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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 4, doc. 18
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2200.41-02#1000/1671#2866* |
Ancienne cote | CH-BAR E 2200.41-02(-)1000/1671 456 |
Titre du dossier | Correspondances politiques et diplomatiques (1889–1890) |
Référence archives | 1 |
dodis.ch/42428
Man schreibt uns aus Berlin unterm 20 d. Mts.
Von best informirter Seite her ist mir betreffend die Vorgänge, welche den Bruch zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck unmittelbar herbeigeführt haben, Folgendes mitgetheilt worden:
In den letzten Tagen der vergangenen Woche hat der Kaiser Kenntniss davon erhalten, dass der Reichskanzler den Mitgliedern des Staatsministeriums in sehr bestimmter Form die Weisung hatte zugehen lassen, ohne sein Wissen und seine Einwilligung nicht mit dem Kaiser zu conferiren und dass er sich hiebei auf eine Cabinetsordre aus längst vergangenen Zeiten berufen hatte, welche er aus den Archiven «ausgraben» liess. Letzten Samstag abend begab sich dann der Kaiser zum Reichskanzler, um sich hierüber zu beschweren und von Letzterem die sofortige Rücknahme der gedachten Weisung zu verlangen. Da der Reichskanzler ausweichend antwortete, gab ihm der Kaiser Bedenkzeit bis zum Sonntag, mit dem ausdrücklichen Bemerken, dass er an seiner fraglichen Forderung unbedingt festhalten müsse.
Der Reichskanzler liess aber den Sonntag verstreichen, ohne dem Kaiser irgendwelchen Bescheid zu geben, und da schickte der Kaiser dann Montag früh den Chef seines Militär-Cabinets, General-Adjutant von Hahnke zum Reichskanzler, mit dem Befehle für Letzteren, er möge sich nunmehr ohne weitern Verzug erklären, ob er sich fügen wolle. Bismarck wich indes einer bestimmten Erklärung abermals aus und nachdem General Hahnke dem Kaiser über den Verlauf dieser Unterredung Bericht erstattet, entsandte Letzterer Hahnke ohne Verzug wieder in das Reichskanzler-Palais, mit dem Befehle für den Fürsten, sofort mit «Ja» oder «Nein» zu erklären, ob er die gedachte Verfügung widerrufen werde.
Und nun erfolgte ein entschiedenes «Nein» und zugleich, vorerst mündlich, das Gesuch des Reichskanzlers um Enthebung von allen seinen Ämtern, womit der Rücktritt des Letzteren materiell entschieden war.
Zu der akuten Erbitterung des Kaisers gegen den Fürsten Bismarck soll, wie ich aus gleicher Quelle erfahren, auch die neuliche Unterredung des Letzteren mit Windthorst nicht unwesentlich beigetragen haben. Der Kaiser habe nämlich vor einiger Zeit dem Fürsten Bismarck erklärt, er gebe ihm carte blanche betreffend die Auswahl der Persönlichkeiten, mit welchen er sich behufs Berathung über die in Folge der Reichstagswahlen geschaffene Situation ins Einvernehmen setzen wolle, nur müsse er positiv verlangen, dass er von Windthorst (welchen der Kaiser als Reichsfeind perhorreszirt) unter allen Umständen absehe.
Endlich sollen zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler in der allerletzten Zeit auch betreffend die zu gewärtigende Militär-Vorlage tiefere Differenzen obgewaltet haben. Der Kaiser sei nämlich mit dem hohen Betrage der neuen Creditforderung nicht einverstanden gewesen; der Reichskanzler dagegen habe hartnäckig an der von ihm vertretenen Vorlage festgehalten. Relata refero. Eine ausschlaggebende Rolle dürfte indes dieser letztere Punkt kaum gespielt haben2.
- 1
- E 2200 Paris 1/235.↩
- 2
- Cf. le télégramme du DFAE à la Légation suisse à Paris du 19 mars 1890, 3 heures du soir: Wir erhalten soeben folgendes Telegramm aus Berlin. Kanzler hat heute dem Kaiser sein formelles Entlassungsgesuch eingegeben. Kaiser wird dasselbe zweifellos sofort definitiv annehmen. Materiell war diese Politik gestern schon entschieden. Betr. Graf Bismarck ist die Sache noch in Suspens; es heisst der Kaiser wünsche dass er bleibe, da er Wert darauf setze, damit zu bekunden, dass Rücktritt des Kanzlers keine Änderung in der Auswärtigen Politik bedeute. Bis jetzt zeigt sich aber der Graf zu bleiben nicht geneigt. Als Nachfolger des Reichskanzlers wird unter ändern General Caprivi genannt. (E 2200 Paris 1/235) Cf. aussi la lettre de Droz du 18 février 1890, ibid.↩
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