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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 20, doc. 77
volume linkZürich/Locarno/Genève 2004
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2802#1967/78#203* | |
Old classification | CH-BAR E 2802(-)1967/78 5 | |
Dossier title | Aegypten (1947–1956) | |
File reference archive | E. |
dodis.ch/13075
Interne Notiz der schweizerischen Nationalbank1 WÄHRUNGSPOLITISCHE RÜCKWIRKUNGEN DES SUEZKANALKONFLIKTS2
1. Die Entwicklung des Suezkonflikts stellt unser Land unerwarteterweise vor neuartige währungspolitische Probleme3. Diese Entwicklung lässt sich dahin umschreiben, dass die politische Aufspaltung der Welt in Ost und West sich anscheinend rasch ausdehnt, indem wesentliche Teile des Islams im Nahen und Mittleren Osten im Begriffe sind, sich mehr oder weniger dem Osten anzuschliessen. Es besteht nun die Möglichkeit, dass die langsame politische Loslösung dieser Länder vom Westen von einer mindestens teilweisen währungsmässigen Loslösung ihrer Währungen vom Pfundsterling und vom Dollar gefolgt sein könnte. Für diese Perspektive gibt es bereits verschiedene Anzeichen. Ägypten hat eine solche Entwicklung vor kurzem eingeleitet, indem es vor der Nationalisierung und vor der Blockierung seiner Guthaben in England, Frankreich und in den Vereinigten Staaten durch schweizerische Banken Pfunde zu realisieren begann, um einen Teil dieser Guthaben in die Schweiz zu transferieren. Wesentliche Beträge der uns im Juli zugeflossenen Dollars stammen aus solchen Liquidationen. Verschiedene andere nah- und mittelöstliche Länder, die auf der Seite Ägyptens stehen, verfügen wie Ägypten über erhebliche Pfund- und Dollarbestände, die gegenwärtig noch frei sind. Es muss von uns aus gesehen mit folgender währungsmässiger Entwicklung gerechnet werden:
a) Ägypten und in der Folge möglicherweise auch noch andere Länder des Nahen und Mittleren Ostens gehen dazu über, ihre Exporte nach Ländern ausserhalb der Pfundaera sich nicht mehr in englischer Währung bezahlen zu lassen, sondern in Schweizerfranken. Die ägyptische Regierung hat dies durch die Presse bekanntgegeben, und wir kennen bereits eine Zahlungsoperation, die die ägyptische Umstellung in seinem Zahlungsverkehr mit asiatischen Ländern bestätigt. Die Staatsbank der Chinesischen Volksrepublik hat sich bereit erklärt, inskünftig für die Bezahlung ägyptischer Baumwolle nicht mehr englische Pfunde zu verwenden, sondern solche Zahlungen – und möglicherweise auch Zahlungen für andere Zwecke – fortan in Schweizerfranken zu effektuieren. Pressemitteilungen zufolge hat sich auch Indien einverstanden erklärt, seine Zahlungen nach Ägypten in Schweizerfranken durchzuführen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch andere Länder des Nahen und Mittleren Ostens zu einer solchen währungsmässigen Umstellung ihres kommerziellen Zahlungsverkehrs übergehen werden.
b) Es ist damit zu rechnen, dass die mit Ägypten verbündeten und liierten Länder des Orients ihre Pfund- und Dollaraktive liquidieren und in andere Währungen überführen werden. Unter den gegebenen währungspolitischen Verhältnissen kommt für eine derartige Neuverteilung der Devisenreserven dieser Länder nur der Schweizerfranken in Betracht. Aus Kairo haben wir über die dortige schweizerische Gesandtschaft vernommen4, dass die ägyptische Regierung die Schweiz als das währungspolitische «refuge» betrachte. Auf Grund von Zeitungsberichten soll sie den befreundeten Ländern im Osten empfohlen haben, ihre Pfundreserven zu liquidieren. Von einem konkreten Beispiel eines kleinen Landes des Mittleren Ostens – es handelt sich um Kuweit – ist uns bekannt, dass die Regierung dieses Landes die Absicht hat, seine Pfundreserven, die sich angeblich auf den Gegenwert von über 3 Milliarden Schweizerfranken belaufen sollen, umzulagern, wobei man daran denkt, einen wesentlichen Teil davon in Schweizerfranken überzuführen.
