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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 23, doc. 72
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2804#1971/2#454* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2804(-)1971/2 75 | |
Titre du dossier | Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (1964–1966) | |
Référence archives | 170.91 |
dodis.ch/31722 Notiz des Vorstehers des Politischen Departements, F. T. Wahlen1
Ich empfing am 12. März Herrn Dr. Georg Brunschvig, den Präsidenten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, um ihn über gewisse Befürchtungen zu orientieren, die Herr Botschafter Keel in Verbindung mit der Stellungnahme zum Boykott gegen Israel2 in seinem Schreiben vom 5. März3 geäussert hatte.
Herr Dr. Brunschvig war erstaunt, dass die jüdische Gemeinschaft im Libanon noch so zahlreich und so einflussreich ist. Er wird sich im Anschluss an das Gespräch näher über die Stellung der verbliebenen jüdischen Kolonien in den arabischen Ländern orientieren4, um sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Er sagte, dass die jüdische Gemeinschaft in der Schweiz im Hinblick auf die Lage der Juden in der Sowjetunion5 die grösste Zurückhaltung ausübe, da jede Stellungnahme nur zur Verschlechterung ihrer ohnehin sehr prekären Lage führen müsste. Ich zweifle nicht daran, dass aus der gleichen Überlegung heraus auch die von Herrn Botschafter Keel ausgesprochene Warnung ihren Zweck nicht verfehlen wird.
Im Anschluss an dieses Gespräch kam Herr Dr. Brunschvig erneut auf die Affäre Kamil6 zu sprechen. Offenbar ist die jüdische Gemeinschaft von der Antwort von Herrn Bundesrat von Moos auf die Interpellation Schmid7 nicht befriedigt. Man wird mit weiteren Interventionen rechnen müssen.
Endlich sagte mir Herr Dr. Brunschvig, er hätte auf die Neuigkeit hin, dass Herr Serra zum Geschäftsträger in New Delhi ernannt worden sei8, zahlreiche Protestschreiben erhalten, die darin gipfelten, er möchte bei mir vorstellig werden. Er habe das abgelehnt im Hinblick auf meine Gespräche mit ihm, die ihm gezeigt hätten, dass das Departement die Vorfälle mit Herrn Serra9 aufrichtig bedaure. Ich möchte aber diese Aussagen doch festhalten, um daran zu erinnern, dass wir reichlich Gras über die unglückliche Affäre wachsen lassen müssen, bevor Herrn Serra ein Botschafterposten10 anvertraut werden kann. Es ist ihm auch bei erster sich bietender Gelegenheit in Erinnerung zu rufen, wie ausserordentlich vorsichtig er sich verhalten muss, um nicht neues Öl ins immer noch mottende Feuer zu giessen.
- 1
- Notiz: E 2804(-) 1971/2 Bd. 75 (170.91). Kopie an die Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements.↩
- 2
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 57, dodis.ch/31704, bes. Anm. 7.↩
- 3
- Vgl. den Auszug aus dem Bericht der schweizerischen Botschaft in Beirut vom 5. März 1965, dodis.ch/31726.↩
- 4
- Vgl. das Schreiben von G. Brunschvig an F. T. Wahlen vom 16. März 1965, dodis.ch731724. Vgl. ferner das Schreiben von G. Keel an F. T. Wahlen vom 19. März 1965, dodis.ch/31725.↩
- 5
- Vgl. dazu das Schreiben von A. R. Ganz an das Politische Departement vom 23. August 1966, E 2300-01(-) 1973/156 Bd. 6 (A.21.31).↩
- 6
- Zur Affäre Kamil vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 28, dodis.ch/31386, Anm. 19 und 20.↩
- 7
- Vgl. hierzu die Antwort des Bundesrats vom 8. Oktober 1964 auf die Interpellation von W. Schmid vom 9. Juni 1964, dodis.ch/31292.↩
- 8
- Vgl. dazu das BR-Verhandlungsprot. der 74. Sitzung vom 27. Oktober 1964, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 1: Verwendung des zurückgetretenen Protokollchefs. Herr Wahlen teilt dem Rate seine Absichten mit. Der Rat hat keine Einwendungen zu machen.↩
- 9
- Vgl. dazu die Notiz von P. Micheli vom 10. September 1964, dodis.ch/31716 und das Verhandlungsprot-BR der 55. Sitzung vom 14. August 1964, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 2 f.: M. Wahlen donne des informations sur cette affaire et sur les faits qui sont à son origine. […]Je lui ai donné une «strenge Belehrung» et j’ai bloqué sa promotion pour six mois. […]Il est désagréable de se laisser mettre sous pression, mais je ne vois pas comment maintenir Serra à son poste, ni comment le nommer chef de poste à l’étranger. [Suit]un échange de vues sur la nécessité de ne pas céder aux pressions, sur la gravité des fautes du chef du protocole, sur l’attitude peu reluisante d’une certaine presse, sur l’idée de réunir les représentants des milieux juifs sérieux pour les rassurer sur l’état d’esprit qui règne au palais fédéral (pas d’antisémitisme) et leur dire que le département politique envisage le déplacement de Serra pour le fin de l’année. Vgl. ferner das BR-Verhandlungsprot. der 56. Sitzung vom 21. August 1964, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3 und Doss. E 2024-02(A) 1999/137 Bd. 374 (a.215 P).↩
- 10
- Für die Ernennung von E. Serra zum schweizerischen Botschafter in Kolumbien und Ecuador vgl. das BR-Prot. Nr. 1884 vom 27. November 1968, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 739.2. Der grundsätzliche Entscheid dazu wurde von W. Spühler am 7. November 1968 getroffen. Vgl. die Notiz von F. Bieri vom 7. November 1968, Doss. wie Anm. 8. Zur Person vgl. dodis.ch/P2683.↩