La Pologne est en train de réorienter son économie. Bauer s'oppose à un détachement par la Suisse du commerce des paiements d'indemnisation.
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 20, Dok. 101
volume linkZürich/Locarno/Genève 2004
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2200.151-01#1976/88#618* | |
Alte Signatur | CH-BAR E2200.151-01(-)1976/88 21 | |
Dossiertitel | Allgemeines (1951–1959) | |
Aktenzeichen Archiv | X.50 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7110#1970/112#983* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7110(-)1970/112 114 | |
Dossiertitel | Berichte, Allgemein (1957–1957) | |
Aktenzeichen Archiv | 810 • Zusatzkomponente: Polen |
dodis.ch/11798
Ihr Schreiben (10.59.21.GB-F/10.50/DC/RA) vom 10. Januar d. J.3 ist in meinen Besitz gelangt und ich möchte nicht unterlassen, Ihnen für Ihre ausführlichen Darlegungen und Hinweise auf die Möglichkeiten einer eventuellen Verbesserung unserer Handelsbeziehungen zu Polen verbindlich zu danken.
Wir haben, nicht zuletzt auf Grund Ihrer laufenden Berichterstattung, die für uns sehr wertvoll ist, die letzten Entwicklungen in Polen aufmerksam verfolgt. Die beabsichtigte Neuorientierung des polnischen Aussenhandels mit dem Ziel, die Wirtschaftsbeziehungen zu den westlichen Ländern zu intensivieren, ist unverkennbar, wobei allerdings, wie Sie in Ihrem Schreiben im Zusammenhang mit unseren bilateralen Problemen erwähnen, angesichts der unbefriedigenden Wirtschaftslage Polens in erster Linie wesentliche Kredite erwartet werden. Auch uns gegenüber sind solche Hinweise gefallen wenn auch nur vonseiten des hiesigen polnischen Handelsrates, Herrn Roman Bogusz, der inzwischen nach Warschau zurückgekehrt ist, wie auch seines Nachfolgers, Handelsrat Tadeusz Kowalkowski. Dass die IMPOLCO4 in Basel kürzlich eine Einladung erhielt, zu neuen Kohlenverhandlungen nach Polen zu kommen, mag nach den letzten sehr spärlichen und preislich noch immer sehr ungünstigen polnischen Offerten ebenfalls als bescheidenes Zeichen veränderter Einstellung gegenüber dem Westen zu werten sein. Angesichts der allgemeinen Mangellage an Kohle versprechen wir uns zwar keine sehr wesentlichen Auswirkungen auf diesem Gebiet.
Was nun die Kreditfrage anbelangt, so ist Ihnen zweifellos bekannt, dass der Bund selbst in den letzten Jahren ausserordentlich zurückhaltend geworden ist und angesichts der Lage auf dem schweizerischen Geld- und Kapitalmarkt den Standpunkt vertritt, dass solche Kredite an das Ausland Sache der privaten Banken seien. Die Diskussionen um die letzten Bundeskredite, vor allem jene an Frankreich5 und Italien6 und kürzlich auch um das Darlehen an die Weltbank7 sprechen hier eine zu deutliche Sprache. Nach meiner persönlichen Meinung wird es im gegenwärtigen Zeitpunkt sehr schwer sein, die Zustimmung des Bundesrates zu einem Bundeskredit an Polen zu erlangen und auch die schweizerischen Banken werden aller Wahrscheinlichkeit nach sehr reserviert sein. Man geht hier von der Überlegung aus, dass von polnischer Seite wohl rein wirtschaftliche Kredite verlangt werden, dass aber vom Westen aus gesehen solchen Finanzhilfen vor allem politischer Charakter zukommt. Die Erfahrung hat im Falle Jugoslawiens gezeigt, dass aus politischen Überlegungen gewisse Staaten des Westens mit ihrer Kreditbereitschaft ohne Rücksicht auf allfällige offene Probleme wirtschaftlicher Natur sehr weit zu gehen bereit sind und dadurch eine Situation schaffen, die für die Schweiz sehr wenig Möglichkeiten zur Regelung ihrer wirtschaftlichen Pendenzen offen lässt.
Angesichts des völlig unbefriedigenden Funktionierens unseres Abkommens über die Bezahlung der polnischen Nationalisierungsentschädigung8 und der bisher resultatlos verlaufenen Versuche, dieses Abkommen an die grundlegend veränderten Verhältnisse anzupassen, ist es natürlich durchaus richtig, die Frage aufzuwerfen, ob das polnische Kreditbedürfnis eventuell die Möglichkeit offen lässt, für dieses Problem eine besser befriedigende Lösung zu finden. Eine der Lösungen, an die man denken könnte, haben Sie in Ihrem Schreiben aufgeführt.9 Ich möchte in dieser Frage keineswegs dem dafür zuständigen Politischen Departement vorgreifen. Auf Grund meiner eigenen Wahrnehmung bin ich aber geneigt daran zu zweifeln, dass man auf polnischer Seite in einer Verlängerung der Rückzahlungsfrist und einer Umwandlung der bisher auf Grund der Abspaltungsprozedur im Warenverkehr beruhenden Zahlungsverpflichtung in einen Kredit unter den heutigen Verhältnissen eine ausreichende schweizerische Konzession sehen würde, solange Polen nicht unter dem Druck der endgültigen Fälligkeit seiner Zahlungsverpflichtung steht. Diese wird jedoch erst Ende 1963 eintreten. Polen hat, wie Sie wissen, bisher jede Änderung dieses Abkommens abgelehnt, mit dem sturen Hinweis darauf, dass es sich um einen vom Parlament ratifizierten Vertrag handle und es im übrigen von der Schweiz abhänge, durch entsprechend erhöhte Warenbezüge in den Genuss der vollen jährlichen Abzahlungsquoten zu gelangen. Dass solchen Vorschlägen keine praktische Bedeutung zukommen kann, brauchen wir nicht besonders zu erwähnen. Anlässlich der letzten bilateralen Konsultationen im Rahmen der Herbsttagung des Handelskomitees der Europäischen Wirtschaftskommission (ECE) in Genf, im Oktober 1956, haben wir im Zusammenhang mit der in dieser Kommission zur Debatte stehenden Frage der Multilateralisierung des Zahlungsverkehrs West–Ost bei der polnischen Delegation, die unter Leitung von Herrn Aleksander Wolynski, Direktor im Aussenhandelsministerium, stand, vorsichtig abzuklären versucht, ob und gegebenenfalls zu welchen Änderungen des Nationalisierungsabkommens man in Polen bereit wäre, falls die Schweiz dem Gedanken einer solchen Multilateralisierung oder gar eines völlig freien Zahlungsverkehrs mit Polen näher zu treten bereit wäre. Die Reaktion war ausgesprochen negativ. Es mag sein, dass die inzwischen veränderten politischen Verhältnisse eine Revision dieses Standpunktes begünstigen könnten, was in geeigneter Weise weiter abzuklären zweifellos für uns sehr wissenswert wäre.
