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1938-1943
AfZ; Bestand SIG, Protokolle Sitzungen Central-Comité 1938-1943
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Protokolle der Sitzungen des Central-Comités des SIG vom 18.8.1938 bis zum 11.11.1943

Kommentar UEK:
Der Bestand des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes liegt im AfZ. Für den Flüchtlingsbericht wurden die SIG Protokolle hinsichtlich des Kapitels über die Finanzierung der Flüchtlingshilfe durchgesehen. Der finanzielle Druck, der auf den jüdischen Gemeinden lag, lässt sich in den Protokollen gut nachvollziehen. Immerwieder werden Versuche unternommen, die Juden in der Schweiz zu weiteren Spenden anzuhalten und alle Möglichkeiten für Geldbeschaffung zu prüfen. In den Protokollen werden die verschiedenen Positionen einzelner Mitglieder des Central-Comités deutlich und ihre Vorschläge für politisches Handeln gegenüber den Behörden. In den ersten Jahren vertreten viele die Ansicht, wenn die jüdischen Gemeinden die Kosten für die Flüchtlingshilfe nicht aufbringen könne, werde das Antisemitismus schüren und die Behörden zu einer (noch) härteren Politik veranlassen. Über die Grenzschliessung von 1942 sind alle bestürtzt, ihren Einfluss bei den Behörden schätzen sie als gering ein. Der SIG einigt sich darauf, an die Öffentlichkeit zu gelangen und dort vor allem über die tatsächliche Verfolgungssituation der Juden in NS-Deutschland zu aufzuklären.


Folgende Protkolle sind kopiert (zum Teil vollständig, zum Teil wichtige Seiten):

18.8.1938, Basel (Kopie)

Saly Mayer berichtet, dass dem Gemeindebund und dem Verband Schw. Israel. Armenpflege von der FrePo die «Verpflichtung auferlegt wurde, für die Flüchtlinge in der Schweiz und für ihre Ausreise soweit als möglich zu sorgen, indem die Regierungen der Asylländer an der Konferenz von Evian ausdrücklich jede finanzielle Verpflichtung für die unfreiwillig Ausgewanderten abgelehnt haben.»
Betreute Flüchtlinge: 885 durch Zürich; 430 durch Basel; 350 durch St. Gallen; 80 durch Genf; insgesamt 1745.
Finanzielle Situation: Mayer erklärt die finanzielle präkere Lage des SIG und verweist auf die spezielle Verantwortung. «Falls nicht die nötigen Garantien für die Durchhaltung der Flüchtlinge gegeben werden können und die bisherige Organisation nicht aufrechterhalten werden kann, macht man behördlicherseits alle Vorbehalte für zu treffende Massnahmen und lehnt man jede Verantwortung für die Folgen ab.»
SIG nimmt Kontakt mit dem Joint und dem Council for German Jewry, die Unterstüzung in Aussicht stellen; um Mitarbeit bei der Finanzierung wurden auch Armand Dreyfus, Walter J. Bär und Paul Dreyfus-de Gunzbourg angefragt.
Saly Braunschweig schlägt folgende Massnahmen vor:
Vorschlag an die eidgenössischen und kantonale Behörden, ausländische Juden mit einer Abgabe zu Gunsten der Flüchtlinge zu belegen und neue Sammlung in den Gemeinden zu lancieren. (Idee der Solidaritätsabgabe wird erstmals aufgegriffen) «Wenn die Beschaffung der Mittel nicht gelingt, dann droht die Rückweisung der Flüchtlinge nach Deutschland.»
Diskussion über dringliche Überbrückungskredite durch die einzelne Gemeinden für die Flüchtlingshilfe.
Grenzsperre: Telefonische Nachricht, dass der BR eine vollständige Grenzsperre einführen wird.
Saly Mayer teilt mit, dass Rothmund wenn immer möglich an den Delegiertenversammlungen referieren wird.