Es bleibe dahingestellt, wieweit sich hinter dieser Devisenumstellungen russische Einflüsse verstecken. Jedenfalls ist zu beachten, dass die englische Währung von derartigen Umlagerungen, falls sie grösseren Umfang annehmen sollten, empfindlich getroffen werden könnte. Es würde darauf eine Schwächung der britischen Währungsreserven resultieren, und unter dem Drucke massiver Pfundrealisationen könnten sich die britischen Währungsbehörden unter Umständen genötigt sehen die Stützung des transferablen Pfundkurses aufzugeben. Die Rückkehr zur Konvertibilität, ein wesentlicher Schritt zur wirtschaftlichen Konsolidierung des Westens würde damit in noch weiteren Fernen gerückt, als dies bereits heute der Fall ist.
2. Wie kann die währungsmässige Umstellung des Zahlungsverkehrs der Ostländer vom Pfund auf den Schweizerfranken erfolgen? Um diese Umstellung vornehmen zu können, benötigen die betreffenden Länder Schweizerfranken, mit denen sie fortan kommerzielle und finanzielle Zahlungen nach Ägypten und allenfalls nach anderen Ländern des Nahen Ostens durchführen wollen. Auch der Vermögenstransfer in die Schweiz erfordert Schweizerfranken. Schweizerfrankendisponibilitäten können entstehen
a) aus Exportüberschüssen der fraglichen Länder, z. B. Chinas, Indiens und Indonesiens im Verkehr mit der Schweiz;
b) aus der Beschaffung von Schweizerfranken gegen Dollars;
c) aus schweizerischen Bankkrediten ev. aus Darlehen der Weltbank in Schweizerfranken.
Praktisch gesehen kommt die Frankenbeschaffung aus Exportüberschüssen oder aus Darlehenstransaktionen nicht in Frage. Es bleibt somit nur die Beschaffung von Schweizerfranken auf dem Wege des Verkaufs von Dollars und zwar von Dollars, die entweder aus der Liquidation von Pfunden oder von Dollarguthaben in Amerika oder endlich aus dem Verkauf von Gold in London entstehen.
3. Diese zahlungs- und währungsmässigen Vorgänge haben zur Hauptsache drei Aspekte, die schweizerischerseits einer sorgfältigen Prüfung bedürfen.
a) Der währungspolitische Aspekt. Mit der Hereinnahme von Dollars zum Zwecke der Frankenbeschaffung für Länder des Ostens würden wir ein zusätzliches Frankenvolumen schaffen, das voraussichtlich keinen geringen Umfang hätte, und welches mit unserer eigenen Wirtschaft in keinem Zusammenhang stehen würde. Wir haben uns dabei Rechenschaft zu geben, dass es niemals die Funktion der Valuta eines kleinen Landes wie die Schweiz sein kann, als Währungsgrundlage für die Durchführung von internationalen Zahlungstransaktionen grossen Ausmasses zu dienen. Eine solche Funktion kann nur die Währung eines Landes mit einem grossen Wirtschaftsbereich, wie beispielsweise das englische Pfund oder der Dollar, übernehmen. Unsere Währung kann nicht dazu bestimmt sein, die Aufgabe einer Weltwährung zu erfüllen. Dazu ist unser wirtschaftliches Potential zu klein. Die Schaffung von Schweizerfranken, die nicht letzten Endes eine schweizerische wirtschaftliche Leistung zur Grundlage hat, wäre ökonomisch und währungspolitisch falsch. Sie würde zu einem Überhang an einheimischer Kaufkraft führen, die von unserem Wirtschaftskörper nicht absorbiert werden könnte, d. h. es würde eine Verwässerung unserer Währung eintreten und damit verbunden eine Förderung der inflatorischen Gefahren. Die zugunsten der Länder des Orients geschaffenen Schweizerfrankenbeträge werden bei den schweizerischen Banken liegen und von hier zum Teil mindestens sich in schweizerische Anlagen drängen. Abgesehen davon würde die Verwendung von Schweizerfranken für kommerzielle und finanzielle Transaktionen der Ostländer zu einer Beurteilung der schweizerischen Währung in England und Amerika führen, die uns unangenehm sein könnte.
Die Nationalbank sieht sich deshalb genötigt, vor dieser Art Frankenschaffung zu warnen. Sie könnte dazu nicht Hand bieten. Sie hat im übrigen diese Politik schon bisher verfolgt, indem sie es grundsätzlich ablehnt, ausländischen Notenbanken, vor allem des Ostens, Schweizerfranken gegen Gold zur Verfügung zu stellen, wenn diese Schweizerfranken nicht zur Bezahlung schweizerischer Leistungen bestimmt sind.
