dodis.ch/45271
Der schweizerische Gesandte in
Berlin,
H.Rüfenacht, an den Vorsteher des Politischen Departmentes,
G. Motta1
Ich hatte gestern Abend den Besuch des Herrn Doktor Wolfers. Nach seiner Mitteilung ist der fragliche Journalist Herr SchefTer auf die russische Botschaft gebeten worden zur Entgegennahme der aus Moskau eingetroffenen Antwort. Diese lautete dahin, die russische Regierung nehme mit Befriedigung davon Kenntnis, dass die schweizerische Regierung das Fernbleiben Russlands von der Weltwirtschaftskonferenz bedaure, und zur Beilegung des Konfliktes bereit sei. Die russische Regierung sei ihrerseits zur Wiederaufnahme von Verhandlungen bereit, wünsche aber, solche direkt, d. h. ohne Vermittlung einer dritten Macht zu führen. Allerdings hege Moskau einige Bedenken, dass der in der schweizerischen Presse geführte Angriff gegen den russischen Vertreter des Roten Kreuzes die Verhandlungen ungünstig beeinflussen könne. Ich habe einen solchen Angriff nicht gelesen. Nach der Mitteilung Wolfers wurde «Die Thurgauer-Zeitung» genannt, mit der Erwähnung der Kantonszugehörigkeit des Herrn Bundesrat Häberlin. Der Vertreter der russischen Botschaft habe beigefügt, nicht dafür garantieren zu können, dass die russische Presse auf den Angriff schweigen werde. Scheffer habe deshalb die russische Botschaft gebeten, eine allfällig geplante Antwort der russischen Presse telegraphisch abzustellen, und Wolfers warf die Frage auf, ob nicht in ähnlichem Sinne auf die schweizerische Presse eingewirkt werden könnte. (Davon, dass die Rücksendung der Einladung des Völkerbundes an Russland durch dieses und die Motivierung dieser Grobheit ebenfalls nicht die beste Atmosphäre für Verhandlungen schafft, hat Moskau nichts gesagt).
Ferner habe sich der Vertreter der russischen Botschaft beunruhigt gezeigt über die Nachricht der Kölnischen Zeitung, von einer bevorstehenden Intervention des Völkerbundes und wiederholt erklärt, seine Regierung wünsche in Ruhe und ohne Einmischung Dritter zu verhandeln.
Damit der Angriff auf den russischen Vertreter des Roten Kreuzes und eine allfällige Intervention des Völkerbundes nicht die Verhandlungen stören, halte Scheffer deren baldige Einleitung für angezeigt. Für den Fall, dass Sie wünschen, dass verhandelt und dass in Berlin verhandelt werde, stellt Scheffer sich zur Anbahnung zur Verfügung. In der Tat wäre es, da ja eine dritte Macht nicht beigezogen werden soll, erwünscht, einen Mann zu haben, der die Vorschläge und Antworten betreffend Ort und Zeit der ersten Zusammenkunft und betreffend die verhandelnden Personen als Bote vermitteln könnte. Verzichtet man auf seine Dienste, so will Scheffer Mittwoch, den 16. dies wieder verreisen. Er hat deshalb Wolfers um eine Mitteilung bis Dienstag den 15. dies gebeten, ob man seiner bedürfe oder nicht, und ich wäre Ihnen meinerseits für eine bezügliche telegraphische Antwort zuhanden von Wolfers dankbar. Im übrigen darf ich Ihren Instruktionen entgegensehen2.