19.9.1938, Basel (Kopie)

Betreute Flüchtlinge: 2300; zusätzlich ca. 1700 illegale österreichische Juden.
Bericht über Unterstützung durch den Joint und andere.
Berichtet wird, dass die Behörden das Vorhaben begrüssen, vermögende ausländische Juden zu belasten. (Solidaritätsabgabe)

18. Dezmeber 1938, Basel (Kopie)

Saly Mayer berichtet über Treffen in Paris mit Joint und HICEM: Auswanderung möglichst geordnet durch jüd. Institutionen organsieren; höchst gefährdete Personen vorrangig aufnehmen; Kinderhilfe forcieren; für Auswanderung die Personen auswählen, die gute Voraussetzungen mitbringen usw.
Zur Grenzschliessung: «Auch diejenigen Kantone, welche in der Hereinnahme von Flüchtlingen ziemlich large waren, haben eingesehen, dass Halt gemacht werden musss. Der Bestand der Gemeinden, des Gemeindebundes, des V.S.I.A und des Judentums der Schweiz überhaupt muss gesichert bleiben. - Es liegt von keiner Seite ein Antrag vor, die Grenze zu schliessen; aber man muss sich beschränken auf nahe Verwandte, Kinder und um das Judentum verdiente Persönlichkeiten und kann ein unkontrolliertes Eindringen Unbekannter nicht länger über sich ergehen lassen.»


16.2.1939, Basel (Kopie)

Jahresrechnung 1938 und Budget 1939
Diskussion um weitere Mittelbeschaffungen für die Flüchtlingshilfe

15.6.1939, Zürich (Kopie)

Orientierung über die finanzielle Situation des SIG
Solidaritätsabgabe: Silvain Guggendheim berichtet, dass es schwierig sei, die Namen von ausländischen, vermögenden Juden zu erhalten. Im Kanton Zürich vergehe viel Zeit, bis die Steuerbehörden die Namen bekannt gäben. Über Bern sei es auch ineffizient, da es lange dauere bis Aufenthaltsbewilligungen zur Verlängerung fällig seien. Mit Inseratenkampagnen erreiche man nicht alle. Man müsse sich die Namen über Juden beschaffen, die in diesen Kreisen gut vernetzt sind. In Lausanne, berichtet Marcel Mayer, habe man sich die Namen über das Polizeidepartement beschafft. Die meisten erklärten allerdings, sie hätten nichts und bräuchten das wenige für sich selbst. Alfred Goetschel erinnert an die Möglichkeit, über das Einwohnermeldeamt, dass Personen nach Einkommensklassen führt, an die Namen zu gelangen. Braunschweig will an den Rothmund gelangen, um eine solche Liste zu erhalten.
Weiterwanderung wird immer schwierger, praktisch unmöglich. Mayer referiert die Haltung der amerikanischen Juden (Juden in Oststaaten sollen für ihr Bleiberecht kämpfen und nicht für Auswanderung) und der französischen Juden (kein Geld, keine Planung, nicht aktionsfähig für grössere Pläne). Für die Flüchtlinge in der Schweiz, so Braunschweig, komme nur Amerika, England und Palästina in Frage. Palästina sei immer mit Geld unterstützt worden und solle sich dafür nun kenntlich zeigen. Saly Mayer erwartet von den Behörden ein entgegekommen gegenüber den älteren Flüchtlingen: «sie vermehren sich nicht mehr und berühren den Arbeitsmarkt nicht; ihre Zahl wird von selbst abnehmen. Familien mit Kindern erwecken mehr Bedenken, weil die letzteren die Schulen besuchen und einmal ins Erwerbsleben treten müssen.»
Staatenlose: S. Mayer referiert das Ausbürgerungsgesetz in Polen vom 31.3.1938 und die Verordnung vom 8.10.1938 (Kontrolle der Pässe in polnischen Konsulaten). Der SIG machte in den Gemeinden umfragen. Es stellte sich heraus, dass die Kantone die Staatenlosigkeit unterschiedlich behandeln. In einigen Fällen sei es Bern, dass rigoroser entscheide, obwohl der Bund behaupte, er habe wichtigeres zu tun, als sich um diese Geschichten zu kümmern. Braunschweig rechnet mit Ausweisungen, hoher Kautionsforderungen und Schaffung rechtlicher Grundlagen. Die Gemeinden und der SIG werden behilflich sein müssen, sofern es sich um Gemeindemitglieder handle. E.B. Sadinsky ist der Ansicht, dass man grundsätzlich für alle Juden sorgen solle. In Zürich seien ca. 700-800 Personen staatenlos geworden. Nicht alle würden ausgeschafft, aber die Kautionen auf bis zu Fr. 5000.- festgelegt. S. Mayer ist der Ansicht, mit den kantonalen Behörden solle sich die Gemeinden auseinandersetzen, der SIG verhandle auf Bundesebene. Er orientiert über den in Vorbereitung befindlichen BRB über Emigranten, dem die Staatenlosen vermutlich nicht unterstellt werden.
Orientierung über den Jüdischen Weltkongress durch Saly Mayer.

