übel berechnete Ausfall des Bundesraths, ist uns die von ihm erhobene Klage wegen der Sprache einiger österreichischer, übrigens nicht zensurirter und in den Gränzen einer erlaubten Polemik gebliebener Zeitungen vorgekommen, während doch gerade die gegenwärthigen Verwicklungen der schweizerischen Presse unerschöpflichen Stoff liefern, um tagtäglich ein wahres Übermass der giftigsten Schmähungen, sowie der ärgsten und aufreizendsten Verläumdungen über die österreichische Regierung auszugiessen.