b) Der politische Aspekt. Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, dass die aufgezeigten Tendenzen von Kapitalverlagerungen aus dem Pfund und dem Dollar in den Schweizerfranken und die Basierung von Handelsund Finanzoperationen östlicher Länder auf dem Schweizerfranken eine hochpolitische Seite haben. Wir sitzen gewissermassen auf der ökonomischen und Währungsmässigen Trennungslinie zwischen Ost und West. Wir haben uns darüber Rechenschaft zu gehen, was es bedeutet, wenn die Schweiz ihre Währung und ihren Bankapparat dem Osten zur Verfügung stellt für Transaktionen, die bei der gegebenen politischen Hochspannung und im Falle der Verschärfung des Konflikts dem Westen als unerwünscht und suspekt gelten und vielleicht sogar als ihren Interessen zuwiderlaufend erscheinen könnten. Die Frage, ob die Doktrine der politischen Neutralität auch auf der Ebene des Zahlungs- und Kapitalverkehrs respektiert werden muss, stellt sich, braucht aber in unseren Überlegungen nicht beantwortet zu werden. Wir können dieser wichtigen Fragestellung dadurch aus dem Wege gehen, dass wir das gestellte Problem einzig und allein von der währungspolitischen Seite aus betrachten und erklären, dass wir den Wünschen des Ostens aus zwingenden währungspolitischen Überlegungen und aus Gründen der Erhaltung unseres monetären Gleichgewichts nicht entsprechen können.
c) Der Aspekt vom Bankenstandpunkt aus. Mit der Aufzeichnung des politischen Aspekts ist bereits auch auf die heikle Seite des Problems hingewiesen, wie sie sich für die Banken selbst im Zusammenhang mit den erwähnten Währungsmässigen Verschiebungen ergibt. Es will wohl gut und reiflich überlegt sein, ob die schweizerischen Banken ihre Dienste für den währungsmässigen Umstellungsprozess der Ostländer zur Verfügung stellen werden, angesichts der mannigfachen wirtschaftlichen und insbesondere Kapitalmässigen Interessen im Westen. Noch weiss niemand, wo der Suezkanalstreit ausmünden wird; doch scheint es, dass daraus ein dauernder wirtschaftlicher Antagonismus zwischen dem Westen und dem Osten und vielleicht ein Herd neuer akuter Konflikte entstehen wird, mag die Lösung so oder anders lauten. Man kann sich dabei nicht unschwer vorstellen, welchem Urteil schweizerische Banken sich in den westlichen Ländern aussetzen würden, sollten sie sich stärker in die östlichen Zahlungs- und Anlagegeschäfte einlassen. Es könnte dann leicht zu einer diskriminatorischen Behandlung der Banken seitens der westlichen Länder kommen. Von da zu schärferen Reaktionen wäre je nach der Gestaltung der politischen Lage kein grosser Schritt. Bei diesen Überlegungen ist anderseits zu berücksichtigen, dass die Schweiz im Nahen Osten mutmasslich mit namhaften finanziellen Interessen in Form von Industrieinvestitionen engagiert ist5.
4. Angesichts der sich stellenden Probleme hatte sich das Direktorium die Frage zu überlegen, ob und in welcher Form Abwehrmassnahmen zu treffen seien. Am 27. August a. c. fand mit den Herren Generaldirektoren Nussbaumer, Schulthess und Dr. Schaefer eine Besprechung statt, um mit Ihnen die Lage zu behandeln. Nach Darlegung der gegenwärtigen Situation und der möglichen Entwicklung der Dinge in der Zukunft wurde den Banken auseinandergesetzt, dass uns, vom währungspolitischen Standpunkt aus gesehen, Vorkehren zur Verhinderung einer zusätzlichen Frankenschaffung für die Bedürfnisse der nah- und fernöstlichen Länder unerlässlich erscheinen. Wir machten den Banken folgende Vorschläge:
a) Die Banken erklären sich bereit, Dollarbeträge, die ihnen von nah- und fernöstlichen Ländern zur Umwandlung in Schweizerfranken angeboten werden, zur Umwandlung in Schweizerfranken nicht entgegenzunehmen, unbekümmert darum, ob es sich dabei um Frankenbeträge für die Abwicklung von kommerziellen oder finanziellen Operationen oder um die Transferierung von Vermögensbeträgen aus dem Pfund- oder Dollarkreis in die Schweiz handle. Von einer solchen Regelung wäre selbstverständlich die Anschaffung von Schweizerfranken gegen Dollars zum Zwecke der Bezahlung schweizerischer Leistungen ausgenommen. Auch sollte es den Banken unbenommen bleiben, fremde Währungen für Rechnung östlicher Länder entgegenzunehmen und entsprechende Konti, beispielsweise Dollar- oder Pfundkonti, zu eröffnen und zu halten, sei es auf den eigenen Namen oder in anderer Form. Hierüber zu entscheiden, ist Sache der Banken. Für die Nationalbank fällt lediglich ins Gewicht, dass aus Dollartransfers keine Frankenschaffung resultiert, die vom währungspolitischen Standpunkt aus unter den gegebenen Verhältnissen dem schweizerischen Interesse nicht dienen könnte. Mit der Entgegennahme von Fremdwährungen hätten die Banken auch die Möglichkeit, ihren Auftraggebern zur Eröffnung von Fremdwährungskonti die Umwandlung von Dollars in Gold bzw. die Umwandlung von Gold zurück in Valuten nahezulegen und offen zu halten. Zu prüfen wäre in einem solchen Falle die Frage der Errichtung von Golddepots für fremde Rechnung in der Schweiz, ev. bei der Nationalbank.
