Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.5. Confédération germanique
I.5.1. Relations commerciales
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 1, Dok. 2
volume linkBern 1990
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E13#1000/38#22* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 13(-)1000/38 4 | |
Dossiertitel | Korrespondenz des Schweizer Abgesandten Killias in Frankfurt/Main mit dem Regierungsrat BE als eidgenössischem Vorort; Korrespondenz des Schweizer Generalkonsuls Hirzel-Lampe in Leipzig über die Verhandlungen mit dem Deutschen Zollverein über Handelssachen, Teilnahme am Kasseler Zollkongress; Anträge des Handels- und Zolldepartements an den Bundesrat, dessen Beschlüsse; Abhaltung einer Konferenz in Karlsruhe 1851 betr. Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten über Handels- und Zollverhältnisse (1848–1851) |
dodis.ch/41001 Le Délégué suisse pour les affaires commerciales auprès de l’Assemblée nationale d’Allemagne, J. Wolfgang Killias, au Président de la Confédération, J. Furrer1
Gemäss der in meinem Verkehr mit der abgetretenen hohen vorörtlichen Behörde eingeführten Übung erlaube ich mir, meine laufenden Tages-Berichte direct an das hohe Präsidium des Bundesraths zu richten, weil die Fluth der Ereignisse weder eine gefeilte ausführliche Darstellung noch eine reine Abschrift davon zu nehmen erlaubt und auch nur ein Tag Verspätung denselben alle Frische, ihr einziges Verdienst, rauben würde. Durch die unzeitig frühe Post-Aufgabestunde des einen Curses (10 1/2 U. Vorm.) und durch die späte Ankunft in Bern des ändern Curses (4 U. Morgens) ist die Frische meiner Berichte schon sehr benachtheiligt und wenn ich mehr Zeit für deren Ausfertigung verwenden sollte, so würde ich umso weniger Zeit auf die wesentliche Aufgabe, den richtigen Überblick des täglich wechselnden Standes der hiesigen politischen Fluth und Ebbe, verwenden können. Ich erlaube mir daher, für meine eiligen Zeilen zum Voraus um Nachsicht zu bitten; wenn sie auch nichts Neues enthalten, so werden sie doch von meinem guten Willen Zeugnis liefern.
Wie ich in meinem ergebenst Vorgestrigen angedeutet2, habe ich den Anlass des Beschlusses des hohen Bundesraths vom 22.ds.3 benutzt, den Herrn Handelsminister Duckwitz in Betreff desselben zu sondiren. Er empfieng mich sehr freundlich und war davon sehr angenehm überrascht, indem er mich versicherte, das Ministerium wünsche nichts sehnlicher, als sich mit der Schweiz auf einen guten nachbarlichen Fuss zu setzen; er gab mir zu, dass Aufhetzungen Seitens badischer Beamten das Verhältnis zu ihr manchmal ohne Noth getrübt haben mögen, doch seien unsre Localbehörden zuverlässig nicht ohne Schuld, wenn auch an dem guten Willen der Centralbehörde nicht zu zweifeln sei; er habe indes das Vergnügen mir anzuzeigen, dass hiesigerseits beschlossen worden sei – vermutlich in dem in meinem Jüngsten erwähnten Cabinetsrathe – unsrer neuen Centralbehörde die Hand zu einem freundlichen Entgegenkommen zu bieten, und wenn dies entsprechend erwiedert werde, so könne er mir die Versicherung geben, dass das ganze Missverständnis schnell und leicht abgethan sein solle; mittlerweile werde man sich nur auf die nöthigsten Massregeln beschränken und dieselben gerne baldmöglichst zurückziehen. Hr. Duckwitz war heute freundlicher und ich möchte sagen herzlicher als je, und da ich durchaus keinen Grund habe, ihm eine berechnete Verstellung zuzutrauen, so will ich mir schmeicheln, dass man wirklich ein Entgegenkommen beabsichtigt, oder dass wenigstens Hr. v.Schmerling für nöthig erachtet hat, seine neuen Instructionen nach Bern den übrigen Cabinetsgliedern in diesem Gewände vorzustellen.
Wir unterhielten uns sodann über die Zollfragen und Hr. Duckwitz bestätigte meine jüngst geäusserte Hoffnung, dass die definitive Erledigung derselben durch die jüngsten Beschlüsse über die Reichsgewalt viel näher gerükt sei, als man früher gehofft hatte. Statt des volkswirtschaftlichen Ausschusses der National Versammlung, der nur alle Fragen aufgerührt und verwickelt hatte, ohne auch nur eine zur Lösung zu bringen, hofft Hr. Duckwitz die Sache bald in eigene Hände nehmen zu können, und sobald dies geschieht, werden ihm unsre Bemerkungen und Vorschläge sehr angenehm sein und nach Möglichkeit billige Berücksichtigung finden. Er selbst wünscht, dass wir baldmöglichst unsre Zollinie aufstellen, damit man mit uns als einem geregelten Zollstaate unterhandeln könne, was bisher eigentlich nicht der Fall gewesen sei.
Die heutige National Versammlung hat meist nur Partheiplänkeleien gebracht ohne andre Bedeutung als die gewohnte Bestäthigung der ministeriellen Majorität gegen alle Anträge der Linken. Leztere treibt an der zweiten Lesung der Grundrechte, während erstere sie aufzuschieben sucht bis nach Beendigung der Verfassung. Heute wurde das Reichsgericht in Verhandlung genommen. Dringende österreichische und preussische Fragen wurden verschoben. Ein Bericht des Ausschusses spricht sich gegen gewaltsame Mediatisirung aus und will dieselbe nur auf Antrag der Betheiligten selbst zulassen oder in Folge von Vereinbarung mit der Reichsgewalt. Riesser präsidirt, sehr schwach; zeitweilig auch Hermann als improvisirter Suppleant in Abwesenheit von Gagern und Simon, noch schwächer.