19.11.1939, Basel (Kopie)

S. Mayer weist auf die Verfolgungssituation der Juden in Polen hin. Er kommentiert den BRB vom 17.10.1939, der die Emigrantenfrage straffer und härter fasse, aber auch mehr Klarheit schaffe. Positiv wird vermerkt, dass bemittelte Emigranten zu Beiträgen an die Flüchtlingsorganisationen angehalten werden können.
Der BRB vom 5.9.1939 über die Meldepflicht wird vermerkt.
Finanzierung: Kostensparen durch Förderung der Auswanderung; Appellation an die Opferbereitschaft. Saly Mayer hält fest, wenn die Kosten für die Flüchtlinge nicht aufgebracht werden könnten, man es dem Bund überlassen müsse..
Joint: Die Zusagen werden verbindlich genommen. Troper vom Joint schätzt den Lebensstandard der Flüchtlinge hoch ein im Vergleich zu andern Ländern (Holland, Belgien und Frankreich). Die Schweiz erhalte verhältnismässig hohe Zahlungen. Guggenheim vermerkt, dass durch die Errichtung von Lagern und Suppenküchen Kosten gesenkt werden können. Allerdings erhöhen sich die Weiterwanderungskosten, da die Zielländer nun meist in Übersee sind. Man rechnet mit Fr. 1000.- pro Person. Viele Flüchtlinge erhielten zudem ihre Devisen nicht mehr. Schätzungen über Flüchtlingszahlen.
In Frankreich ergeben sich für deutsche und oesterreichische Juden immer häufiger Schwierigkeiten bei der Durchreise, z. T. Internierungen, auch für diejenigen, die aus der Schweiz kommen.
SIG begrüsst den freiwilligen Arbeitsdienst, der die Flüchtlingshilfe von Kosten entlastet.
Georges Bloch referiert über das Hilfswerk für Emigrantenkinder. Am 10.11.1938 wurden etwa 300 jüdische Ferienkinder eingelassen, die aber nicht in Familien, sondern in Heimen untergebracht wurden. Dies belaste das Hilfswerk finanziell stärker.
Bericht über Sammelergebnisse und Ausgaben. Wichtig seien die Sammlungen für das Image der jüdischen Gemeinden; dies sei die beste Aufklärung und Abwehr von Antisemitismus.
Für die Solidaritätsabgabe gibt es noch keine Aufsührungsbestimmungen.
Staatenlose Polen: Braunschweig berichtet, dass zwar zahlreiche polnische Juden in der Schweiz staatenlos seien, die Behörden aber zur Zeit niemanden nach Polen zurückschicken könnten. Dafür würden Kautionen verlangt. Plädyer für die Zusammenarbeit des Gemeindebundes mit ostjüdischen Organisationen, um die Aktionen zu koordinieren.

12.3.1940 Zürich (Kopie 1,6,7)

Saly Mayer stellt den Antrag, dass das C.C. den erweiterten Geschäftsausschuss ermächtigt, alle Massnahmen zu ergreifen, um die Solidaritätsabgabe zu erheben. S. Guggenheim verweist darauf, dass die Auswanderung fast nicht mehr möglich sei und die Kosten so nicht mehr gesenkt werden. Der Arbeitsdienst für Emigranten wird aufgrund der Kosteneinsparung begrüsst. Doch dürfe das nicht dazu führen, dass der Joint seine Beiträge kürze.

16. Sept. 1940 Bern (Kopie 1,3,4)

Guggenheim berichtet, dass z.Z. noch 2365 unbemittelte Flüchtlinge unterstüzt werden. Die Auswanderung sei fast unmöglich. Die Schw. Behördn seien in Frankreich vorstellig geworden, um die Durchreise von Flüchtlingen nach San Domingo zu ermöglichen. Finanzielle Entlastung nur durch Arbeitsdienst möglich. Ausserdem würden die Flüchtlinge durch den Arbeitseinsatz besser auf die Auswanderung vorbereitet werden.