b) Wäre es nicht möglich, von den Banken ein Einverständnis zum Vorschlag der Nationalbank zu erhalten, so wäre zu prüfen, ob die mit den Banken bestehende Vereinbarung über die Auslandsgelder nicht für die Länder des Ostens dahin ergänzt werden sollte, dass Frankenbeträge, die aus der Umwandlung von Dollars entstehen, einer schärferen Reglementierung unterworfen werden. Wir denken dabei an die Bindung solcher Gelder auf beispielsweise 12 Monate wie auch an eine Kommissionsbelastung. Dadurch könnten östliche Gelddeponenten wahrscheinlich veranlasst werden, auf die Errichtung von Schweizerfrankenkonti zu verzichten. Auch von einer derartigen Regelung wäre der normale Zahlungsverkehr mit der Schweiz ausgenommen.
In der Besprechung der gestellten Fragen zeigten die Grossbanken erfreuliches Verständnis für die wärungspolitischen Überlegungen der Nationalbank. Natürlich fiel dabei das eigene Interesse der Banken wesentlich ins Gewicht. Sie geben sich darüber Rechenschaft, was für sie auf dem Spiele steht. Sie anerkennen daher die Notwendigkeit von Abwehrmassnahmen, auch wenn zur Zeit noch keine akute Gefahr eines übermässigen Dollar Anfallzustromes erkennbar sei. Über den Vorschlag der Nationalbank hinausgehend, machten die Banken den Vorschlag, es sei eine Verständigung dahin zu treffen, dass von schweizerischen Banken für Rechnung von ausländischen Interessenten überhaupt keine neuen Fremdwährungskonti mehr eröffnet werden. Damit werde zum vornherein die Gefahr der Frankenschaffung ausgeschaltet und die Banken könnten damit auch der Möglichkeit einer allfälligen diskriminatorischen Behandlung seitens des Westens begegnen. Offen blieb zunächst bei diesem Vorschlag die Frage, ob eine solche Massnahme gegenüber allen Ländern oder nur gegenüber Ländern des Nahen und Fernen Ostens Gültigkeit haben soll.
Die Angelegenheit wird am kommenden Montag mit den Banken weiter besprochen. Es ist denkbar, dass die von den Grossbanken vorgetragene Konzeption der Refüsierung von Fremdwährungen eine Abschwächung erfahren wird, und zwar in dem Sinne, dass sie zwar bereit wären, unter bestimmten Einschränkungen weiterhin Fremdwährungskonti zu eröffnen, dass aber die Umwandlung von Dollars in Schweizerfranken nicht zugelassen würde. Damit wäre dem Wunsche der Nationalbank ebenfalls Rechnung getragen. Um allfällige Dollartransfers schon jetzt, d. h. vor der Herausgabe einer Instruktion an alle in Frage kommenden Banken im Sinne der gehabten Aussprache zu regeln, haben sich die drei Grossbanken bereit erklärt, Gesuche seitens östlicher Länder um Eröffnung von Dollarkonti nach dem Wunsche der Nationalbank zu behandeln. Ein erster Fall als «test case» hat sich bereits gestern abgespielt.
Mit Rücksicht auf die politische Seite des Problems haben wir sofort mit Herrn Minister Dr. A. Zehnder, Generalsekretär des Eidg. Politischen Departements, Fühlung genommen, um ihn über die Problemstellung und das erste Gespräch mit den Banken zu orientieren. Eine mündliche Besprechung mit Herrn Minister Zehnder wird morgen Freitag stattfinden.
- 1
- E 2802(-)1967/78/5.↩
- 2
- Diese Notiz wurde von W. Schwegler, Generaldirektor der Schweizerischen Nationalbank, an A. Zehnder am 29. August 1956 übermittelt.↩
- 4
- Vgl. DDS, Bd. 20, Dok. 76, dodis.ch/12016.↩
- 5
- Vgl. das Schreiben von F. Schnyder an A. Zehnder vom 25. Oktober 1957, E 2001(E)1970/ 217/234 (dodis.ch/12915), und DDS, Bd. 20, Dok. 105, dodis.ch/12046.↩
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