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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 24, doc. 113
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110#1979/14#1916* | |
Old classification | CH-BAR E 7110(-)1979/14 124 | |
Dossier title | Kredite, Anleihen (1968–1968) | |
File reference archive | 861.5 • Additional component: Brasilien |
dodis.ch/33260
Der Sektionschef für Lateinamerika der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements, E. Léchot, an G. Stäubli, Firma Gebr. Stäubli & Co.1
Warenverkehr mit Brasilien
Ihr an Herrn Botschafter Stopper, seit nunmehr rund zwei Jahren Präsident der Generaldirektion der Schweiz. Nationalbank, gerichtetes Schreiben vom 15. Oktober 19682 ist uns zugegangen. Ebenso die darin erwähnte Photokopie des Berichtes der Firma Erismann & Cia, Ltda, Sao Paulo, an Sie vom 3. Oktober 19683.
Wie sehr sich die Anstrengungen der schweizerischen Wirtschaft im allgemeinen, die auf die Eroberung und Sicherung eines Anteils an den latein amerikanischen Märkten abzielen4, lohnen, zeigt die Entwicklung der schweizerischen Ausfuhr nach dieser Region. Von 608 Mio. Fr. im Jahre 1960 stieg der Export auf 847 Mio. Fr. im Jahre 1967; die Maschinenindustrie im weitern Sinne ist an dieser Steigerung mit nahezu 100 Mio. Fr. beteiligt. Der Bund zeigt sich diesen Bemühungen gegenüber sehr aufgeschlossen, sei es, dass er die Exportrisikogarantie in soupler Weise gewährt, sei es, dass er andere ihm zur Verfügung stehende Möglichkeiten5 (z. B. besondere Bundesgarantie bei Stand-by-Krediten, Bewilligungen zur Aufnahme von Anleihen, Abschluss von Handelsabkommen und Investitionsschutzverträgen, etc.) einsetzt.
Brasilien, das für Sie im Vordergrund steht, ist durch seine Grösse und seinen Entwicklungsstand bedingt, traditionell einer unserer bedeutendsten Handelspartner in Lateinamerika. Unsere Ausfuhr dorthin erreichte 1960 den Betrag von 109 Mio. Fr., 1966 147 Mio. Fr. und 1967 164 Mio. Fr. (8 Monate 1968 bereits 142 Mio. Fr.). Maschinen, Instrumente, Apparate und dgl. wurden für 38,3; 45,5 und 65,2 Mio. Fr. geliefert, wobei der Anteil der Textilmaschinen (Pos. 8436-40) 5,9; 2,8 und 9,8 Mio. Fr. ausmachte. In der Entwicklung unseres Exportes spiegeln sich nicht nur die Anstrengungen der schweizerischen Wirtschaft, sondern auch jene des Bundes wieder. So haben wir seinerzeit die Gewährung bedeutender Stand-by-Kredite ermöglicht, haben Hand geboten zur Konsolidierung bedeutender kommerzieller Aussenstände und auch neue Kreditfazilitäten zugesagt6. Nach Überwindung der wirtschaftlich schwierigen Jahre durch Brasilien haben wir, durch die Zusage der Exportrisikogarantie für schweizerische Lieferungen, die Basis für die Mitfinanzierung bedeutender Projekte im Sektor der Elektrizitätsversorgung7 (IlhaSolteira) geschaffen und auch die Koordinierung bestimmter anderer Lieferungen (Universitäten) ermöglicht. Es handelt sich dabei um «Massarbeit», d. h. um die präzise Anpassung der Exportrisikogarantie an die Erfordernisse der betreffenden Projekte. Der von Grossbritannien für den Bau der Brücke von Rio nach Niteroi vorgesehene Kredit ist mit unseren Aktionen vergleichbar.
Bei Rahmkrediten zur Finanzierung des Bezuges von Investitionsgütern handelt es sich, im Gegensatz zu den oben erwähnten Aktionen, um «Konfektion». Hier wird einem Partner praktisch zugesagt, die Finanzierung bestimmter Käufe, zum voraus festgesetzten Kreditbedingungen. Solche Zusagen haben nicht nur Vorteile sondern auch sehr bedeutende Nachteile, indem den Erfordernissen des Einzelfalles nicht mehr Rechnung getragen werden kann; mit anderen Worten: sowohl Verkäufer wie auch Käufer werden ihrer Verhandlungsfähigkeit beraubt. Die schweizerische Maschinenindustrie liebt, wie Umfragen des VSM ergaben, solche Einschränkungen nicht sehr. Sie stellt Qualitätserzeugnisse her und ist im allgemeinen beweglich genug, um sie auch verkaufen zu können. Sie zieht es deshalb in der Regel vor, dass die Exportrisikogarantie zu Bedingungen gewährt wird, die den im Einzelfall erforderlichen Zahlungskonditionen, so weit wie möglich, angepasst sind. Die oben erwähnte Entwicklung unserer Ausfuhr nach Brasilien ist nicht zuletzt auf diese Souplesse zurückzuführen. Wir sind überzeugt, dass die schweizerische Maschinenindustrie wenig Freude daran hätte, wenn wir ihr im gegenwärtigen Zeitpunkt, mit einer Initiative zu einem «Brasilien-Rahmenkredit»8 ins Handwerk pfuschen wollten.