25.6.1940, Bern (Kopie)

Saly Mayer erläutert die Lage. Alles mögliche sei unternommen worden, um die Mittelbeschaffung ins Zentrum der Bemühungen aller Gemeinden zu setzen, «um den Behörden zu beweisen, dass wir nochmals eine äusserste Anstrengung unternehmen, bevor wir erklären, dass wir die Flüchtlingshilfe nicht mehr bemeistern können oder bevor wir Bundeshilfe in grossem Umfange nachsuchen, wofür uns der gegenwärtige Zeitpunkt von behördlicher Seite als ungeeignet bezeichnet wurde.» S. Guggenheim rekapituliert Einahmen und Ausgaben. Pierre Bigar hält fest, dass nur noch für einen Monat Mittel vorhanden sind und zwar bei Verwendung sämtlicher Gemeindebudgets. Dennoch ist er der Ansicht, dass es Antisemitismus nach sich ziehen würde, wenn der Bund für die Flüchtlingshilfe aufzukommen hätte.
Berichte aus den einzelnen Gemeinden: Erstmals wird das Argument eingebracht (von Alfred Goetschel), dass sich manche Leute zurückhaltend im Spenden verhielten, weil sie noch Verwandte im Elsass oder übrigen Frankreich zu unterstützen hätten. Z. B. Davos, wo 6 jüdische Familien ansässig sind, die für 70-80 Flüchtlinge sorgen sollten.
S. Guggenheim ist dagegen, dem Bund gegenüber zu erklären, der SIG könne die Flüchtlingshilfe nicht mehr bezahlen.
Saly Mayer erklärt, wenn ihm das Geld nicht zur Verfügung stehe, werde er zurücktreten. Er bedauert, dass der SIG Rothmund nicht eingeladen hat, der gerne vorgesprochen hätte. Man könne nun nicht an den Bund gelangen, die Kosten nicht mehr zu zahlen. Der Druck auf die Juden würde sich erhöhen, auch auf die hier ansässigen Juden. Er ist der Ansicht, dass die Eigenleistung bei der Flüchtlingshilfe unbedingt erbracht werden müssten. Insbesondere die ausländischen Juden müssten durch ihren Beitrag zeigen, dass sie auch Verantwortung übernähmen. Die Möglichkeiten seien noch nicht erschöpft.
Pierre Bigar stellt fest, dass es handle sich «um die Zukunft der Juden in der Schweiz, ja der Juden in Europa. Man wird unsere Leistungen würdigen, was für uns eine Sicherheit bedeutet. Es darf nicht soweit kommen, dass man sich selbst ein Ende machen muss.» In der folgenden Diskussion ziehen sich zwei Positionen durch: Eine Mehrheit findet, man müsse mit allen Mitteln die Spendebereitschaft der Juden erhöhen, notfalls mit Zwang, um Antisemitismus und einer (noch) rigoroseren Flüchtlingspolitik durch den Bund zu verhinderen. Eine Minderheit weist auf die Belastung der jüdischen Bevölkerung hin und glaubt, dass man die Behörden und Bevölkerung darüber aufklären müsste, was die jüdische Gemeinde alles leiste, das würde dann auf Verständnis stossen.

16.2.1941, Bern (Kopie)

Jahresrechnung; Aufstellung der Sammelergebnisse, die in den Vorjahren besser waren. Grund: Wegzug finanzkräftiger Gemeindemitglieder; Budget 1941.
Pierre Bigar berichtet von seiner Reise nach Amerika: Treffen mit dem Joint; Sammlung bei den Schweizer Juden in New York (Fr. 100'000!).
Den obligatorischen Arbeitsdiens der Emigranten dürfe nicht aufgrund der vorkommenden Härte bekämpft werden. Einfühlnahme mit Behörde sei positiv. Diverse Überlegungen werden angeführt: Die Schweizer Bevölkerung sei auch ohne Rücksicht auf ihre soziale Stellung, in Mitlitärdienst, Hilfsdienst, Arbeitsdienst, Sanitätsdienst und Anbauwerk einbezogen. Der Arbeitsdienst sei eine erhebliche Entlastung für das Hilfswerk. Die Demonstration körperlicher Arbeit zerstöre das Stereotyp, Juden seien ein «nichtarbeitender Bevölkerungsteil.»
Die finanzielle Lage hat sich etwas entspannt, durch die Sammelaktion der Schweizischen Zentralstelle für Flüchtlingshilfe.
Solidaritätsabgabe: Manche Emigranten sind schon fortgeszogen, bevor sie erfasst werden. Deshalb werde nun die Ausreise verunmöglicht durch Nichterteilung des Rückreisevisums, solange die verlangte Solidaritätsabgabe nicht bezahlt ist. Die Eidg. Steuerverwaltung hat ein Schema für die Berechnung entworfen, das an das Auswanderer-Wehropfer angelehnt ist. So wolle man den Einwand der Willkür beseitigen.
Diskussion einer Wegleitung (No. 3) des Vortragsdienstes der Sektion Haus & Herr. Die Wegleitung sei antisemitisch. Der SIG dikutiert, in welcher Form protestiert werden solle.
Sammlungen in den Gemeinden: Pro Gemeinde wird ein Betrag festgesetzt, den sie durch ihre Mitglieder aufzubringen hat.
Auländische Juden: Fälle bekannt geworden, bei denen auländische Juden, die eine Ausländer- oder Niederlassungsbewilligung haben und sogar in der Schweiz geboren worden sind, auf Toleranz gesetzt wurden. SIG will Fälle sammeln.
Bericht über Tätigkeiten im Lager Gurs, Etania und Hilfsaktionen für Juden in Polen.