Als Gegensatz zum hier beabsichtigten Democratischen Märzverein hat sich in Cassel ein «National-Verein» zusammengethan für das constitutioneile Juste Milieu als Centralgewalt von Deutschland, und sich der National Versammlung zur Unterstützung bei ihren Wählern empfohlen. So rüsten sich die beiden Lager.
Von Berlin, wo heute der Entscheidungstag ist, mögen günstige Hofberichte eingetroffen sein, denn Schmerling war sehr heiter und viele der Rechten mit ihm. Das Bestimmtere werden wir vielleicht diesen Abend hören. Ich halte das Zerwürfnis in Berlin für unheilbar, und wenn es auch augenblicklich überkleistert wird. König und Volk haben gleichen Grund, sich gegenseitig zu misstrauen, denn beide wissen zu gut, dass sie Ursache dazu haben und nach entgegengesetzten Polen streben. Was jetzt die eine Gewalt wieder zusammenleimt, wird die andre Gewalt beim ersten günstigen Anlasse wieder lösen und wohl für immer auseinanderreissen. Mehr oder weniger ist dies wohl in ganz Deutschland der Fall. Je mehr die deutsche Einheit vorschreitet, umso mehr müssen die Fürsten selbst fühlen, dass sie entbehrlich sind, überflüssige, unbequeme, lästige, kostspielige Gäste. Dieser Gedanke verfolgt sie wie ein Banco-Schatten und sie können ihm nicht entrinnen, denn sie wagen weder mit der Altzeit noch mit der Neuzeit entschieden zu brechen und aufrichtig zu sein. Mit allen Gewaltstreichen wird es ihnen doch nicht mehr gelingen, die Pressefreiheit zu unterdrücken, und solange diese besteht, versuchen sie vergebens, gegen den Strom zu schwimmen.
Zuverlässige Briefe aus Wien behaupten auf die Akten gestützt: Fröbel habe sein Leben gegen wichtige Geständnisse eingehandelt. Das Wahre muss sich bald zeigen, da die Akten gedrukt werden sollen. Blum soll sich gleichfalls höchst unzuträglich benommen haben im Verhör und bis zum letzten Augenblick an der Wirklichkeit seiner Hinrichtung gezweifelt haben. Unterdessen grassirt seine Todtenfeier durch alle deutschen Lande gleich der Cholera, die den Rhein herauf schon bis St. Goarshausen vorgedrungen ist, jedoch ohne bisher viele Opfer zu fordern.
Es heisst: die französische Regierung wolle mit Ende Xbre die bisherige Prämienzahlung für die Fabrikaten-Ausfuhr aufheben. Damit würde also jedenfalls die deutsche Retorsion aufhören, auch wenn sie verlängert worden wäre, was der Fall nicht ist. Nach den Äusserungen des Hrn. von Kamptz, hiesigen preussischen Handelsbevollmächtigten, würde man unsre Fabrikate ohne anders von der Retorsion ausgenommen haben, wenn wir ein regelmässiges Zollsystem gehabt hätten. Er sprach sich hierüber, so wie überhaupt über das ganze Schutzzoll-Unwesen, in sehr liberalem Sinne gegen mich aus. Einen grossen Abstand hingegen bildet eine neuerliche Verhandlung in der Badischen Kammer eben in Betreff des Aufhörens der französischen Prämien. Den dortigen Schutzzöllnern ist letzteres sehr ungelegen und sie haben durchgesetzt, dass nur diejenigen französischen Fabrikate den Nachlass des deutschen Mehrzolles gemessen sollen, welche nach der Aufhebung desselben die deutsche Gränze überschreiten, damit nicht die vor 31.Xbre aus Frankreich ausgeführten und bis 1. Januar transito im Zollverein lagernden oder reisenden Güter die französische Prämie und den deutschen Nachlass zugleich geniessen. Wenn dies in Frankreich bekannt wird, so wird man es leicht umgehen, indem man die Güter vor 1. Januar nach der Schweiz und nach 1. Januar nach dem Zollverein schikt. Sehr auffallend war mir beim gleichen Anlasse die Äusserung des Badischen Finanz-Ministers Hofmann, der die Aufhebung unsrer bisherigen Zollbegünstigung als etwas sich ebenso von selbst Verstehendes bezeichnet wie diejenige von Neuchâtel. Ich werde morgen den Badischen Bevollmächtigten darüber befragen, worauf Hr. Hofmann diese Äusserung stützt. Es herrscht überhaupt in ganz Süddeutschland ein wahrer Fanatismus nach Zollschutz, eine gewaltthätige rüksichtslose Zollgier, die von den Regierungen aus Politik und Popularitätssucht genährt und begünstigt wird. Auch um deswillen wäre zu wünschen, dass man ihnen auch unsrerseits recht bald die Süssigkeit von Gegenmassregeln zu kosten gäbe, denn mit Vernunft und Billigkeitsgründen ist sicher nichts auszurichten bei diesen Leuten. Sie müssen fühlen, wie weh der Zoll thut; namentlich die vielen kleinen Gewerbe in Schwaben und Baiern, die mit der Schweiz verkehren, die Gerber u.s.w. müssen zum Schreien gebracht werden, damit sie die Grossmäuler unter den Fabrikanten überschreien. Unsre Haupthoffnung und Stütze aber ist der grössere Theil des Nordens in und ausser dem Zollverein, wo niemand übertriebene Zölle will.
Heute hat der Justiz-Minister die Ernennung einer Commission angezeigt zur Ausarbeitung eines deutschen Handelsgesetzbuches.
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