Sprache: ns
30.5.1939-1946
BAR; E 2001(D) -/2, Bd. 277, B.44.20.06, Einreise-Kautionen für Ausländer nach der Schweiz
Information Unabhängige Experkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (UEK) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
________________________

1.2.1946 bis 17.4.1946

Mehrere Dokumente aus dem Jahre 1946, in denen es um die Frage geht, ob die Kautionen für die Einreise aus den USA in die Schweiz in Franken oder Dollar hinterlegt werden sollen und ob dies beim Generalkonsulat in New York geschehen soll. Im Vordergrund stehen praktische Fragen angesichts der Blockade der Guthaben und der Dollarbewirtschaftung.


1939: Umfrage der Eidg. Fremdenpolizei via die Abteilung für Auswärtiges bei den Konsulaten in Deutschland, Polen, Ungarn und Italien, welche Wirkungen Einreisekautionen haben, Sommer 1939.


1. Eidg. Fremdenpolizei an an die Abteilung für Auswärtiges, 30.5.1939:
Die Einreise von Ausländern wird u. U. von der Hinterlegung einer Kaution beim zuständigen Konsulat abhängig gemacht.
"Diese Praxis, die ursprünglich nur für Staatenlose galt, wird nunmehr in Einzelfällen auch für Personen verwendet, die sich als Emigranten entpuppen könnten. Die Kaution hat einen doppelten Zweck; sie soll einmal auf den Ausländer einen Druck ausüben, damit er innert der ihm gesetzten Frist in das Land zurückkehrt von dem er ausgereist ist, und überdies soll auf diese Weise eine Sicherheit dafür geschaffen werden, dass der Ausländer in der Schweiz der öffentlichen Fürsorge nicht zur Last fällt."
Durch die Devisenbewirtschaftung und die Enteignungsmassnahmen in verschiedenen Staaten ist der Zweck der Kaution in Frage gestellt. Deshalb folgende Fragen an die Konsulate in Deutschland, Polen, Ungarn und Italien:
"Welchen Druck übt sie [die Kaution] auf die Rückkehr des Ausländers aus? Kann es ihm unter Umständen gleichgültig sein, ob die Summe der schweizerischen Eidgenossenschaft verfällt, da er doch keinen Nutzen mehr davon hat? Kann das Geld ohne Schwierigkeiten in die Schweiz hereingenommen werden, oder belastet es unsern Clearingverkehr in ungünstiger Weise? Kann das Geld auf dem Konsulat nutzbringend verwendet werden, etwa für Unterstützungen von Schweizern?"
Unterschrift: Der Chef der Polizeiabteilung, Rothmund.

2. Le Chef de la Division des Affaires étrangères à la Légation de Suisse (Berlin, Rome, Varsovie, Budapest), le 5.6.1939:
Überweisung der Umfrage des EJPD. Feststellung, dass der Wert der Kautionen gesunken ist, da die Kaution für jene Mehrheit, die nicht mehr zurückkehrt, zumeist verloren ist, egal ob der Betreffende in der Schweiz bleibt oder in ein Drittland weiterreist. Allenfalls kann das Geld zurückgebliebenen Verwandten im Herkunftsland zugute kommen; eine Überweisung via Clearing ist auf jeden Fall ausgeschlossen, wenn der Kautionssteller die Schweiz verlassen hat.
Zusatzfrage: Wieviele Kautionen wurden jährlich gefordert, und in wievielen Fällen ist die Kaution der Eidgenossenschaft verfallen/geblieben (acquise)? Im letzteren Fall fällt die Kaution "dans notre fonds de roulement et ne passerait naturellement pas par le clearing".

3. Le Chef de la Division des Affaires étrangères (sign. Feldscher) à la Police fédérale des étrangers, le 8.6.1939:

Wenn der Ausländer nicht zurückkehren will, ist die Summe auf jeden Fall verloren:
"S'il reste en Suisse en violation des conditions mises à son séjour, la caution devrait être versée au fonds de roulement de notre représentation, tandis que, s'il se rend dans un pays tiers, il ne pourra guère en disposer qu'en faveur de parents ou d'amis ou pour payer des dettes dans son pays d'origine, mais il ne pourrait certainement pas en obtenir le transfert par le clearing avec la Suisse, sauf éventuellement s'il s'agissait d'y payer des dettes, puisqu'il ne se trouverait plus en Suisse au moment où la caution pourrait lui être rendue."

4. Schweizerische Gesandtschaft Budapest an Abt. für Auswärtiges, 22.6.1939

Kautionen wurden nur wenige hinterlegt; verfallen sind bisher keine. Die Gesandtschaft hat für solche Hinterlagen keine Verwendung; ein Transfer in die Schweiz widerspricht den ungar. Devisenbestimmungen. Bislang ist es dem Staat nicht erlaubt, das Vermögen jüdischer Auswanderer zu konfiszieren. Der Druck zur Weiterreise aus der Schweiz würde steigen, wenn die gestellte Kautionssumme sich in einem Land befindet, dessen Ein- und Ausfuhr von Zahlungsmitteln keinen gesetzlichen Bestimmungen unterliegt.
"Im übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass wenn ein Emigrant in die Schweiz reist, und die Gefahr einer ständigen Niederlassung besteht, eine derart hohe Summe verlangt werden könnte, dass wenig Aussicht besteht, diese von den meist ärmern ungarischen Emigranten hinterlegt zu bekommen."

