Gespräch des Schweizer Gesandten de Torrenté mit Major General Willems vom Nachrichtendienst der US Army über die schweizerische Neutralität. Willems ist der Meinung, dass die Neutralität der Schweiz keine Vorteile mehr bringe.
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 19, Dok. 150
volume linkZürich/Locarno/Genève 2003
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E5560C#1975/46#1701* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 5560(C)1975/46 181 | |
Dossiertitel | Berichte aus U.S.A. (1951–1956) | |
Aktenzeichen Archiv | 322.4.04 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2300#1000/716#1198* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2300(-)1000/716 505 | |
Dossiertitel | Washington, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Sozialberichte, Band 57 (1955–1955) |
dodis.ch/9080
Der Militär- und Luftattaché der schweizerischen Gesandtschaft in Washington, H. Rieser, an die Generalstabsabteilung im Militärdepartement1
US-ARMEE UND SCHWEIZERISCHE NEU TRALITÄT. GESPRÄCH MIT MAJOR GENERAL WILLEMS2 VOM NACHRICHTENDIENST DER US ARMY
Anlässlich eines Nachtessens in unserem Haus, an dem u. a. auch Herr Minister de Torrenté teilnahm, brachte General Willems, als die Herren unter sich waren, das Gespräch auf die schweizerische Neutralität. Aus dieser Diskussion möchte ich Ihnen folgende von General Willems vorgebrachten Punkte mitteilen:
1. Willems ist der Meinung, dass viele Schweizer jetzt der Auffassung seien, man solle die Neutralität aufgeben.
2. Wenn es sich um die Verteidigung Westeuropas gegen einen kommunistischen Angriff handle, so stehe doch die Schweiz auf Seite der Westmächte und nicht der Kommunisten.
Für den Aufbau eines Verteidigungssystems in Europa und um die Rheinlinie gegen einen eventuellen Angriff der Sowjets halten zu können, sei aber die Zusammenarbeit mit der schweizerischen Armee sehr wünschbar und wichtig.
3. Willems legte dar, dass die Schweiz, ob sie nun neutral sei oder nicht, bei einem russischen Vormarsch gegen Westen vorerst nicht angegriffen, sondern umgangen würde. Ein russischer Angriff werde sich gegen Westdeutschland – Belgien – Frankreichund im Süden gegen Italienrichten und nicht gegen die militärisch starke Schweiz.
4. Dann werde eine ähnliche Situation eintreten wie im letzten Weltkrieg, nur dass wir dann von den Kommunisten eingeschlossen wären, und wir könnten doch sicher nicht damit rechnen, mit den Sowjets oder von ihnen besetzten Staaten Handel treiben zu können, wie dies im letzten Krieg mit den Nazis der Fall gewesen sei. Worin läge dann der Vorteil der Neutralität?
5. In der Konversation betreffend die Zusammenarbeit mit den Deutschen während des letzten Krieges brachte Willems auch das Argument: die Schweiz habe im letzten Krieg nicht nur Material, sondern auch Truppen in versiegelten Wagen durch ihr Land transportiert3. Auf alle Fälle hätte die Schweiz Deutschland Güter geliefert4.
6. Willems ist überzeugt, dass die Sowjets nur durch militärische Stärke davon abgehalten würden, einen Krieg zu beginnen. Eine Aufrüstung und Zusammenarbeit aller nicht kommunistischen Staaten sei daher dringend notwendig.
Zusammenfassend kann die von General Willems geäusserte Auffassung wie folgt wiedergegeben werden:
Bei der heutigen Situation bringt die Neutralität der Schweiz keine Vorteile. Sie wird so oder so im Fall eines Krieges mit hinein gezogen werden. Ein Zusammenarbeiten in der Vorarbeit für eine Verteidigung von Westeuropa und die Festlegung eines übereinstimmenden Verteidigungsdispositivs wäre dagegen nicht nur für die Westmächte, sondern auch für die Verteidigung der Schweiz selbst von grosser Wichtigkeit.
- 1
- E 5560(C)1975/46181.↩
- 2
- Fussnote im Originaltext: Angaben über Major General John M. Willems: geb. 1901 in Leavenworth. Geht aus der Feldartillerie hervor. Nahm 1942 als Art. Chef des 1. Tankkorps am nordafrikanischen Feldzug teil. 1943 war er mit der 7. Armee und wurde Stabschef des «provis. Corps» der 7. Armee. Nach dem sizilianischen Feldzug wurde er Stabschef im↩
- 3
- Korps. Im September 1945 kam er als Stabschef nach Heidelberg, bis er im April 1946 zum Nachrichtendienst des Generalstabes des War Department nach Washington versetzt wurde. Von Juni 1946 bis Juli 1947 war er als Militärattaché in Rom (sein Sohn war in dieser Zeit im Institut Rosey in Gstaad), um dann in die Operationssektion im Armee HQ nach Washington versetzt zu werden. Nov. 1950 Art. Chef der 2. Pz. Div. im Fort Hood (Texas) und 1951 mit dieser Division nach Deutschland. August 1952 wurde er auf den gegenwärtigen Posten als Deputy Assistant Chief of Staff for Intelligence nach Washington berufen. Auf Anfang Mai 1955 wird er das Kdo. der 3. Pz. Div. «Spearhead» (vergleiche Rapport militaire No. 4/55) in Fort Knox (Kentucky) übernehmen. 2. Über den Transport deutscher Truppen durch die Schweiz gibt es keine Belege in den Akten; über den Transit italienischer Arbeiter nach Deutschland vgl. DDS, Bd. 15, Dok. 138, dodis.ch/47742.↩
- 4
- Für schweizerische Güterlieferungen nach Deutschland vgl. DDS, Bd. 13, Thematisches Verzeichnis: II.A.1.2. Allemagne – Affaires économiques; DDS, Bd. 14, Thematisches Verzeichnis: 2.1.1. Allemagne – Relations économiques; DDS, Bd. 15, Thematisches Verzeichnis: III.1.1. Allemagne – Relations économiques.↩
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