2.11.1941, Bern (Kopie)

Aufstellung der Finanzen
Aussprache über die Einreise von Flüchtlingen aus Deutschland, die den Deportationen zu entkommen versuchen. Bedenken hinsichtlich politischer und finanzieller Folgen; es könne nur eine beschränkte Anzahl aufgenommen werden. Fremdenpolizei habe sich nach einer Stellungnahme erkundigt. «Den Behörden wäre möglicherweise eine Ablehnung unsererseits willkommen.» Vorzug sollte die Familienzusammenführung haben.
SIG wünscht ein Kreisschreiben der Eidg. Fremdenpolizei an die Kantone, wonach diese und die Gemeinden Aufenthaltsgesuche wohlwollend prüfen sollten. «Es werden z.Zt. bei niedergelassenen Juden so hohe Kautionen für Angehörige verlangt, dass sie dieselben nicht aufbringen können, sodass es nicht verstanden würde, wenn Angehörige von Flüchtlingen ohne Kaution in der Schweiz Aufenthalt finden könnten und sie dazu von durchthalten würden. Es sollten Richtlinien aufgestellt werden. [...] Eine Anregung geht dahin, den jüd. Hilfsvereinen in Deutschland mitzuteilen, dass wir bereit seien, eine beschränkte Anzahl von ihnen ausgewählte Personen zu übernehmen, z.B. um die Gemeinde oder allgemein um das Judentum verdiente Personen. Dies wäre der Einlassung Unbekannter vorzuziehen und würde uns die Auslese erspraren.» Der SIG will den Behörden die finanzielle Lage erklären, und nur eine moralische, aber nicht eine rechtsverbindliche Verpflichtung übernehmen. Längere Diskussion. Vorschlag, die Behörden eine Sondersteuer erheben zu lassen: Guggenheim lehnt das ab, da es der Beginn für eine Ausnahmegesetzgebung gegenüber Israeliten bedeuten könnte. «Im Weiteren wurde uns nahegelegt, uns nicht einfach ablehnend zu verhalten, damit die Behörden nicht gestützt hierauf eine negative Stellung einnehmen.»
Längere Diskussion um Kompetenzenregelung innerhalb des SIG.

Referat von Prof. Guggenheim an der Sitzung des CC des SIG vom 17.11.1941 bezüglich Schutz der Juden Schweizerischer Staatsangehörigkeit in Frankreich.

Die Geschäftsleitung des Zentralkomitees hat Prof. Paul Guggenheim beauftragt, ein Eingabe Vorzubereiten bezüglich dem Schutz der schweizerischen Juden in Frankreich. Er erklärt dem SIG die politischen und juristischen Argumente.

11.2.1942, Bern (Kopie 1, 6-9)

Traktandum «Ordre Public»: Ein zweites Schreiben von Prof. Paul Guggenheim an den BR bezüglich der Haltung Schweizer Konsulate in Frankreich. «Der diplomatische Schutz dürfe nicht davon ausgehen, dass Schweizer Juden in Frankreich nur soviel verlangen dürfen, wie französische Juden.
Bericht über Situation in Frankreich

13.4.1942, Zürich (Kopie)

Brief vom Polit. Departement. Paul Guggenheim berichtet aus vertraulichen Quellen, dass die Eingabe des SIG vom 17.11.1941 vom Justizdepartement nur summarisch behandelt worden. Die Gesandschaft in Vichy sei angefragt worden, ob eine grundsätzliche Intervention bei der französichen Regierung als opportun erscheine, was verneint worden sei. Das Justizdepartemen stelle sich auf den Standpunkte, es handle sich um eine politsche Angelegenheit und die Rechtsfrage käme erst in zweiter Linie. Es werde bei der frz. Regierung nicht interveniert. Längere Debatte über die Niederlassungsverträge und den Ordre Public.