Die Ausstellung amerikanischer Maschinen in São Paulo wurde offensichtlich von den interessierten USA-Kreisen und ihren Vertretungen in Brasilien organisiert. Von ähnlichen Initiativen schweizerischer Firmen ist uns bis jetzt nichts bekannt. Wir bzw. die für Fragen einer offiziellen Beteiligung an Ausstellungen im Ausland zuständigen Schweizerische Zentrale für Handelsförderung wären gerne bereit, diesbezügliche konkrete Vorschläge schweizerischer Interessenten-Gruppen zu prüfen.
Bei der «Allianzfür den Fortschritt»9 handelt es sich um den von Präsident Kennedy vertretenen Plan zur gemeinsamen Entwicklung Lateinamerikas. Die von den USA zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten, sehr bedeutenden Geldmittel werden u. W. von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (Sonderfonds) verwaltet und dienen nicht der Finanzierung kommerzieller Importe. Es würde uns deshalb interessieren, in diesem Zusammenhang Näheres, vor allem in Bezug auf die Kreditbedingungen der Amerikaner, zu erfahren.
Wir verfolgen die Entwicklung der schweizerisch-brasilianischen Handelsbeziehungen mit Aufmerksamkeit und zögern nicht, die den jeweiligen Situationen angepassten Schlüsse zu ziehen und sinnvolle Aktionen durchzuführen bzw. zu ermöglichen10. Ein Globalkredit im Sinne der Ausführungen der Firma Erismann scheint uns, aus den oben erwähnten Gründen, in der gegenwärtigen Lage kaum zweckmässig. Es dürfte vielmehr angezeigt sein, dass Sie, zusammen mit Ihrer Bank und der Exportrisikogarantie, prüfen, wie weit Sie in Bezug auf die Zahlungsbedingungen gehen können um die Bemühungen Ihres Vertreters im Kampfe gegen die drittländische Konkurrenz zu unterstützten.
- 1
- Schreiben (Kopie): E7110#1979/14#1916* (861.5). Verfasst von H.- U. Greiner. Kopien an E. Léchot, H. Hofer, H.- U. Greiner und an das schweizerische Generalkonsulat in São Paulo.↩
- 2
- Schreiben von G. Stäubli an E. Stopper vom 15. Oktober 1968, Doss. wie Anm. 1.↩
- 3
- Schreiben der Firma Erismann & Cia. an die Gebrüder Stäubli vom 3. Oktober 1968, Doss. wie Anm. 1.↩
- 4
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 94, dodis.ch/32865; das Referat von R. Probst an der Jahresversammlung der lateinamerikanischen Handelskammer in der Schweiz vom 27. Juni 1968, dodis.ch/34005 sowie das Schreiben von R. Montandon an die schweizerischen Wirtschaftsorganisationen vom 28. August 1968, dodis.ch/34027.↩
- 5
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 8, dodis.ch/31413; Dok. 150, dodis.ch/30945 sowie DDS, Bd. 24, Dok. 163, dodis.ch/31582.↩
- 6
- Zur Vorfinanzierung der Konsolidierung von Brasiliens Schulden vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 62, dodis.ch/31530. Zu einem möglichen Stand-by Kredit für Argentinien vgl. die Notiz vom 5. Juni 1967, dodis.ch/33581 sowie das Schreiben von P. R. Jolles an die Crédit Suisse vom 30. September 1967, dodis.ch/33569.↩
- 7
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 399 vom 3. März 1967, E1004.1#1000/9#720*.↩
- 8
- Zu einem möglichen Rahmenkredit für Brasilien vgl. die Notizen von R. Probst vom 11. Oktober 1967, dodis.ch/33639; vom 19. Oktober 1967, dodis.ch/33641 sowie vom 29. Mai 1968, dodis.ch/33661.↩
- 9
- Vgl. das Schreiben von E. Léchot an J. Humbert vom 9. Dezember 1966, dodis.ch/31590.↩
- 10
- Zur Exportförderung in Brasilien vgl. das Schreiben von G. Bucher an R. Montandon vom 26. September 1968, dodis.ch/33724.↩
Tags
Brazil (General) Export Risk Guarantee (ERG)