Besprechung mit dem chinesischen Vize-Minister für Aussenhandel, Lei Min. Folgende Punkte werden diskutiert: Abschluss eines Handelsvertrags, Vereinbarung eines Warenaustauschs, ein Tarifreglement sowie die Errichtung einer chinesischen Handelsvertretung in der Schweiz.
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 19, Dok. 114
volume linkZürich/Locarno/Genève 2003
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7110#1967/32#16687* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7110(-)1967/32 805 | |
Dossiertitel | Handelsvertrag (1954–1954) | |
Aktenzeichen Archiv | 821 • Zusatzkomponente: China |
dodis.ch/8176
Der Präsident der Kommission für Nationalisierungsentschädigungen, M. Troendle, an den Vorsteher des Volkwirtschaftsdepartements, R. Rubattel, den Vorsteher des Politischen Departements, M. Petitpierre, den Direktor der Handelsabteilung des Volkwirtschaftsdepartements, J. Hotz, und an den Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements, A. Zehnder1
WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN MIT DER CHINESISCHEN VOLKSREPUBLIK
Ich hatte heute zusammen mit Herrn Minister Bernoulli in Genf ein Gespräch mit dem chinesischen Vize-Aussenhandelsminister Lei Min. Es wurden folgende Punkte behandelt:
I. Abschluss eines Handelsvertrages;
II. Abmachungen über den Warenaustausch;
III. Regelung des Zahlungsverkehrs;
IV. Errichtung einer chinesischen Handelsvertretung in der Schweiz.I.
Einleitend stellte der chinesische Gesprächspartner fest, dass sich der Warenaustausch zwischen China und der Schweiz in den vergangenen Jahren relativ günstig entwickelt hat. Er bestätigte, dass die chinesische Regierung grosses Interesse an einem weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen mit der Schweiz habe. Man sei auf chinesischer Seite auch bereit, zur Förderung der gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen staatsvertragliche Vereinbarungen zu treffen. China kenne verschiedene Typen solcher Vereinbarungen, die es bereits mit verschiedenen Staaten abgeschlossen hat, nicht nur mit Staaten des Sowjetblocks, sondern u. a. auch mit Finnland, Indonesien und Burma.
Ich stellte meinerseits fest, dass auch auf schweizerischer Seite grundsätzlich Bereitschaft besteht, gewisse Fragen vertraglich zu regeln, wobei allerdings zu berücksichtigen sei, dass sich die beiden Aussenhandelssysteme grundsätzlich voneinander unterscheiden; in der Schweiz werde das Hauptgewicht auf die private Initiative gelegt, sodass eigentlich nur dann ein Bedürfnis bestehe für Abmachungen zwischen den Regierungen, wenn sich bei der privaten Import- und Exporttätigkeit irgendwelche Schwierigkeiten ergeben, welche durch zwischenstaatliche Abkommen aus der Welt geschafft werden könnten. Von diesem Gesichtspunkte aus stehe eigentlich nur der Abschluss eines einfachen Meistbegünstigungsabkommens im Vordergrund, welches dazu dienen könnte, den auf schweizerischer Seite bereits bestehenden Zustand der uneingeschränkten Gewährung der Meistbegünstigung in allen Zollfragen bilateral zu sanktionieren. Die Schweiz hat in letzter Zeit mit verschiedenen Staaten, die ebenfalls das Aussenhandelsmonopol kennen, solche Meistbegünstigungsabkommen abgeschlossen. Vizeminister Lei Min ist grundsätzlich einverstanden, den Abschluss eines Meistbegünstigungsabkommens zu prüfen, wobei er in erster Linie an gewisse Wohlwollenserklärungen denkt und nicht in Aussicht nehmen kann, bei der Gewährung der Meistbegünstigung über reine Zollfragen hinauszugehen. Dies wird auch unserseits nicht gewünscht.II.
Der chinesische Gesprächspartner würde die Aufstellung von Warenlisten begrüssen im Sinne eines Programms zur Ermunterung der beidseitigen Importeure und Exporteure. Ich glaube jedoch, ihn davon überzeugt zu haben, dass im Verkehr zwischen der Schweiz und China solch Warenlisten keine praktische Bedeutung hätten, indem vielfach chinesische Waren auf verschiedenen Welthandelsplätzen gekauft werden. Bei den schweizerischen Exporten steht nicht immer fest, ob die Endbestimmung China ist, insbesondere bei den Lieferungen nach Hongkong2. III.
