Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 1, doc. 67
volume linkBern 1990
Plus… |▼▶Emplacement
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E1007#1995/533#5* | |
Titre du dossier | 2.1.1850-25.2.1850 (Nr. 3-593) (1850–1850) | |
Référence archives | 7.1.1 |
dodis.ch/41066
Der schweizerische Bundesrath hat die Ehre, S. Exellenz dem Herrn Ritter von Thom, ausserordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister S. K. K. Apostolischen Majestät bei der schweizerischen Eidgenossenschaft, die nachfolgende Mittheilung zu machen, als Antwort auf Hochdesselben unterm 10. December 1849 an ihn gerichtete Note2 und ändern ihm unterm 5. laufenden Monats Januar übermittelten Akten3, aus denen u. a. hervorgehen sollte, dass in dem Kanton Tessin Werbungen lombardischer Rekrutirungsflüchtlinge für Rechnung der k. sardinischen Regierung statt finden; dass, um die lombardische Jugend, besonders die Conskriptions-Pflichtigen, zur Flucht zu verleiten, in der Buchdruckerei Ciani in Lugano Aufrufe gedruckt und, zwischen Waaren versteckt, in die Lombardei eingeführt werden; dass diese Werbungen von Gabriel Camozzi und Clerici geleitet werden, und ein gewisser Ruggioni die Emollirung bewirke, welche beide Individuen ein über bedeutende Mittel gebietendes Comité bilden; dass die Angeworbenen, täglich durchschnittlich 40 bis 50, zu Lugano in einem Depot gesammelt, bewaffnet und von da nach Piemont geschafft werden; dass gegenwärtig (oder zu Ende des Monats December letzthin), v. a. zu Lugano, eine ungewöhnliche, Besorgnis erregende Bewegung herrsche, indem sich daselbst, wie es heisst, eine ausserordentliche Menge von Fremden, vorzüglich von politischen Flüchtlingen, vereine, welche eine besonders keke Haltung an den Tag legen; dass es in Lugano, Mendrisio und ändern Orten in allen Waffenschmied-Werkstätten überaus lebhaft zugehe, wo thätigst an alten Waffen gefegt und an der Verfertigung neuer gearbeitet werde; dass in Magadino förmlich ein Werbplatz für französische und badische Unterthanen etablirt sein solle und dass im Tessin beabsichtigt werde, Commissaire ins Lombardische zu entsenden, um daselbst neue Unordnungen zu bereiten; endlich bittet S. Excellenz der Repräsentant Sr. K. K. Apostolischen Majestät den Bundesrath, den Grund oder Ungrund der fraglichen Werbungen genau zu erforschen, und im Fall sich selbe bewähren sollten, die Abstellung derselben mit aller Macht veranlassen zu wollen.
Der schweizerische Bundesrath hat die obenerwähnten Aktenstüke sofort in Abschrift der Regierung des Kantons Tessin mit der Einladung mitgetheilt, untersuchen zu lassen, ob die fraglichen Werbungen und andere in jenen Noten angeführten Thatsachen begründet seien oder nicht. Indem er umständliche Berichte über jede dieser Behauptungen verlangte, hat der schweizerische Bundesrath zugleich der Regierung des Kantons Tessin anbefohlen, die Werbungen, falls solche wirklich auf ihrem Gebiete statt finden sollten, unverzüglich einstellen zu lassen.4
Dieser Einladung entsprechend hat der Staatsrath des Kantons Tessin dem Bundesrath unterm 7., 16. und 18. Januar die drei umständlichen Berichte5 sammt der Bekanntmachung6, welche abschriftlich beiliegen, eingesendet.
Es ist daraus zu ersehen, dass im Kanton Tessin weder für Rechnung Sardiniens, noch sonst für irgend jemand Werbungen statt finden, dass daselbst weder ein Comité noch Werbbüreau besteht, und dass sämmtliche oben erwähnte Vorhalte, deren Erhärtung überhaupt möglich ist, allen Grundes entbehren; dass das Land ruhig sei und nichts ausserordentliches sich kund gebe, dass man die Fremden, von denen gesprochen worden, nicht bemerke, dass Gabriel Camozzi seit mehreren Monaten, Clerici seit einigen Wochen den Kanton Tessin verlassen haben, und dass man nicht wüsste, dass je ein gewisser Ruggioni sich im Kantone aufgehalten habe; dass die Waffenschmied- und Wagnerwerkstätten sich in beinahe vollständiger Unthätigkeit befinden; dass die Thätigkeit der Ciani’schen Buchdrukerei beinahe aufgehört und die tessinische Regierung an sämmtliche Offiziere des Kantons ernstliche Ermahnungen erlassen habe; dass, mit einem Worte, im Kanton Tessin sich nichts zutrage, was geeignet wäre, die Ruhe der Lombardei zu gefährden.
