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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 23, doc. 162
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2005A#1978/137#540* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2005(A)1978/137 142 | |
Titolo dossier | Projekte und Aktionen (1964–1966) | |
Riferimento archivio | t.311 • Componente aggiuntiva: Rwanda |
dodis.ch/31360 Notiz des Delegierten für technische Zusammenarbeit, A. R. Lindt1 Gespräch mit Kayibanda, Präsident von Rwanda, August 1966 in Kigali
K[ayibanda]: Ich habe Ihren Brief vom 28. Mai 19652 nicht beantwortet. Delikate Angelegenheiten werden besser mündlich behandelt; schriftliche Auseinandersetzungen führen oft zu Missverständnissen.
L[indt]: Ich glaube mich nicht zu täuschen, dass Sie, Herr Präsident, aus Rwanda einen Rechtsstaat zu machen wünschen. In einem Rechtsstaat aber müssen Schuldige zur Verantwortung gezogen werden. Meines Wissens hat die gerichtliche Voruntersuchung gegen die Verantwortlichen der Massaker in Gikongoro3 genügend Anhaltspunkte für die Aufnahme eines Gerichtsverfahrens zu Tage gefördert. Es ist für die Freunde Rwandas schwer verständlich, dass dieser Voruntersuchung keine Folge gegeben wird. Dadurch, dass die Inyenzi4 verurteilt wurden, während die Verantwortlichen der Massaker straflos ausgingen, wird eine Rechtsungleichheit geschaffen, die das Bestehen eines Rechtsstaates negiert.
K[ayibanda]: Ich trete für die Schaffung eines Rechtsstaates ein. Verlangt dieser Begriff aber nicht, dass sich alle Bürger eines Staates an den Rechtsbegriff halten? In Rwanda ist dies nicht der Fall. Einige der Tutsi arbeiten mit Flüchtlingen zusammen, die vom Ausland her, mit Unterstützung gewisser Mächte, den Sturz der legalen Regierung Rwandas vorbereiten. Kann ein Staat, der sich behaupten will, das gleiche Recht gegenüber Aufrührern und gegenüber rwandesischen Bürgern anwenden, die sich aus Übereifer in der Verteidigung gegen die Umsturzpläne zu Massnahmen hinreissen liessen, die menschlich nicht gebilligt werden können? Unsere Lage erlaubt uns noch nicht, ein Rechtsstaat im vollen Sinne zu sein. Dies ist aber nicht unsere Schuld, sondern diejenige der Inyenzi.
L[indt]: Gehen die Verantwortlichen der Massaker straflos aus, wird dies Folgen für die Zukunft haben. Weitere Angriffe der Inyenzi müssen erwartet werden. Ihre Folgen werden unweigerlich neue Massaker sein. Wie stark diese Ausschreitungen das internationale Ansehen Rwandas schädigen können, haben die Ereignisse der Dezember-Tage 1963 gezeigt5.
K[ayibanda]: Sie vergessen, dass ich die Untersuchung gegen die Verantwortlichen in Gikongoro nicht niedergeschlagen habe. Die Dokumente der Voruntersuchung bleiben bestehen. Die in dieser Voruntersuchung Belasteten wissen, dass die Regierung jederzeit das Gerichtsverfahren gegen sie einleiten kann. Über ihren Köpfen baumle ich das Damoklesschwert.
L[indt]: Ich weiss nicht, ob diese Abschreckung genügend ist. Das Gerichtsverfahren wäre eine schärfere Warnung.
K[ayibanda]: Im Allgemeinen habe ich die Erfahrung gemacht, dass Persönlichkeiten für die verurteilten Inyenzi eintreten, die direkt oder indirekt am Sturz der Regierung interessiert sind. Ich kenne Sie zu lange, um zu wissen, dass dies bei Ihnen nicht der Fall ist. Sie können aber nicht alle Auswirkungen abschätzen, die eine Aufnahme des Gerichtsverfahrens im gegenwärtigen Augen blick auslösen würden. Ich gebe Ihnen aber mein Ehrenwort, dass ich die zum Tode verurteilten Inyenzi nicht hinrichten lassen werde.
L[indt]: Ich danke Ihnen für dieses Versprechen. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen wäre es aber angezeigt, formell die Verurteilung zum Tode in lebenslängliches Zuchthaus umzuwandeln, wobei nach guter Führung nach einigen Jahren die Entlassung aus dem Gefängnis vollzogen werden könnte.
K[ayibanda]: Ich schliesse diese Möglichkeit nicht aus. Der Augenblick für eine Umwandlung der Strafe ist aber sehr sorgfältig auszuwählen.
- 1
- Notiz: E 2005(A) 1978/137 Bd. 142 (t.311).↩
- 2
- Nicht ermittelt.↩
- 3
- Vgl. der Bericht von H. K. Frey vom Juni 1964, dodis.ch/31361.↩
- 4
- Abschätziger Begriff für die Tutsi Bevölkerung, die mit der Unabhängigkeit Ruandas und der Ausrufung der ersten Republik 1962 aus Ruanda geflüchtet war und in den Nachbarländern im Exil lebte. Diese wurden von der ruandischen Regierung für die Massaker im Dezember 1963 und Januar 1964 verantwortlich gemacht.↩
- 5
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 24, dodis.ch/31351, Anm. 7.↩