5. Schweizer Konsulat in Lodz an Schweizerische Gesandtschaft in Warschau, 28.6.1939

Es wurde nur eine Kaution für 10'000 Zl. für einen jungen Mann hinterlegt, der in der Schweiz studiert. Die emigrationswilligen Polen, die aus Deutschland, der Tschechoslowakei etc. nach Polen zurückkamen, sind zumeist mittellos und wollen im Land, in das sie reisen, bleiben. Deshalb "weist das Konsulat alle Gesuche der Emigranten um Einreisevisen ab". Bar-Hinterlagen von ständig hier wohnenden wohlhabenden Polen haben dagegen einen ökonomischen Wert und können vom Konsulat zur Unterstützung von Schweizern in Polen verwendet werden.

6. Légation de Suisse en Pologne à la Division des Affaires Etrangéres, le 5.7.1939

Von 1937 bis 1939 wurden vier Kautionen für insgesamt 8'000 Zl. hinterlegt; sie wurden nach Rückkehr der Betreffenden alle wieder zurückbezahlt.

7. Schweizerische Gesandtschaft in Deutschland (Frölicher) an Abteilung für Auswärtiges, 13.7.1939
Übersicht über die 1935 bis 1938 hinterlegten 416 Kautionen im Gesamtbetrag von 683'800 Reichsmark. 1939 wurden keine Kautionen entgegengenommen. Zudem haben die Konsulate 144 weitere Kautionen entgegengenommen im Betrag von 177'480 RM + 3'750 Schilling. Bis auf 6 Kautionen wurden alle zurückbezahlt; soweit bekannt, sind alle Kautionssteller aus der Schweiz ausgereist. In einem Fall wurde auf eine Kaution durch die Schweizer Behörden zurückgegriffen (Sanatoriumsaufenthalt) und der Betrag über den Clearing in die Schweiz überwiesen. "Seit Ende 1937 werden hier [bei der Gesandtschaft] Kautionen nur noch bei Vorlage der Devisengenehmigung entgegengenommen." Das Kautionensystem bietet angesichts der rund 94% Vermögensabgabe keinen Anreiz mehr für eine Rückkehr nach Deutschland, und es kommt den meisten Personen nicht darauf an, noch einige Mark zusätzlich als Kaution zurückzulassen. Um die Weiterwanderung aus der Schweiz zu fördern, wäre es nützlicher, "die Kautionsstellung in Zukunft von dem in der Schweiz lebenden und als Referenz dienenden Anhang der Gesuchsteller zu fordern. Dann hätten nicht nur die schweizerischen Behörden, sondern auch die Kautionssteller in der Schweiz ein Interesse an der rechtzeitigen Weiterwanderung des Kautionspflichtigen."

Diverse Schreiben der Gesandtschaft und der Konsulate in Italien
Diese Schreiben bestätigen den Gesamteindruck: Ausser in Deutschland spielten Kautionen quantitativ nirgends eine bedeutende Rolle. Immerhin weist das Schweizer Konsulat in Turin mit Brief vom 1.8.1939 an die Abt. für Auswärtiges darauf hin, dass es nie eine Kaution für ein Einreisevisum verlangt hat, dass es aber im vergangenen März auf Verlangen der Eidg. Fremdenpolizei von einem Israeliten, der zur Weiterreise in die USA eine Einreise in die Schweiz beantragte, eine Kaution forderte, worauf das Einreisegesuch zurückgezogen wurde. Angesichts der Lage der Juden in Italien werden in Zukunft alle Gesuche der Eidg. Frepo vorgelegt, und der Konsul in Turin fragt sich, ob es nicht vorsichtig wäre, von allen Personen dieser Kategorie eine Kaution zu verlangen, da sie früher oder später vermutlich nicht mehr nach Italien zurückkehren werden.

Zwei Einzelfälle

Gennadij Miagkov: Gesuch um Überweisung der in Prag für die Einreisebewilligung hinterlegten Kaution, da er in der Schweiz lebt und Schulden hat. Die Summe wird nicht überwiesen, sondern verrechnet, indem das Geld der Gesandtschaft in Prag zugute kommt und die Kaution der kant. Fremdenpolizei Waadt gutgeschrieben wird.
F. Horinsky-Reichenstein: Kaution wird durch Heirat und Erwerb der englischen Staatsbürgerschaft hinfällig. Gesuch um Rückerstattung. Entscheid nicht überliefert.

Kopien

1. Eidg. Fremdenpolizei an an die Abteilung für Auswärtiges, 30.5.1939
2. Le Chef de la Division des Affaires étrangères à la Légation de Suisse (Berlin, Rome, Varsovie, Budapest), le 5.6.1939:
3. Le Chef de la Division des Affaires étrangères (sign. Feldscher) à la Police fédérale des étrangers, le 8.6.1939:
7. Schweizerische Gesandtschaft in Deutschland (Frölicher) an Abteilung für Auswärtiges, 13.7.1939
Zitierempfehlung: Kopieren

Aufbewahrungsort