Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 150
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1976/17#3536* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1976/17 505 | |
Dossier title | Verstaatlichungen in Italien (1962–1963) | |
File reference archive | B.34.66.0 • Additional component: Italien |
dodis.ch/18767
Interne Notiz des Politischen Departements1
Verstaatlichung der italienischen Elektrizitätsindustrie2. Disskussion der Arbeitsgruppe Italien der Schweizerischen Bankiervereinigung vom 13. Mai
Unter dem Vorsitz von Präsident Schaefer versammelten sich Vertreter der Grossbanken, Elektrowatt und Indelec und Herr Hentsch.
1. Umfang der Interessen. Die Bankiervereinigung machte eine Enquête über den Umfang der betroffenen Interessen. Ergebnis:
[...]3
Die Berechnung basiert auf dem Kurs vom Juni 1961.
Nach Gesetz gilt das Mittel der Kurse 1. 1. 59–31. 12. 61, welches 10–20% niedriger als Juni 1961, aber bedeutend höher als Kurs Ende 1962 ist. In den 150 Mio. SFr. hat es also noch eine Reserve. Eine zweite Enquête4 zeigte, dass sich alle Schweizerbesitzer für eine Anleihe interessieren. Bisher sprach man den Italienern gegenüber von 200–300 Mio. SFr. Sie werden nun angenehm überrascht sein.
2. Kreis der Begünstigten. Herr Schaefer ist kategorisch: eine Vorzugslösung kann nur für den Schweizerbesitz mit einiger Aussicht auf Erfolg verlangt werden. Dies bedingt eine entsprechende Schweizerbesitzerklärung. Wer soll sie abgeben? Nur die Grossbanken, wäre zu eng, alle Mitglieder der Bankiervereinigung zu weit. Also Mitglieder der Affidavit-Konvention A mit Kontrollrecht der Bankiervereinigung. Die Erklärung soll nicht Affidavit genannt werden, möglichst formlos und mit wenig Publizität.
Dr. Singer von der Kreditanstalt ist besorgt wegen dieser Erklärung. Er meint, dass alle nicht mit der Erklärung versehenen Aktien Gefahr laufen, als nicht versteuerter italienischer Besitz konfisziert zu werden. Das würde den Schweizer Banken enorme Verluste bringen und ihren Kredit gefährlich tangieren. Vor dem Dilemma, keine Sonderlösung für den Schweizerbesitz oder die Erklärung, ist er aber auch für letzteres.
Man versichert ihm, dass die Gefahr nicht so gross sei, da die Banken auch bedeutenden drittausländischen Besitz (so französischen in Genf) verwalten. Durch entsprechende Publizität der Bankiervereinigung im gegebenen Moment soll versucht werden, den von Singer befürchteten Schaden möglichst abzuwehren.
3. Vorzugslösungen für den Schweizerbesitz. Die Entschädigung in 5½% Lire obligationen auf 10 Jahre ist ungenügend. Auf Grund der Kontakte mit Gouverneur Carli von der Banca d’Italia zeichnen sich folgende Mög lichkeiten ab:
a) Der Schweizerbesitz an 5½% italienischen Obligationen erhält eine Kursgarantie der Banca d’Italia, ohne Kotierung in der Schweiz. Aussichtslos, da die Italiener damit zwei Tranchen schaffen würden, mit einem Kurs von ca. 120 der Obligationen mit Kursgarantie (interessantes Geschäft für die Aktionäre).
b) 4½% Anleihe für 10 Jahre, mit Kursgarantie und Kotierung in der Schweiz. Die Zinsdifferenz ginge als Kommission an die Banca d’Italia für die Garantie. Vielleicht könnte der Bund die Stempelsteuer reduzieren. Der Kurs käme wohl auf 104/105, also interessant.
c) Italienische Banken wären bereit, den gesamten schweizerischen Titelbesitz gegen bar zu übernehmen zu einem Kurs von ca. 90%. Schaefer hält auch das für nicht uninteressant, da die Entschädigung höher ist als der Kurs der Aktien Ende 1962.
Schaefer will wissen, auf welche Lösung er tendieren soll. Die Aussprache zeigt, dass die Holdings eine Barabfindung möglichst nahe an 100% wünschen. Die Banken tendieren aber auf eine Anleihe (Kommission), auch im Interesse der Kunden (sichere Anlage, wohl über pari).
Schaefer resümiert unser Verhandlungsbegehren:
In erster Linie: Kurzfristige Barauszahlung in SFr.
In zweiter Linie: Alternative: Entweder 10-jährige 4½% Anleihe mit Kursgarantie, wobei die Banken den Anteil der Holdings gegen bar übernehmen und ans Publikum abgeben könnten oder 90% Barkauf der italienischen 5½% Bonds über italienische Banken.
Formell: Sofort formlose Orientierung Carlis und Ersuchen um Ansicht5. Eigentliche Verhandlungen erst möglich, wenn eine dazu fähige italienische Regierung besteht.
Schaefer hält eine Intervention des EPD in diesem Stadium nicht für zweckmässig. Er glaubt, mit seinen Beziehungen zum bestmöglichen Resultat zu gelangen. (Ob das EPD im Interesse der Banken einmal bei der Begründung, warum der Schweizerbesitz allein bevorzugt wurde, mithelfen kann, wird wohl davon abhängen, ob der Vereinbarung irgendein offizieller Charakter gegeben wird6.)
- 1
- Protocole / Protokoll: E 2001(E)1976/17/505. Paraphe: HN. Diese Notiz wurde von H. Hess verfasst und unterzeichnet.↩
- 2
- Zu dieser Angelegenheit vgl. auch die Note von P. Micheli an Hess vom 28. April 1962 (Do-DiS-18786) und das Schreiben von Ph. Zutter an Micheli vom 2. Mai 1962 (dodis.ch/18970).↩
- 3
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/18767. Pour le tableau, cf. dodis.ch/18767. For the table, cf. dodis.ch/18767. Per la tabella, cf. dodis.ch/18767.↩
- 4
- Vgl. die Notiz von Hess an Micheli vom 20. Juni 1962 (dodis.ch/18756).↩
- 5
- Zur Reaktion von G. Carli, der eine Vermittlerrolle zu spielen bereit war, vgl. die Beilage zum Zirkular Italie/Nationalisation des entreprises d’électricité von der Schweizerischen Bankiervereinigung vom 11. Juli 1963, nicht abgedruckt.↩
- 6
- Für eine Stellungnahme des Politischen Departements vgl. das Schreiben von Hess an die Schweizerische Bankiervereinigung vom 22. Juli 1963, nicht abgedruckt.↩
Tags
Italy (General) Italy (Politics) Investments and IRG Swiss financial market Nationalization of Swiss assets