Aus diesen Berichten und der Bekanntmachung erhellt ferner, dass die jungen Lombarden, welche glaubten, sich der Conskription entziehen zu können, wenn sie sich im Kanton Tessin für Piemont oder Frankreich anwerben Hessen, in der Lombardei selbst irregeführt und in diesem Irrthum bestärkt wurden; dass die Ankunft dieser Lombarden in dem Kanton Tessin um die Mitte Decembers aufgehört habe, als sie die Gewissheit erlangten, dass sie daselbst weder angeworben noch geduldet würden; was zu den falschen Gerüchten von Anwerbungen die Veranlassung gegeben, sei der Umstand, dass die tessinischen Behörden, in Gemässheit der Befehle der Bundesregierung, in ihrem Kantone weder Deserteurs noch Widerspenstige zu dulden, einige Lombarden und einige Ungarn, welche in den Kanton Tessin gedrungen waren, aus der Schweiz ausgewiesen und nach Piemont geschafft haben; dass der Staatsrath dieses Kantons die Polizeibehörden neuerdings eingeladen habe, einerseits keinen Angehörigen der österreichischen Monarchie, der sich seiner Militärpflicht zu entziehen sucht, zu dulden, anderseits keinen Anlass zu versäumen, um den Irrthum bekannt zu machen, in dem die jungen Lombarden befangen sind, welche, der Conskription entfliehend, sich der Hoffnung überlassen, im Kanton Tessin Unterstützung zu finden, während sie daselbst nicht mehr geduldet werden können; dass endlich die sardinische Regierung den Dampfschiffkapitäns auf dem Lago Maggiore untersagt habe, Auswanderer und Deserteurs aus Österreich, sowie auch alle ändern aus der Fremde kommenden und nicht mit regelmässigen, von ihren eigenen Regierungen ausgestellten Pässen versehenen Individuen an Bord zu nehmen, um sie auf sardinisches Gebiet hinüberzusetzen.
In Bestätigung dieser Aufschlüsse, welche sich auf den Monat December und den gegenwärtigen Zeitpunkt beziehen, muss der Bundesrath beifügen, dass Anwerbungen für Frankreich und Piemont umso unwahrscheinlicher waren und noch sind, als die sardinische Regierung keinen aus der Schweiz in ihre Staaten kommenden Flüchtling aufnimmt, ja nicht einmal den Durchpass behufs Einschiffung in Genua gestattet, und als die französische Republik nicht nur keinen dieser Flüchtlinge in die afrikanische Fremdenlegion aufnimmt, sondern denselben auch jeden Aufenthalt auf ihrem Gebiet verweigert; sie gestattet ihnen bloss unter verschiedenen Bedingungen und Vorsichtsmassregeln den Durchpass, um sich nach England oder Amerika zu begeben. Nichtsdestoweniger wird die eidgenössische Behörde täglich von mehreren Flüchtlingen um Pässe angegangen, um sich nach Frankreich oder Sardinien zu begeben, vorgebend, daselbst Kriegsdienste nehmen zu können, und es ist äusserst schwer, sie von diesem Glauben abzubringen, und zwar so sehr, dass man nicht weiss, wer ihnen das Gegentheil glaubwürdig gemacht hat. Dass ihnen diese Pässe verweigert werden, versteht sich wohl von selbst. Es ist demnach leicht zu begreifen, dass die jungen Lombarden, begierig, sich der Conskription zu entziehen, mit der verblendetsten Leichtgläubigkeit die Gerüchte aufnahmen, welche ihren Hoffnungen schmeichelten, wie sehr auch die Versicherungen, denen sie eine Zeit lang glaubten, allen Grundes entblösst waren.
Nicht daran zweifelnd, dass nach Kenntnisnahme des gegenwärtigen Schreibens und dessen Beilagen die K. K. Österreichische Staatsregierung und Se. Excellenz der Feldmarschall Graf Radetzky sich überzeugt halten werde, dass die fraglichen Werbungen und andere obenerwähnten Thatsachen niemals statt gefunden haben, ergreift der schweizerische Bundesrath mit Vergnügen diesen Anlass, etc.
Tags
Autriche-Hongrie (Autres)
Service étranger