20.8.1942, Bern (Kopie)

Zur Grenzschliessung: Saly Mayer berichtet über die Lage an der Grenze seit Anfang August und seine Unterredung mit H. Rothmund am 13.8.1942. Behörden künden Grenzschliessung und Rückweisungen an.
H. Rothmund trifft ein, um SIG behördliche Beschlüsse zu erklären. Er referiert die Flüchtlingspolitik seit 1938 und legitimiert die Grenzschliessung.
Saly Braunschweig entgegnet, dass die Schweiz sich auch Fragen müsse, warum die Flüchtlinge kämen. Er berichtet von Deportationen und das die Flüchtlinge ihr Leben zu retten versuchten. Zurückweisungen seien zu unterlassen. Die Flüchtlingshilfswerke wären gezwungen die «illegal» eingereisten zu melden, obwohl ihnen dann eine Ausweisung drohen würde. «Es kann jedoch nicht die Aufgabe der Flüchtlingscomités sein als Polizeiorgane zu fungieren.» Es gäbe in der Schweiz kein Recht auf Asyl, aber dafür eine Asyl-Tradition.
S. Guggenheim: Findet es unzumutbar, dass die Hilfswerke Flüchtlinge melden sollen: «Wir können nicht zu Komplizen der Verfolger werden und mithelfen, die Flüchtlinge in den wahrscheinlichen oder ziemlich sicheren Tod zu jagen.»
Rothmund erwidert, dass er von deutschen Kommissären die Information habe, dass den Flüchtlingen bei ihrer Rückkehr nichts geschehe, sondern dass sie zur Arbeit veranlasst würden. (!sic) Eine Aufhebung des Bundesratsbeschlusses komme nicht in Frage. Er verstünde aber den «seelischen» Konflikt der Hilfswerke und entbinde sie von der Meldepflicht.
Nach Verlassen Rothmunds diskutiert der SIG weiter. Er will, dass die Rückschaffung von illegal eingereisten gestoppt wird. Georges Brunschvig ist der Auffassung, dass weitere Verhandlungen mit Rothmund und den Behörden sinnlos seien, man müsse versuchen, die öffentliche Meinung für die Sache einzunehmen. Marcus Cohn vertritt die Ansicht, dass es sich bei den jüdischen Flüchtlingen sehr wohl um politische Flüchtlinge handle, da es sich um eine «ausgesprochene politische Verfolgung handelt, vor der die Flüchtlinge fliehen. Auch sei es sinnlos, diese vor Deportationen fliehenden Juden schlechter zu behandeln, als Deserteure, die sich ihrer militärischen Pflichten gegenüber ihrem Heimatsstaat entziehen, wenngleich die Deportation im Zeitpunkt des Abschlusses der Haager Konventionen noch nicht erfunden waren.»

5.11.1942, Bern (Kopie 1, 7-11)

Bericht von Silvain Guggenheim über die Lage der Flüchtlingshilfe: Schwierigkeiten beim Vollzug der Freiplatzaktion; Rückstellungen usw.; spezielle Vereinbarungen wurden mit der polnischen und tschechischen Gesandtschaft getroffen, die 60% der Ausgaben übernehmen. Saly Mayer berichtet von den Schwierigkeiten beim Dollartransfer für den Joint; Kautionen für die Einreise von nahen Verwandten seien so hoch, dass sie viele nicht aufbringen können.
Weiter Diskussion dreht sich um die Nationalratsdebatte zur Flüchtlingsfrage. Kontroverse Einschätzung innerhalb des SIG.

21.1.1943, Bern (Kopie 1, 8-11)

Bericht und Diskussion über die Flüchtlingsituation; Vorbesprechung der Sitzung der SFZ und der Rolle von Sylvain Guggenheim an dieser Konferenz.

11.11.1943, Zürich (Kopie 1, 8, 9))

Zu den Sammlungen und den Ausgaben in der Flüchtlingshilfe.
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