Wegen des Zahlungsverkehrs kann ich Vizeminister Lei Min darlegen, dass die Schweiz keinerlei Einschränkungen im Zahlungsverkehr mit dem Ausland kennt. Im Verkehr mit China haben sich bis jetzt keinerlei Schwierigkeiten ergeben und es liegt im Interesse beider Parteien, den Zahlungsverkehr nicht bilateral einzuschränken. Der chinesische Vize-Aussenhandelsminister sieht dies ein, regt jedoch an, gegebenenfalls zweckentsprechende Vereinbarungen zwischen den beiden Staatsbanken zu treffen. Ich ziehe es vor, nicht näher auf dieses Problem einzutreten, weil sonst unter Umständen die Frage der Gewährung einer Kreditmarge bei gegenseitigen Verrechnungen zur Sprache gekommen wäre. Herr Lei Min ist nicht auf die Schwierigkeiten zu sprechen gekommen, die sich aus der Blockierung chinesischer Dollarguthaben bei schweizerischen Banken ergeben haben. Er hat nur der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Abwicklung finanzieller Operationen über schweizerische Banken ohne weiteres möglich sei, was ich ihm bestätigt habe mit der Einschränkung, dass Dollaroperationen nicht in Frage kommen können. Er hat hierauf spontan erklärt, die chinesische Regierung habe nicht mehr die Absicht, Dollargeschäfte zu tätigen.IV.
Zur Frage einer chinesischen kommerziellen Vertretung in der Schweiz äussert sich Vizeminister Lei Min dahingehend, dass die Absicht bestehe, in der Schweiz eine Vertretung zu errichten, um dadurch den direkten Kontakt mit den schweizerischen Import- und Exportkreisen zu ermöglichen. Er sieht dabei drei verschiedene Wege, entweder
Zustellung eines Handelsattachés zur hiesigen Chinesischen Gesandtschaft mit entsprechendem Hilfspersonal;
Errichtung einer offiziellen Handelsvertretung nach sowjetrussischem Muster oder
Gründung von Firmen auf privatrechtlicher Basis in der Schweiz.
Ich erkläre ihm, dass wir grundsätzlich die letztere Variante vorziehen würden, ohne jedoch hieraus eine formelle Frage zu machen. Die Errichtung einer offiziellen Handelsvertretung müsste gegebenenfalls vertraglich geregelt werden, während der Ausbau des Handelsdienstes der Chinesischen Gesandtschaft nach den allgemein völkerrechtlichen Regeln vor sich gehen könnte.
Das Gespräch, das 1 1/2 Stunden dauerte, wickelte sich in verständnisvoller Weise ab. Chinesischerseits wurden keinerlei Andeutungen betreffend schweizerische Exportbeschränkungen für strategisch wichtige Güter gemacht. Ich habe meinerseits darauf verzichtet, die Frage der Liquidation schweizerischer Unternehmen3 in China zur Sprache zu bringen, um nicht die Diskussion zu belasten.
Wir sind übereingekommen, dass auf Grund des stattgefundenen Meinungsaustausches beide Parteien die Lage prüfen, worauf dann das angeknüpfte Gespräch weitergeführt werden könnte, sei es in Genf, wenn zum gegebenen Zeitpunkte sich Herr Lei Min noch dort befindet (was wenig wahrscheinlich ist) oder aber über den üblichen diplomatischen Weg, insbesondere über unsere Gesandtschaft in Peking. Herr Lei Min hat mir dafür gedankt, dass ich die Gelegenheit benutzte, um unseren neuen Gesandten bei der Chinesischen Volksrepublik bei ihm einzuführen.
Aus dem Verlauf des Gespräches lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
Es besteht auf chinesischer Seite offensichtlich Bereitschaft, mit der Schweiz zwischenstaatliche wirtschaftliche Vereinbarungen zu treffen. Es wird deshalb zweckmässig sein, im Einvernehmen mit den interessierten Kreisen so rasch als möglich einen Entwurf für einen Handelsvertrag in Gestalt eines einfachen Wohlwollens- und Meistbegünstigungsabkommens auszuarbeiten. Dieser Entwurf könnte dann der chinesischen Regierung zur Stellungnahme unterbreitet werden, wobei die Wahl des Zeitpunktes selbstverständlich auch von politischen Überlegungen (West/Ost-Problem) abhängig sein wird.
- 1
- (Kopie): E 7110(-)1967/32/805.↩
- 2
- Die schweizerische Zollstatistik erfasste die schweizerischen Ausfuhren in die Volksrepublik China, in die Republik China und nach Hongkong zusammen unter den Begriff China.↩
- 3
- Vgl. E 2001(E)1969/121/95 (dodis.ch/8174).↩
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