Es stellt sich dabei allerdings auch die Frage, ob, vom schweizerischen Gesichtspunkt aus gesehen, im Verhältnis zu Polen im gegenwärtigen Zeitpunkt an eine solche Lösung überhaupt gedacht werden kann. Wir stehen nämlich auch bei Jugoslawien vor einer ähnlichen Situation, da dieses Land per 30. Juni 1956 mit rund 28 Mio. Fr. in der Bezahlung seiner Nationalisierungsentschädigung im Rückstand ist (Total der Entschädigungssumme 75 Mio. Fr., per 30. Juni 1956 fällig 68 Mio. Fr., bezahlt 30 Mio. Fr.). Im Unterschied zu Polen tritt aber die endgültige Fälligkeit der Gesamtsumme schon Ende des nächsten Jahres ein. Bei den letzten Wirtschaftsverhandlungen im Sommer 195610 ist auch von der jugoslawischen Delegation der dringende Wunsch geäussert worden, über die Hinausschiebung der Frist für die Leistung der Entschädigungssumme mit der Schweiz möglichst bald verhandeln zu können. Wir sind vorerst auf dieses Begehren nicht eingetreten, nicht zuletzt auch deswegen, weil Jugoslawien – von westlicher Seite hinsichtlich der langfristigen Konsolidierung seiner Schulden und durch Gewährung neuer Kredite übermässig verwöhnt – in der mit der Schweiz noch immer ungelösten Frage der Wiederaufnahme des Schuldendienstes der «Dette publique» zu keinerlei Anstrengungen bereit war. Es ist also sehr wohl zu überlegen, ob Polen gegenüber Konzessionen gemacht werden können, bevor man weiss, wie man das für den Augenblick noch wichtigere Problem Jugoslawien zu lösen gedenkt. Ich möchte aber, wie gesagt, dem Politischen Departement in dieser Frage nicht vorgreifen. Falls Sie mich dazu ermächtigen, werde ich ihm gerne eine Kopie Ihres Briefes zur Verfügung stellen, damit es Ihnen direkt auch noch seine Auffassung bekannt geben kann.
Soweit, Herr Minister, der Eindruck, den ich gegenwärtig von der Situation habe. Ich bin natürlich zu einer weiteren Prüfung, eventuell mit den übrigen an dieser Frage beteiligten Kreisen, sehr gerne bereit, vor allem auch, wenn Sie durch Ihre Feststellungen im weiteren Verlauf der Entwicklung in Polen in der Annahme bestärkt werden sollten, dass die Gelegenheit zu neuen Verhandlungen über das Nationalisierungsabkommen wirklich günstig wäre. Ich möchte Ihnen nochmals ganz speziell dafür danken, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, dieses Problem, das unsere zwischenstaatlichen wirtschaftlichen Beziehungen zu Polen belastet, unter den durch die politischen Ereignisse veränderten Aspekten neu zu überprüfen.11
- 1
- Schreiben: E 2200.151(-)1976/88/21.↩
- 3
- Vgl. E 7110(A)1970/112/114.↩
- 5
- Vgl. DDS, Bd. 19, Dok. 113, dodis.ch/8954(dodis.ch/8954).↩
- 6
- Vgl. DDS, Bd. 20, Dok. 69, dodis.ch/11479 und den Antrag des EPD vom 25. Mai 1956, E 1004.1(-)-/1/ 589 (dodis.ch/11030).↩
- 7
- Vgl. DDS, Bd. 20, Dok. 3, dodis.ch/13243.↩
- 8
- Eine Zusammenfassung der Problematik der Nationalisierungsentschädigungszahlungen durch Polen findet sich in einem Schreiben F. Bauers vom 11. Oktober 1957, E 2001 (E)1970/217/484 (dodis.ch/11876).↩
- 9
- Vgl. Anm. 2.↩
- 10
- Vgl. die Note P. Duponts an A. Zehnder vom 9. Juli 1956, E 2001(E)1970/217/495 (dodis.ch/11419), das BR-Prot. Nr. 1324 vom 7. August 1956, E 1004.1(-)-/1/592 (dodis.ch/11421) und den Antrag des EVD an den Bundesrat vom 7. August 1956, ibid. (dodis.ch/11433).↩
- 11
- Neue Wirtschaftsverhandlungen mit Polen fanden vom 25. Juni bis 12. Juli 1962 und vom 21. November bis 5. Dezember 1962 in Bern statt. Vgl. E 2001(E)1976/17/562.↩